Sensitivity Reader, oder auf Deutsch auch Sensibilitätslektor*innen genannt, sind Personen, die Texte im Hinblick auf potenziell problematische Inhalte, Diskriminierungen und Trigger lesen und bewerten. In einer Zeit, in der die Forderungen nach Inklusion, Diversität und Gerechtigkeit immer lauter werden, gewinnt der Einsatz von Sensitivity Readern immer mehr an Bedeutung.
Was machen Sensitivity Reader?
Die Aufgabe eines Sensitivity Readers ist, stereotype, verletzende Stellen im Text zu bemerken und zu untersuchen, ob sie nötig sind (z.B. um über Rassismus aufzuklären, weil es Teil des Charakters ist, etc.), oder ob sie aus einer Unwissenheit der Autor*in dort stehen und keinen Zweck erfüllen.
Eine solche Überprüfung kann verschiedene Aspekte umfassen, wie die Darstellung von Geschlecht, sexueller Orientierung, Ethnizität, Körperlichkeit, Religion oder sozialem Hintergrund. Die Sensitivity Reader bringen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Sensibilität für diese Themen in den Überprüfungsprozess ein. Ihr Ziel ist es, sicherzustellen, dass der Text nicht nur die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelt, sondern auch die Empfindsamkeiten und Erfahrungen marginalisierter Gruppen respektiert.
Kritik
Trotz des positiven Zwecks und der wachsenden Bedeutung des Sensitivity Readings gibt es auch Kritikpunkte, die hervorgebracht werden. Einige Kritiker*innen argumentieren, dass die Tätigkeit der Sensitivity Reader zur Zensur oder Einschränkung der künstlerischen Freiheit führen könne. Sie befürchten, dass die Forderung nach Sensibilität und Inklusion zu einer Überregulierung der kreativen Ausdrucksformen führt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die potenzielle Vereinnahmung von Stimmen marginalisierter Gruppen durch Sensitivity Reader. Es wird argumentiert, dass es problematisch ist, wenn Personen, die nicht selbst zur betroffenen Gruppe gehören, darüber entscheiden, was in Bezug auf diese Gruppe angemessen ist oder nicht. Dieser Kritikpunkt unterstreicht die Wichtigkeit, dass Sensitivity Reader divers und vielfältig sein sollten, um unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen einzubeziehen.
Es ist jedoch von großer Bedeutung, dass Sensitivity Reader als Ergänzung und Unterstützung betrachtet werden, nicht als alleinige Verantwortungsträger für die Sensibilität und Inklusion in Texten. Autor*innen sollten selbst aktiv daran arbeiten, ihre eigenen Privilegien zu erkennen und sich kontinuierlich mit den Erfahrungen marginalisierter Gruppen auseinandersetzen. Sensitivity Reader können ihnen dabei helfen, blinde Flecken zu identifizieren und neue Perspektiven einzubringen.
Insgesamt ist das Sensitivity Reading ein Werkzeug, um Literatur, Medien und den kreativen Ausdruck im Allgemeinen inklusiver und gerechter zu gestalten. Es ist ein Schritt in Richtung eines diskriminierungsfreien und vielfältigen Diskurses, der die Erfahrungen und Empfindsamkeiten aller Menschen berücksichtigt. Es ermutigt dazu, bestehende Normen und Stereotype zu hinterfragen und neue Erzählungen zu schaffen, die einen breiteren und umfassenderen Blick auf die Welt ermöglichen.
Darf ein Buch verletzen?
Inmitten der Debatte um Sensitivity Reading gilt abzuwägen, ob der Text, der veröffentlicht werden soll, verletzt oder nicht. Sicher ist es wichtig, bestimmte rassistische Aussagen/Verhaltensweisen, sexuelle Gewalt und viele weitere verletzende, problematische Inhalte als solche zu kennzeichnen, z.B. mit einem Content Warning. Sie allerdings vollkommen auszulassen, ist nicht möglich -und ja auch nicht im Sinne der Sensitivity Reader-, denn sie spiegeln unsere Realität wider.
Literatur sollte bewegen, unbedingt! Aber verletzen? Das muss nicht sein.