Wann wart ihr zuletzt im Club feiern, als eine Frau hinter dem Mischpult stand? Weibliche DJs sind nach wie vor eine Ausnahme, sowohl im Club als auch auf Festivals. Yasemin aka DJ Jazzmin ist Teil der HUSH HUSH Crew und Resident DJ im Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln. Wir haben sie zum Interview getroffen und über die Vorurteile gesprochen, die ihr als Frau in der DJ-Branche begegnen.
Beim Clubbesuch fällt ja doch immer wieder auf, dass überwiegend männliche DJs den Abend gestalten. Warum ist die Szene so männerdominiert?
Das frage ich mich auch ständig. Die Sexismus-Debatte, die gerade bundesweit geführt wird, kann man auch auf die DJ-Branche übertragen.
Es ist ja nicht so, dass Männer Musik mehr lieben als Frauen.
Es fängt meist schon damit an, dass Positionen von Bookern und Clubveranstaltern von Männern besetzt sind. Als Frau ist es da einfach sehr schwer, sich durchzusetzen.
Wie gehst du gegen dieses strukturelle Problem vor?
Anfangs war ich total zurückhaltend und bin davon ausgegangen, dass man mich schon irgendwie findet und auf mich aufmerksam wird – das ist aber nicht so. Inzwischen schreibe ich Leute einfach an, schicke mein Mixtape rum, bin viel offensiver und zeige, dass ich abliefern kann.
Ich musste auch lernen, den Mund aufzumachen und Dinge einzufordern.
Hast du dafür ein Beispiel?
Früher habe ich mich damit zufriedengegeben und einfach hingenommen, dass ich das Warm-Up machen sollte. Manchmal habe ich mir dann im Nachhinein aber gedacht, dass der männliche Kollege – für den ich das Warm-Up gemacht habe – gar nicht besser als ich ist. Mittlerweile weiß ich, was ich kann und was ich will.
Warum werden weibliche DJs so unterschätzt?
Das Auflegen ist nicht nur musisch, sondern auch technisch. Männer wirken vermeintlich kompetenter dadurch, dass technisches Handwerk gefordert ist. Es kommt auch mal vor, dass die Jungs von der Technik vorbeikommen und mir Hilfe beim Verkabeln anbieten.
Die meinen das total nett, aber ich kann meine Turntables und Mixer wirklich selbst anschließen.
Im Club bleiben auch oft Gäste stehen und schauen mir auf die Finger, nach dem Motto: „Kann sie das überhaupt?“ Die klassischen geschlechtsspezifischen Kompetenzzuschreibungen sind einfach zu stark in den Köpfen der Menschen verankert. Die Leute sind total überrascht, dass ich als Frau tatsächlich mit den Turntables umgehen kann.
Woran machst du fest, dass sie überrascht sind?
Ich finde es grundsätzlich total cool, wenn Gäste mir Feedback geben. Oft kommt dann aber sowas wie: „Für ’ne Frau hast du richtig gut aufgelegt, Respekt!“.
Der Sexismus in der Aussage ist vielen – sowohl Männern als auch Frauen – gar nicht bewusst.
Frauen hinter den Decks sind wirklich selten und wenn die Leute dann plötzlich eine DJ sehen, ist das eine riesen Sache, die natürlich kommentiert werden muss.
Was muss deiner Meinung nach passieren, damit die Leute erkennen, dass solche Kommentare sexistisch und überflüssig sind?
Wie in allen Feldern müssen gezielt die vorhandenen Gender-Stereotypen abgebaut werden und das muss schon in der Schule passieren. Ich bin hauptberuflich Lehrerin und in der glücklichen Position, hoffentlich positiven Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen ausüben zu können. Durch meine Art und meine unterschiedlichen Interessen versuche ich meinen Schüler*innen vorzuleben, dass Gender-Stereotypen aufgebrochen werden können und auch müssen.
Ich halte es für sehr wichtig, über das Thema zu sprechen und junge Menschen zu sensibilisieren.
Wissen deine Schüler*innen, dass du nach Schulschluss noch als DJ unterwegs bist?
Die Schüler*innen aus der Oberstufe wissen davon und können damit umgehen. Auch die Jüngeren sprechen mich vermehrt darauf an, weil sie das super spannend finden. Anfangs habe ich erzählt, dass meine Zwillingsschwester die DJ ist, weil ich nicht wollte, dass es zu einem Rollenkonflikt kommt. Jetzt biete ich aber seit einem Jahr an meiner Schule einen DJ Kurs an. Deshalb kauft mir niemand mehr ab, dass ich eine Zwillingsschwester habe. (lacht)
Was planst du für die nähere Zukunft?
Es gibt unzählige männliche Crews in der Hip-Hop Geschichte Kölns und keine einzige weibliche. Das zu ändern ist auf jeden Fall einer meiner Pläne in der Zukunft:
Dass sich drei oder vier Frauen zusammenschließen und gemeinsam etwas starten.
Ein weiteres Ziel ist die Teilnahme an einem der zwei großen Wettbewerbe im Turntable Bereich, dem Red Bull 3Style. Übrigens sind weibliche Teilnehmerinnen dort auch eher eine Seltenheit. Es geht um Songauswahl, technische Skills und die DJ-Persönlichkeit. Ich möchte mit einem richtig guten Set teilnehmen und natürlich auch gut abschneiden.
Song-Steckbrief
MeinaktuellerOhrwurm
Mahalia – Sober (Jarreau Vandal Remix)
Machtmichglücklich
Mc Fioti – Bum Bum Tam Tam
Machtmichtraurig
Amy Winehouse – Back to Black
AufdemSofa
Frank Ocean – Thinkin Bout you
WürdeichgerneimRadiohören
Full Crate – Yeah
AusmeinerKindheit
D’Angelo – Brown Sugar
DarfaufkeinerPartyfehlen
GoldLink – Spectrum
Kannichnichtmehrhören
French Montana – Unforgettable
Kannichauswendig
Trettmann – Gottseidank
BeimKlausurenkorrigieren
Ella Fitzgerald + Louis Armstrong – Dream a little dream of me
Im Auto
Stormzy – Big for your boots
Unter der Dusche
KAYTRANADA feat. Anderson .Paak – GLOWED UP
Text: Gamze Vatancı
Fotografie: Annette Etges