1994

Ein Interview mit Eko Fresh und Mirza Odabaşı

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Wir schreiben das Jahr 1994 – das Superwahljahr! Aber nicht für TürkInnen. Die Wahlbeteiligung von Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund hält sich damals wie heute in Grenzen. Im Rahmen der #IchDuWirNRW Kampagne des Bundesministerium für Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW wird diese Problematik thematisiert und mit Hilfe von Eko Fresh und Mirza Odabaşı kreativ und künstlerisch auf die Leinwand gebracht. Dafür versetzt Mirza Odabaşı Eko Fresh 26 Jahre in die Vergangenheit. Wir trafen die beiden Künstler zum exklusiven Interview vor der Veröffentlichung ihres neuen Videos 1994 in einem Dönerladen in Kerpen.

 1994 ist nicht euer erstes gemeinsames Projekt. Wie lange kennt ihr euch schon?

Mirza: Vor etwa zehn Jahren trafen wir uns das erste mal bei meiner Ausstellung Zwischenkultur und waren direkt auf einer Wellenlänge. Seitdem arbeiten wir immer mal wieder zusammen.

Eko: Wenn Mirza und ich gemeinsam an einem Projekt arbeiten, tun wir das immer mit Bedacht, denn uns ist es sehr wichtig, dass das Thema uns beide interessiert und wir uns damit vorher schon beschäftigt haben.

Mirza: Nicht alles, was wir gemeinsam geschaffen haben, wird auch veröffentlicht. Viele Projekte liegen in der Schublade herum, da sie unseren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind.

Eko: Das ist ein Zeichen dafür, dass unsere gemeinsamen Projekte immer Herzensangelegenheiten sind.

Mirza am Set des Drehs zu „1994“

Es ist schon cool, wenn das Ministerium anruft und euch für ein Projekt engagiert!

Eko: Dass Menschen, die in Ministerien sitzen, auf uns aufmerksam werden freut mich sehr. Das zeigt, dass sie zum einen Rap als Kunstform mittlerweile anerkennen und zum anderen, dass sie uns vertrauen.

Mirza: Ich hab mich natürlich auch sehr gefreut. Einen Monat nach der Besprechung des Projektes mit dem Ministerium, saßen wir mit Eko auch schon am Tisch und hatten direkt die Idee mit dem Jungen, der nach Hause kommt und seinem Vater erzählt, dass er in der Schule nach seiner Herkunft gefragt wurde. Die Idee war direkt da.

HipHop und Rap in den 90er Jahren waren für euch identitätsprägend. Da stellt sich die Frage, ob 1994 autobiografisch ist?

Mirza: Auf jeden Fall. Den Satz “Baba, die haben mich in der Schule gefragt wo ich herkomme”, der am Anfang des Videos von dem kleinen Jungen zu hören ist, habe ich genau so zu meinem Vater gesagt. Also könnte der Junge in der Anfangsszene tatsächlich ich sein. Ich bin 1988 geboren und war 1994 in etwa so alt wie der Junge im Video. In diesen Jahren spielte Rapmusik sowohl in Deutschland als auch in der Türkei eine besondere Rolle. Darum war es mir wichtig, die Frage des Jungen auch mit Rap zu beantworten.

 

Mirza Odabaşı und Eko Fresh im Interview | Foto von: Christopher Horne

Warum glaubt ihr, dass junge Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund zum Wählen animiert werden müssen? 

Eko: Hier gibt es nur eine Wahrheit: Entweder du bist hier und möchtest etwas mitgestalten oder nicht. Da bin ich sehr strikt. Es geht ja darum hier etwas aus sich zu machen. Ich stehe für den “German Dream”. Das ist das Thema meines Lebens.

Rap verliert sich oft in einer Art Anti-Haltung der Gesellschaft gegenüber. Das feiere ich null. In Deutschland haben die Menschen viele Möglichkeiten etwas aus sich zu machen. Die meisten Länder auf der Erde bieten diese Möglichkeiten nicht an. Und genau deswegen ist es besonders wichtig den Willen zu entwickeln und etwas zu unserer Gesellschaft beizutragen. Insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund sehe ich das als Auftrag und ihre Pflicht an. Du wählst ja nicht nur für dich sondern auch für deine Eltern, für deine Verwandten und deinen Umkreis.

Erdal von renk. und Eko: Instastories first, Interview second. | Foto von: Christopher Horne

Mirza: Jeder Jugendliche stellt sich sein Leben in Deutschland auf irgendeine Art und Weise vor. Jeder hat individuelle Ansprüche an diese Gesellschaft. Dann ist es doch das Mindeste wählen zu gehen, sich zu beteiligen und dadurch das Leben in Deutschland mitzugestalten. Insbesondere bei türkischen Migrantenkids kann man durchaus ein Interesse für Politik beobachten, vor allem für die in der Türkei. Dabei macht es keinen Sinn sich für die Politik eines “anderen Landes” zu engagieren. Lass uns hier anfangen, da wo wir leben.

Foto von: Christopher Horne

Eko: Politik ist eigentlich auch gar nicht so weit weg, wie man sich das immer vorstellt. Meistens sind Politiker, die regional für euch zuständig sind, sehr gut erreichbar. Mit denen kann man sich einfach mal zusammensetzen und unterhalten und sich austauschen. Ich habe in der Hinsicht sehr viele gute Erfahrungen gemacht.

Wo seht ihr eure eigenen Kinder in Deutschland? Welches Leben stellt ihr euch für sie vor? Was wünscht ihr euch für sie?

Mirza: Für die nächsten Generationen würde ich mir wünschen, dass es besser und unkomplizierter wird als bei uns. Mit Projekten, wie diesem, arbeiten wir genau daran. Wenn wir es schaffen eingefahrene Strukturen aufzubrechen, Vorurteile abzubauen und Mitgestaltung zu fördern, ist das das wichtigste, was wir gerade für zukünftige Generationen und für unsere Kinder tun können.

Eko: Natürlich will man, dass es die eigenen Kinder besser haben. Auch unsere Eltern wollten, dass es uns besser geht als ihnen. Und für meinen Sohn will ich das auch, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch in der Frage der Identität und Zugehörigkeit. Ein vielleicht scherzhaftes Beispiel ist:

Noch heute bekomme ich Angst, wenn ich im Auto sitze und die Polizei hinter mir fährt.

Es gibt so einen gewissen Komplex, den wir in uns tragen. Und genau das möchte ich für meinen Sohn eben nicht.

Wir arbeiten ja nicht nur mit renk., sondern auch an Projekten, die das Zusammenwachsen fördern sollen. Was braucht Deutschland um nicht mehr im „ihr“ und „wir“ zu denken?

Mirza: Ich habe das Gefühl, dass mit der türkischen Community mittlerweile auf Augenhöhe kommuniziert wird und es nicht mehr ein riesen Gefälle gibt, wie früher, als in der Schule die türkische Putzfrau mit dem deutschen Lehrer kurz in Kontakt kam. Heutzutage ist es keine Seltenheit mehr, dass es beispielsweise viele türkischstämmige Lehrkörper gibt und so ein anderer, akademischer Austausch statt finden kann.

Eko: Das Wort “zusammen” beschreibt es ja schon ganz gut. Auffällig ist, dass genau in den Orten in Deutschland, in denen wenige bis keine Ausländer leben, rechtes Gedankengut präsenter ist als an anderen Orten. Je mehr Deutsche und Menschen mit Migrationshintergund und Ausländer sich begegnen und Berührungspunkte statt finden, desto eher kann eine Gesellschaft zusammenwachsen.

 

 

 

 

Mal ein kleiner Themenumschwung: Eko, warum siehst du im Video zu 1994 so alt aus?

Eko: Ich wurde für das Video älter gemacht (lacht).

Mirza: Ich habe ein Foto von ihm gepostet nachdem der Maske und direkt schrieben die Leute: “Ne kadar yaşlanmış.” (dt. “Wie alt er geworden ist.”) (alle lachen).

Respekt an den Maskenbildner! Sieht auf jeden Fall sehr glaubwürdig aus. Spielst du die Bağlama (dt. türkisches traditionelles Saiteninstrument) eigentlich selbst? 

Eko: Nein, leider nicht.

Mirza: Das war Hollywood-Trickserei (alle lachen).

 

Wir freuen uns schon auf das nächste Projekt der beiden kreativen Köpfe!

 

Fotos: Christopher Horne

Text: Erdal Erez & Vildan Cetin

 

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