Rap aus dem Mahalle

İndie İstanbul – Tahribad-ı İsyan

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Matze hat das Glück, immer mal wieder über türkische Musiker*innen zu stolpern. Ganz wortwörtlich: Wenn er in Istanbul ist, lernt er ständig Menschen kennen, die Teil der Istanbuler Indie-Szene sind. Diesmal ist er an einem verregneten Donnerstag auf der İstiklal der Rapgruppe „Tahribad-ı İsyan“ begegnet, die vor kurzem ihr Debütalbum veröffentlicht hat. Ein „Fistbump“, ein paar E-Mails und Wochen später hat er sie in Beyoğlu getroffen.

Drei Jungs in Sulukule

Die 2008 gegründete Rap-Gruppe ist ein Produkt des Istanbuler Viertels Sulukule. Ein Ort, an dem in den vergangenen Jahren ein großer Aufstand gegen die Gentrifizierungswünsche der Regierung stattgefunden hat. Die drei Gruppenmitglieder „Slang“, „Zen-G“ und „VZ“ haben sich auf den Straßen Sulukules kennen gelernt.

Mit ihrem ersten Track „Ghetto Machines“ haben sie sogar bei Amnesty International für Aufregung gesorgt; Das Lied wurde auf dem Album „Roma Rights“ gefeatured. Darauf folgte das Video „Wonderland“ von Halik Altındere, für das das Trio mit dem bekannten Berliner Rapper Fuat Ergin kollaborierte. Beide Lieder handeln von der Gentrifizierung des Bezirkes, aus dem die Band kommt. Sie setzen ein Zeichen gegen die Abrisse von denkmalgeschützten Häusern und die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung.

„Es gibt gerade so viele Leute in diesem Land, die es verlassen wollen. In dem Song sagen wir ‚Bleibt!‘“

Mehr Sichtbarkeit heißt mehr Einfluss

Seit ihrer Performance im Jahr 2013 auf der Istanbuler Biennale, arbeiten die Rapper mit dem berühmten Musiker und Produzenten Kenan Doğulu zusammen. Mit ihm haben sie vor Kurzem auch ihr erstes und gleichnamiges Album veröffentlicht. Der Name bedeutet „Zerstörung durch Aufstand“. Der politische Standpunkt der Gruppe dürfte damit klar sein. In ihrem letzten Video, „Suç Mu?“ (dt: „Ist das ein Verbrechen?“) rufen sie Menschen dazu auf, in der Türkei zu bleiben und für ihre Rechte zu kämpfen.

„Es gibt gerade so viele Leute in diesem Land, die es verlassen wollen. In dem Song sagen wir ‚Bleibt!‘“, so VZ. „Tahribad-ı İsyan“ will die Stimme der Unterdrückten sein: „Du kannst Roma sein. Du kannst Kurdisch sein. Aber am Ende des Tages bist du ein Mensch. Das ist das Bewusstsein, das wir in unseren Fans erwecken wollen“, fügt Slang hinzu, “Uns ist wichtig, dass uns beispielsweise Roma-Kinder im Video sehen und das Gefühl haben, dass sie auch etwas erreichen können“.

 

https://www.youtube.com/watch?v=aSVmOTmHp1I

Ob diese Message durch Rap eine breite Reichweite bekommen kann, ist eine andere Frage. „Die Türkei hat Hiphop immer noch nicht zu etwas Eigenem gemacht“, sagt Gruppenmitglied Slang. „Menschen nehmen Rap als etwas Fremdes wahr. Sie sehen es im Fernsehen und vermuten, dass es nur um Sex, Waffen und Drogen geht.“

Die Rap-Branche müsse erst aufgebaut werden, es müsse mehr Konzerte geben. Die öffentlichen Medien spielen dabei natürlich auch eine besondere Rolle. Slang, VZ und Zen-G hoffen durch sie mehr Präsenz zu bekommen: „Wir sagen nicht, dass alle Rap hören sollen. Nur all diejenigen, die für sich etwas Sinnvolles aus den Texten und den Beats ziehen können“, erklärt Zen-G.

Von den Straßen Deutschlands in die Türkei und zurück

Am Ende des Tages sind die drei Musiker voller Hoffnung und starker Liebe zum Hip-Hop. „Wenn ich sagen würde, dass ich diese Musik nur als eine Protestform mache, dann wäre das gelogen“, meint Slang. Die Gruppe hat sich nicht nur von bekannten amerikanischen Rap-Legenden wie Tupac und Eminem inspirieren lassen, sondern auch von Islamic Force und Fuat Ergin aus Deutschland.

Bei der Erwähnung Deutschlands unterbricht Zen-G: „Ich bin total besessen von Berlin! Dort möchte ich leben, wenn ich alt bin.“ Die Jungs haben sogar Zeit mit Killa Hakan in Berlin verbracht. Während Zen-G begeistert von Xatar erzählt – Dem „Ibrahim Tatlıses des Deutschrap” – fragt VZ nach der Bedeutung von „Haftbefehl“.

„Zuerst müssen wir hier eine Veränderung anregen, bevor wir anfangen, etwas im Ausland zu vertreten“.

Dieses Auslandsinteresse ist keine Einbahnstraße. Einige Lieder oder Videos der Gruppe wurden ins Englische oder Deutsche übersetzt, damit ein ausländisches Publikum mehr Zugang zu ihrer Musik hat. „Klar freuen wir uns, wenn unsere Songs untertitelt werden, damit mehr Leute ihre Bedeutungen verstehen können.“ Doch bevor die Band längere Zeit auf deutschem Boden bleibt und Zen-G sich im Wedding niederlässt, gibt es zu Hause viel zu tun: „Zuerst müssen wir hier eine Veränderung anregen, bevor wir anfangen, im Ausland etwas zu vertreten“.

Seit Jahren arbeitet Tahribad–ı İsyan mit Kindern und Jugendlichen in Sulukule und dem Rest der Türkei. Bis in die südöstlichen Städte Van und Suruç ist das Trio gereist, um Hiphop-Workshops zu geben. Laut Slang ist das ein ganz essentieller Teil der Arbeit der Gruppe. „Wir tun alles, was wir können, um Kindern, die sich hilflos fühlen, Hoffnung zu geben.“

Tahribad–ı İsyans gleichnamiges Album ist am 3. März erschienen und auf iTunes erhältlich. Außerdem könnt ihr auf Spotify reinhören.

Matzes Pick – Ölene Kadar ft. Fuat Ergin:

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