Das Phänomen Incel und Frauenhass im Netz

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Incel – der Begriff steht für “Involuntarily celibate” zu dt. “unfreiwilliges Zölibat” und beschreibt das meist Männer betreffende Phänomen, länger als sechs Monate gegen ihren Willen ohne Sex zu leben. Im ersten Moment scheint das nicht sonderlich tragisch oder einschneidend zu klingen. Meist haben diese Menschen allerdings kaum oder noch gar keine Erfahrung im Bereich Romantik, Liebe oder sexueller Intimität gesammelt – auch vor ihrem unfreiwilligen Zölibat nicht. In unserer Gesellschaft herrscht aber der Druck, ab einem gewissen Alter auch diese Erfahrungen zur eigenen Lebensrealität dazu zählen zu können.

Im Vergleich zu den sogenannten “Normalos” stehen die “AB”s – die Absoluten Beginner, wie sie andere und sich selbst in Foren gerne bezeichnen. Femcel beschreibt das gleiche Phänomen, nur dass es sich hierbei um weibliche Personen handelt, die mindestens sechs Monate unfreiwillig sexlos sind. Dennoch gibt es einen ziemlich großen Unterschied in der Auswirkung und Konsequenz auf das jeweils andere Geschlecht. Denn viel zu häufig sind es Incels, also Männer, die ihren Frust über ihren Lebensumstand in hasserfüllte, misogyne Botschaften und Hetzen im Internet verbreiten.

Durch einschlägige Internetforen (wie z.B. 4Chan) schließen sie sich oft auch international zusammen und befeuern gegenseitig ihren Hass auf Frauen und bestärken ihre gemeinsame Sicht auf die Welt. Diese sieht nämlich so aus: Dass sie zum einen als Männer ein Recht auf Sex hätten, das ihnen verwehrt wird. Und zum anderen, dass der Grund dafür häufig an ihrem unzureichenden äußeren Erscheinungsbild liegt. Indem sie Frauen abwerten, werten sie sich im selben Zug auf – denn es ist ein starkes Gefühl von Minderwertigkeit, gegen das die Incels eigentlich ankämpfen.

Ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten werden dann durch ein erhabenes, narzisstisches Gefühl kompensiert, welches sich immer mehr auch in Hass gegenüber anderen Menschengruppen manifestiert. Laut einer Studie aus Deutschland, der Schweiz und den USA, ist zwischen 2005 und 2019 die Gewaltbereitschaft von Incels immer weiter gestiegen, da sie sich im Netz radikalisiert haben. Der Hass richtet sich aber vermehrt nicht nur gegen Frauen, sondern ist immer häufiger auch rassistisch oder anit-semitisch motiviert. So soll es beispielsweise Hinweise darauf geben, dass die Attentäter von Halle und Hanau Verbindungen in die Incel-Szene hatten.

Laut Forscher*innen ist ein überhöhtes Männlichkeitsbild (welches an rassistischen, sexistischen, homophoben, sowie anti-semitischen und extrem misogynen Strukturen festhält) ein Großteil der Problematik. Junge Männer, die versuchen, dem Druck dieses Männlichkeitsbildes standzuhalten und daran zerbrechen, übersetzen ihren Frust in Gewalt gegen Frauen und anderen verhassten Menschengruppen. Rechte und anti-feministische Rhetorik stehen in immer engerem Zusammenhang zueinander, während u.a. soziale Medien den Zugang zu entsprechenden Foren, in denen dieses Gedankengut verbreitet wird, erleichtert.

Ein aktuell in den Medien viel diskutiertes Beispiel für die Beliebtheit frauenfeindlicher Videos im Netz sind die Clips von Andrew Tate, die u.a. auf TikTok millionenfach angeklickt werden. Incels stellen laut der Soziologin Denise Donnelly jedoch keine Subkultur dar. 2001 veröffentlichte sie die sogenannte Donnelly-Studie, welche das Inceltum als geschlechter-neuralen Lebensumstand und soziologisches Phänomen beschreibt. Vor allem im Hinblick darauf, dass Incels oft aus diversen politischen, religiösen, ethnischen und sozioökonomischen Umfeldern stammen.

Eine Gemeinsamkeit, die sich dennoch häufig in den individuellen Biografien wiederfindet, ist die Erfahrung von Mobbing, meist schon im Kindes- und Jugendalter. Hier zementiert sich schon das Gefühl, überhöhten gesellschaftlichen Schönheits-, sowie Männlichkeits- / Weiblichkeitsidealen nicht zu entsprechen. Welche Maßnahmen können präventiv ergriffen werden, um Jugendliche und junge Erwachsene schon vor einer möglichen Radikalisierung abzuholen?

Bildungspolitisch gesehen, liegt hier ein klarer Auftrag bei den (Grund-)Schulen und sogar schon Kita’s, laut Stevie Schmiedel, Gründerin von Pinkstinks – einer Organisation, die sich klar gegen Sexismus positioniert. Gendergerechte Sprache und vor allem das Erlernen eines großen emotionalen Vokabulars bei Jungs, seien schon Schritte in die richtige Richtung. Auch die sexuelle Aufklärung an Schulen sollte feministische Werte vermitteln, um dem gesellschaftlichen Druck der Übersexualisierung, mit denen Pubertierende in der heutigen Zeit konfrontiert werden, entgegenzuwirken.

Quellen:
www.deutschlandfunkkultur.de/incel-community-wie-weit-der-hass-gegen-frauen-geht-100.html
www.rnd.de/lifestyle/incel-subkultur-online-experiment-in-frauenhass-netzwerken-E7QSEXT3VJDXRKNDJ35AZLU42A.html

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