Die wichtigste Zutat am Rakı-Tisch ist ein gutes Gespräch

Ein Interview mit Ferhan İstanbullu

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Seit Anfang des Jahres hat Berlin eine neue „İstanbullu“ (Istanbuler*in). Nach einer erfolgreichen Karriere in der Türkei ist Ferhan İstanbullu nach Berlin gezogen. Erfreulicherweise kam sie nicht mit leeren Händen in die Hauptstadt und gründete zusammen mit ihrem Mann Yalin Tuna das Süßwarengeschäft Ferhan Feinkost – ganz nach dem Motto des türkischen Sprichwortes „Tatlı yiyelim, tatlı konuşalım“ (dt. Lass uns Süßes essen und Süßes sprechen).

Der Name Ferhan İstanbullu ist bereits aus den Medien und dem Rundfunk in der Türkei bekannt. In diversen Zeitungsbeiträgen und Zeitschriften taucht er immer wieder auf. Nun kann man sie endlich auch persönlich in den Galerien Berlins, genauer im Rahmen ihrer Kollaborationen mit Yeni Rakı, bei ihrem Stand in der Markthalle Neun antreffen. Wir haben uns mit Ferhan über ihre Erfahrungen in Berlin, die Gastronomie und die Feinheiten des Rakı-Genusses unterhalten.

 

Wie kamst du auf die Idee nach Berlin zu ziehen? Bist du vorher schon mal hier gewesen oder war es eine spontane Entscheidung, hierherzukommen?

Zum ersten Mal war ich 2003 in Berlin zu Besuch, aber erst letztes Jahr haben wir mit der Planung angefangen, uns auf den Umzug vorzubereiten. Neulich hat mich ein Freund daran erinnert, dass ich ihm einst gesagt hätte, „In Berlin könnte ich leben. Die Stadt ist wie für mich gemacht“. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Leben sehr stark durch die Erfahrungen, die man macht geprägt wird, und durch das, was Einem von Anderen gegeben wird oder von denen man sogar etwas Lernen kann. Und mich hat es schon immer sehr interessiert, wie Menschen in der Stadt ihr Leben verbringen…

Ich bin in Istanbul, eine Stadt mit einer faszinierenden Geschichte, aufgewachsen und erwachsen geworden und nun geht es nach Berlin. Somit beginnt die nächste Episode in meinem Leben – Berlin, wo das Individuum, verglichen mit dem Rest der Welt, besonders anders wahrgenommen wird. An dieser Stelle muss ich auch sagen, dass ich es durchaus weiß, wie privilegiert es ist solche Erfahrung machen zu können und selbstverständlich bin sehr dankbar dafür.

Quelle: https://www.instagram.com/ferhanistanbullu

Auch ich bin aus der Türkei nach Berlin gezogen und bin immer noch auf der Suche nach dem Gefühl der neuen „Heimat“. Ich beobachte, wie dieser Prozess für Manche sehr kurz ist, für Andere wiederum ist die Heimatsuche selbst nach viel vergangener Zeit immer noch anderorts präsent. Hast du bereits das Gefühl von ,,Heimat“ hier finden können?

Deine Perspektive begeistert mich! Ich sehe, dass nur jemand, der versucht, sich ein neues Zuhause woanders zu gestalten, dieses Gefühl der Heimatsuche verstehen kann. Es genügt nicht, sich lediglich eine neue Ordnung zu schaffen, sondern hat viel mehr damit zu tun, ob man sich selbst in dieser neuen Ordnung finden kann. Für mich wurde Berlin in dem Moment zu meiner neuen Heimat, als Istanbul die Stadt wurde wohin ich oft nur noch arbeitsbedingt hingeflogen bin.

Und Berlin ist mittlerweile die Stadt geworden, zu der ich „zurückkehre“.

Eine Erkenntnis, die du auf Instagram geteilt hast, hat mir sehr gefallen: „Denjenigen, die eine Begeisterung für Gebäude, Nachbarschaften und Städte mit Geschichte haben, reicht die teilweise von Kugeln durchsiebte, teilweise macht keinen Sinn, meinst du fehlerhafte Architektur von Berlin für eine Ewigkeit.“ Hast du einen besonderen Ort in Berlin für dich entdeckt?

Absolut! Die Galerien und Museen dieser Stadt bezaubern mich. Vor allem, wenn ich mich gedanklich ablenken möchte …Wenn man eine Start-Up-Marke gründet, gibt es an jedem Tag eine neue Entwicklung, die einem Kopfschmerzen bereitet. Für viele Menschen, die gerne im Grünen sind, ist Berlin, die europäische Stadt mit den meisten Parks, wohl unvergleichbar. Ich bevorzuge es jedoch, mir bei einem Spaziergang die Menschen und Gebäude auf den Straßen anzuschauen – mir imponiert diese Stadt, die sich auch nach den zahlreichen Krisen, die sie erlebte immer wieder neu erfunden hat.

Du bist mit deiner neuen Marke nach Berlin gekommen. Mit 1777 Confectionary hast du viele Geschmäcke der Türkei auf einer neuen Art und Weise mit nach Deutschland gebracht. Kannst du uns mehr über die Geschichte der Marke und dein Geschäft hier erzählen?

Neben meiner Arbeit in der Presse habe ich auch Beratungen und Projekte im Zusammenhang mit Markenstrategien durchgeführt. Ich wollte aber in diesem Bereich schon immer eine größere Rolle spielen. Mein Mann, Yalın Tuna, und ich, haben uns dazu entschlossen, unsere Stärken zum ersten Mal in unseren Karrieren zu vereinen und sind diesem Traum in einem Format, in der wir eine neue Existenz erschaffen konnten, nachgegangen. Wir wollten sowohl mit etwas Kulturellem als auch mit etwas kulinarischen arbeiten. So kamen wir mit der Idee Lokum und Halva in Premiumqualität anzubieten nach Berlin.

Dieses Interview findet zu einer Zeit statt, in dem wir als Marke einen Wendepunkt erleben. Ab jetzt fallen alle unserer Arbeiten unter die Dachmarke Ferhan Feinkost. Letztes Weihnachten ergab sich die Möglichkeit Berliner*innen für neue Geschmäcke und einer neuen Kultur von Süßigkeiten, die wir selber lieben, neugierig und bekanntzumachen. Passend zur diesjährigen Weihnachtszeit sind wir sogar einen Schritt weiter gegangen und haben auch keine konditorische Produkte, welche die hervorragende Kulinarik der Türkei vertreten, angeboten.

Ehrlich gesagt sind wir sehr dankbar, dass wir trotz diesen aktuell schwierigen Zeiten ein von uns geplantes Vorhaben realisieren konnten. Nun freuen wir uns darauf den Schleckermäulchen dieser Stadt die Creme de la Crème dieser Kulinarik vorzustellen.

Zu Beginn der Pandemie gab es neben Toilettenpapier auch Engpässe bei Produkten wie Mehl und Hefe! Merkst du ein neues und großes Interesse für Süßes und Gebackenes auch bei eurer Marke?

Ich glaube, dass die Pandemiesituation ein großes Wachstumspotenzial für diejenigen darstellt, die insbesondere gastronomische Produkte verkaufen. Allerdings geht es in letzter Linie darum, wie gut das Produkt, das du anbietest, ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine „Marke“ sein wollen, die die Qualität ihrer Produkte über alles stellt. Vom Inhalt bis hin zur Präsentation muss alles stimmen. Wenn wir das Interesse, das sich aus diesem außergewöhnlichen Zustand ergibt, aufrechterhalten möchten, dann müssen wir mit der gleichen Sorgfalt wie vorher auf nachhaltiger Weise weitermachen.

Für mich ist Rakı nicht nur eine „andere Alkoholsorte“, sondern ein Schatz der eigenen Esskultur

Was darf niemals bei einem Rakı-Abend fehlen? Was lässt dir das Heimweh nach Istanbul vergessen?

Ich persönlich gehöre der Gruppe Menschen an, die Rakı gerne pur trinken. Dabei muss das Glas dünn und kalt sein. Und wenn ich Rakı doch mit Wasser trinken möchte, dann bitte mit vielen Eiswürfeln. Außerdem bin ich auch sehr stolz drauf, dass meine Art des Trinkens von Mehmet, einem der wichtigsten Namen zum Yeni Rakı-Thema, genehmigt wurde. Wenn ich eine „Meze Sofrası“ (dt. mit Meze gedeckter Tisch) mit „Lakerda“ (eingelegter Bonito) sehe, bin ich hin und weg.


Ich möchte auf jeden Fall noch extra hochwertiges natives Olivenöl dazu. Für mich ist Rakı nicht nur eine „andere Alkoholsorte“, sondern ein Schatz der eigenen Esskultur – wie wertvoll dieser doch ist! Dieser Wert wird durch die schönen Gespräche, die man beim Rakı-Trinken führt und dabei die Sehnsucht nach Istanbul mindert, verstärkt. Jetzt verstehe ich auch seine zauberische Kraft viel besser als zuvor – jenen Einfluss, die die Menschen vereint, Masken fallen lässt und das Lachen als auch die Tränen aus uns hervorruft.

Wir haben tatsächlich viele Traditionen im Bezug auf Rakı. Zum Beispiel, die Gläser von unten anstoßen oder, dass der Älteste am Tisch die Gläser der Anderen nachfüllt. Welche dieser Gewohnheiten magst du am liebsten?
Was für eine köstliche Frage! So wie ich es vor Jahren von einem Freund aus Deutschland gelernt habe, schaue ich immer in die Augen derjenigen, mit denen ich anstoße!

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Neuerdings hat Ferhan İstanbullu eine Kooperation mit Yeni Rakı und dort kannst du mehr zu ihr und den Rakı Talks lesen.

Credits:
AutorIn: Jeyan Idil Aslan
Lektorat (TR): Berivan Kaya (türkisch)
Übersetzung: Dilek Kalin

 

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