Essen, Identiät und Stereotypisierung

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Ob Schokokuss, Ben’s Original oder Paprikasauce ungarische Art – die Umbenennung von vielen Lebensmitteln bringt zwar immer wieder viel Stoff zum Diskutieren, doch sie dient auch zur Aufklärung von Alltagsrassismus im Sprachgebrauch. Es handelt sich bei vielen Gerichten aber teilweise auch um kulturelle Aneignung.

Bei vielen der veränderten Begriffe für Lebensmitteln handelt es sich um veraltete, rassistische oder stark diskriminierende Wörter, die teilweise auch aus Kriegs- oder Kolonialzeiten stammen. Oft sind die Begriffe außerhalb des Lebensmittel-Kontextes in der Gesellschaft negativ bewertet, doch sobald Änderungen angekündigt werden, herrscht große aufruhe. Außerdem muss betrachtet werden, welche Kultur sich welcher Kultur bedienen kann. Denn oftmals sind es Minderheiten, die ökonomisch ausgebeutet werden.

Bowls Everywhere

Wusstest du, dass die “Bowls”, die du in heutzutage in jedem hippen Restaurant und Café ursprünglich aus dem Zen-Buddhismus kommen? Den ursprünglichen Namen Buddha Bowl findet man nicht mehr allzu oft. Dabei folgen Mönch*innen der meditativen „Ōryōki“-Ernährungsweise, bei der sie gemeinsam bei absolutem Schweigen essen und gerade so viel zu sich nehmen, um ihren täglichen Bedarf zu decken – alles aus einer eigenen Schüssel von einer bestimmten Größe. Der Fokus liegt beim Essen auf die Vereinigung von Körper und Geist.

Heutzutage sind sich kaum noch Menschen der wahren Bedeutung von Buddha Bowls bewusst. Viele assoziieren mit dem Namen eher eine schön zusammengelegte bunte Schüssel an Essen, die durch Instagram-Bloggern bekannt wurden. Zwar steht gesunde Ernährung immer noch im Fokus, allerdings geht es auch mehr um die Ästhetik und den Namen “Bowl” als um die spirituelle Bedeutung aus dem Buddhismus.

→ Das bedeutet nicht, dass Neuinterpretationen falsch sind. So können sie auch auf gegenseitigen Respekt, Wertschätzung und Interesse der Kultur aufbauen.

China-Imbiss / Asia-Imbiss

Auch Verallgemeinerung und das Unsichtbarmachen von Kulturen gilt als diskriminierend. Wenn man also beispielsweise von “asiatischem Essen” spricht, werden die verschiedenen Länder und Esskulturen innerhalb des asiatischen Kontinents erkannt und unterschieden. Sie werden in ein und denselben Topf geworfen.

Der Grund für die in Deutschland bekannten “China-Imbisse” oder “Asia-Imbisse” liegen in der Geschichte und der heutigen Nachfrage. So wurden Vietnamesen, die in der ersten Generation in den 1970-er Jahren nach Deutschland einwanderten, als “Asiaten” bezeichnet. Es herrschte die Annahme und das Vorurteil, dass Asien ein homogener Kontinent sei. Um sich eine Existenz aufzubauen, haben viele dieser betroffenen Menschen dies angenommen und sich dem Vorurteil angepasst. Sie mussten sich also mit den Gegebenheiten abfinden und sich der Nachfrage nach “asiatischem Essen” beugen.

Umgekehrt nennen andere außereuropäische Länder das Essen aus Italien, Spanien und Deutschland nämlich nicht einfach “europäische Küche”. Gerichte werden beim Namen genannt. Warum also nicht überall?

Das beste Beispiel für den finanziellen Druck, unter dem die Restaurants ihre individuelle Esskultur aufgeben, ist Sushi. Sushi ist sehr populär. Aus der Geschichte des Kolonialismus heraus hat es sich so entwickelt, dass japanisches Essen als hochwertiger angesehen wird als Essen aus anderen asiatischen Ländern. Dass dieses kolonialistische Vorurteil noch immer in den Köpfen vorherrscht, erkennt man daran, wie viel mehr Deutsche bereit sind, für Sushi zu zahlen als für zum Beispiel thailändisches Essen – und wie sehr das dann die Speisekarten der Imbisse prägt.

Auch Menschen mit Migrationsgeschichte, die in Deutschland aufgewachsen sind, haben früher meist nicht den Zugang zu bestimmten Lebensmitteln gehabt und mussten diese aufwendig importieren. Noch dazu wurden die Gerichte häufig abgewertet, etwa durch Kommentare zum ungewöhnlichen Geruch oder einen skeptischen Blick in die Brotdose.

Viele neue Food-Trends auf Instagram, Facebook und TikTok werden außerdem meist durch die weißen Mehrheitsgesellschaft bekannt und verlieren über die Neuinterpretation ihre ursprüngliche Geschichte. Für viele stößt das auf Unverständnis und Frust, da Essen auch Identität, Religion und Kultur widerspiegelt.

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