Kurdische Geschichte im Iran

Unterdrückung, Verleugnung und der ewige Traum nach Freiheit

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Die Republik Kurdistan – Mahabad als Zentrum Kurdistans?

Versammlung kurdischer Menschen zur Etablierung eines unabhängigen Staates | © The Foundation For Kurdish Library and Museum, Public domain

Die strukturelle Unterdrückung von Kurd*innen ist seit Jahrzehnten ein andauerndes Problem: Am 22. Januar 1946 etablierten Kurd*innen, unter Führung der PDKI (Demokratische Partei des Iranischen Kurdistans) die Republik Kurdistan in Mahabad. Damaliger Vorsitzender, Hautprotagonist und Präsident der kurdischen Republik war Qazi Mohammed. Ein unabhängiger kurdischer Staat existierte bis zum 15. Dezember 1946, also ca. 11 Monate. Die Republik Kurdistan wurde kurz danach vom Shah Irans, Mohammed Reza Shah Pahlavi, blutig niedergeschlagen. Die führenden kurdischen Persönlichkeiten, darunter auch Qazi Mohammed, wurden verhaftet und am 30. März 1947 wegen Aufruhr und Hochverrat zum Tode durch den Strang verurteilt.

© Public Domain

Noch heute gilt Qazi Mohammed in der kurdischen Gesellschaft als Vorreiter kurdischer Unabhängigkeit und symbolisiert den unaufhaltsamen Widerstand gegen die Besatzer:innen kurdischer Gebiete. Die Republik Kurdistan in Mahabad dient als relevanter historischer Ausgangspunkt, zur Erinnerung des kurdischen Strebens nach Unabhängigkeit.

Die kurdische Frage während der Iranischen Revolution von 1979

Die Kurd:innen spielten während der Iranischen Revolution eine zentrale Rolle, welche letztendlich zum Sturz des Shahs führte. Die sich daraus entwickelte politische Führung, Ayatollah Khomeini, wendete sich kurz daraufhin gegen die Kurd*innen und etablierte eine Fatwa, nämlich den „Jihad“, gegen protestierende Kurd*innen, die Demokratisierung und regionale Autonomie forderten.

Kurdisches Leben im Iran

Kurd*innen sind ökonomisch, sozial und politisch benachteiligt und verschiedenen Formen von Diskriminierung ausgesetzt. Der Zugang zu Bildung, Arbeit und angemessenen Wohnraum sowie politischen Ämtern wird eingeschränkt. Lang anhaltende Unterinvestitionen in kurdischen Regionen verschärfen die bereits existierende Armut und Marginalisierung.  Aber auch die kurdische Namensgebung wird untersagt: „Mahsa“ Amini durfte offiziell ihren kurdischen Namen, Jina, nicht tragen. Ihre gesamte Familie nannte sie jedoch Jina. Des Weiteren versucht man kurdische Gebiete zu isolieren und alle Lebensbereiche unter der Kontrolle Teherans zu bringen.

Mehrfachdiskriminierung von Kurd*innen

Kurd*innen werden nicht nur für ihr Kurdischsein, sondern auch für ihr Sunnitischsein unterdrückt. Neben Ethnie und Religion ist Klasse die dritte Dimension: Kurd*innen gehören zu den ärmsten Gruppen des Landes. Diese Mehrfachdiskriminierung, die verleugnet, dämonisiert und ins Elend treibt, ist brutale Realität für kurdische Menschen. Jina Amini verkörpert all das, was die Islamische Republik hasst: eine freiheitsliebende kurdische Frau.

Seit Jahrzehnten sind Kurd*innen von einem anhaltenden Ethnozid betroffen. Ethnozid beschreibt den Prozess, die kulturelle Identität einer ethnischen Gruppe, insbesondere Sprache und kulturelle Sitten sowie Gebräuche, systematisch zu vernichten. Dieser Ethnozid kommt wie folgt zum Ausdruck: Kurd*innen dürfen seit Jahrzehnten offiziell ihre Muttersprache nicht sprechen, ihren Kindern keine kurdischen Namen geben und sich in irgendeiner Form politisch für die Rechte der Kurd*innen einsetzen. Seit der Etablierung des Islamischen Regime hat sich das Sprachverbot verschärft. Die Konsequenz: Eine große Mehrheit der Kurd*innen kann auf Kurdisch weder lesen noch schreiben.

Der Fall von Zara Mohammadi

© Public DomainZara Mohammadi, kurdische Lehrerin und Aktivistin, wurde am 23. Mai 2019, zuerst zu zehn Jahren, und nach einem Revisionsantrag, zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie kurdischen Kindern die kurdische Sprache beigebracht hat. Der Fall von Mohammadi verdeutlicht, welche diskriminierende Politik gegen ethnische Minderheiten betrieben wird.

Zara Mohammadi ist seit ihrer Inhaftierung zum Symbol der kurdischen Identität geworden und erinnert an die kulturelle Vernichtung kurdischen Bewusstseins.

Am 10. Februrar 2023 wurde Zara Mohammadi laut der Hengaw Human Rights Organization spontan ohne weitere Begründung aus dem Gefängnis entlassen.

„Kurdenfrage“ als Erklärungsansatz für die aktuelle Revolution?

Der kurdische Wunsch nach Freiheit ist der Motor der Revolution. Ohne sie hätte die Revolution keinen ethnien-übergreifenden und landesweiten Charakter.

Der Mullah wirft den Kurd*innen Separatismus vor, bezeichnet die kurdische Sprache als „Höllensprache“, während sie ihr existenzielles Grundrecht als Volksgemeinschaft fordern, nämlich das Recht auf Selbstbestimmung. Die Revolution hätte nie dieses Volumen erreicht, wenn die Minderheiten nicht an vorderster Linie stehen würden. In den gesamten kurdischen Gebieten fanden Massaker statt. Sie sind überproportional von staatlicher Gewalt betroffen, beklagen in Relation zum Bevölkerungsanteil die meisten Todesopfer und repräsentieren die Hälfte aller Strafgefangenen mit lediglich ca. 10% Bevölkerungsanteil. Die „Kurdenfrage“ ist eng mit der Systemfrage verbunden. Nur eine Zukunft im Iran in der die Kurd*innen frei und autonom leben können bedeutet Freiheit. Die Zukunftsvisionen Irans müssen ethnische sowie religiöse Minderheiten zentrieren und ihnen elementare Grundrechte zusprechen. Die ethnienübergreifende Proteste und landesweite Solidarität für Kurd*innen im Iran, insbesondere seitens der Belutsch*innen und Aserbeidschaner*innen, verdeutlicht die notwendige politische Einheit, die als Kollektiv der Unterdrückten das gegenwärtige Regime stürzen kann.

Quellen:
www.hengaw.net/en/news/2023/02/zara-mohammadi-was-sent-home-in-a-hurry-the-prison-authorities-released-her-without-prior-notice
www.qazi-mohammed.de/republik-kurdistan/archiv
ww.taz.de/Frauenrechte-im-Iran/!5880010
www.medico.de/fileadmin/user_upload/media/medico-report-22-genozid-an-den-kurden.pdf
www.insidearabia.com/zara-mohammadi-the-new-face-of-kurdish-resistance-in-iran

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