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Mental Health

Die Last, ein Mann zu sein

Männlichkeitsvorstellungen und Psyche


Content Warning: Suizid, Trauma und Tod

Rollenbilder, Klischees und Erwartungshaltungen sind in aller Munde. Während “die Frau” zu kochen hat, die Kinder erziehen und sich dem Mann fügen soll, wird von Männern oftmals erwartet, das “starke Geschlecht” zu sein. Doch sind die Erwartungen, die vorbehaltlos an Männer gestellt werden, gesund und förderlich? Warum suchen Männer viel weniger Psychotherapie auf? Wieso begehen deutlich mehr Männer Selbstmord?

Die Erwartungen an Männer und Rollenbilder variieren je nach Kultur, Gesellschaft und individuellen Überzeugungen – scheinen jedoch weitestgehend Überschneidungen zu haben. Von Männern wird oft erwartet, körperlich und emotional stark zu sein, um Herausforderungen zu bewältigen und andere zu schützen. Außerdem sollen sie Hauptverdiener in der Familie sein und für den Unterhalt sorgen.  Und das i-Tüpfelchen: Männer sollen in Entscheidungsprozessen rational sein und Durchsetzungsvermögen zeigen.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge starben 2021 insgesamt knapp 9000 Menschen aufgrund von Selbstmord, knapp 7000 davon waren Männer. Auch in anderen Ländern wie den USA sehen die Zahlen ähnlich aus, dort waren Männer verantwortlich für 70% der Suizide (AFSP). Im Kontrast dazu stehen die Aufkommenszahlen von Depression im Geschlechtervergleich, Frauen sind mit 9.7 Prozent etwas häufiger von Ärzten mit einer Depression diagnostiziert worden als Männer mit 6.3 Prozent (jeweils 12-Monatsprävelenz). Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich um einige Prozentpunkte höher.

Es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen können, warum Männer häufiger Suizid begehen als Frauen. Es ist wichtig zu betonen, dass Suizid eine komplexe Angelegenheit ist und nicht auf ein einziges Faktum reduziert werden kann:

Männer könnten aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungen an Männlichkeit und des Drucks, stark und unabhängig zu sein, mehr Schwierigkeiten haben, Hilfe zu suchen oder über ihre emotionalen Probleme zu sprechen. Die resultierende Isolation kann dann das Suizidrisiko, insbesondere mit „tödlichen“ Methoden wie Schusswaffen erhöhen. 

Bei Männern werden psychische Erkrankungen wie Depressionen möglicherweise seltener diagnostiziert und behandelt. Dies könnte zu unzureichender Unterstützung und Behandlung führen, auch deshalb, weil von Männern erwartet wird, dass sie “keine Schwäche zeigen”.

Riffer, Knopp et al. (2021) stellten in ihrer 2021 veröffentlichten Studie bereits fest, dass Männer deutlich weniger eine Psychotherapie in Anspruch nehmen als das weibliche Geschlecht. Die Gründe sehen sie hierbei v.a. in verschiedenen sozialen Rollen, die eingenommen werden (müssen). In einer Umfrage gaben 40% der befragten Männer an, dass sie gelernt haben, mit ihren emotionalen Belastungen umzugehen. Darüber hinaus gaben 36% der Männer an, dass sie niemandem zur Last fallen wollen, während 29% angaben, dass sie zu peinlich berührt sind, um Hilfe zu suchen. Zudem wurde von 20% der Männer berichtet, dass ein negatives Stigma mit psychischen Problemen verbunden ist.

Doch psychische Probleme und Herausforderungen können sich auch anderweitig manifestieren:  Vermehrte Reizbarkeit, Wut und Aggression sind nur einige Möglichkeiten, dass sich die Psyche den Raum verschafft, den sie braucht. Auch risikoreiches Verhalten, Substanzmissbrauch und psychosomatische Beschwerden scheinen das Ungleichgewicht der Seele darzustellen. Welche Rolle hierbei genau Rollenklischees und Männlichkeitsbilder spielen, ist kaum erforscht – doch der Geschlechtervergleich lässt ahnen, dass die Kompensation von Erlebten anders verläuft als bei z.B. Frauen.

Es gibt eine wachsende Akzeptanz von Vielfalt und unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie Männer ihre Rollen definieren können. Viele Menschen setzen sich für Geschlechtergleichstellung und die Überwindung starrer Rollenbilder ein, um individuelle Freiheit und Gleichberechtigung zu fördern. Um betroffenen Männern zu helfen, ist es notwendig, das Tabu endlich zu brechen – 

Sprecht über die Gefühle und verurteilt niemanden. Bietet Hilfe an und unterstützt Betroffene.

 

Text: Ahmet Bekisoglu

 

Quellen:

Parker, K. et al. (2020, August 6). 2. Americans see different expectations for men and women | Pew Research Center. Pew Research Center’s Social & Demographic Trends Project.https://www.pewresearch.org/social-trends/2017/12/05/americans-see-different-expectations-for-men-and-women/
Beckmann-Schulz, P. (2002, September 1). Familie und Frauen-Rollen. bpb.de. https://www.bpb.de/shop/materialien/themenblaetter/36791/familie-und-frauen-rollen/
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/suizide.html#119324
https://afsp.org/suicide-statistics/
Salk RH, Hyde JS, Abramson LY. Gender differences in depression in representative national samples: Meta-analyses of diagnoses and symptoms. Psychol Bull. 2017 Aug;143(8):783-822. doi: 10.1037/bul0000102. Epub 2017 Apr 27. PMID: 28447828; PMCID: PMC5532074.
Thom J, Kuhnert R, Born S et al. (2017) 12-Monats-Prävalenz der selbstberichteten ärztlich diagnostizierten Depression in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2(3): 72–80. DOI 10.17886/RKI- GBE-2017-057
https://www.priorygroup.com/blog/why-are-suicides-so-high-amongst-men
Riffer, F., Knopp, M., Burghardt, J. et al. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der psychotherapeutischen Versorgung. Psychotherapeut 66, 511–517 (2021). https://doi.org/10.1007/s00278-021-00523-4
https://www.newportinstitute.com/resources/treatment/male-mental-health-disorders/
Matud MP, López-Curbelo M, Fortes D. Gender and Psychological Well-Being. Int J Environ Res Public Health. 2019 Sep 20;16(19):3531. doi: 10.3390/ijerph16193531. PMID: 31547223; PMCID: PMC6801582.

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