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Bühne & Schauspiel

„Der vermessene Mensch“

ein Interview mit der Hauptdarstellerin Girley Charlene Jazama
interview

Girley Charlene Jazama, die in Namibia geboren wurde, ist selbst Ovaherero. Sie ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Produzentin, ihre erste Rolle hatte sie schon 2005. In „The White Line“, ihre erste große Rolle, spielte sie 2019 eine Schwarze Haushälterin, die sich in einen weißen Polizisten verliebt. Sie hat diesen und viele weitere namibische Filme, die mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet wurden, (co-)produziert. Ihre erste internationale Rolle ist „Kezia“ in „Der vermessene Mensch“ von Lars Kraume, der 2023 bei der Berlinale Weltpremiere feierte. Im Interview mit renk. erzählt uns Girley von ihrer Rolle und von den Überbleibseln des Kolonialismus in Namibia.

 

Handlung

Kezia wird zu Kolonialzeiten mit anderen Ovaherero aus Namibia nach Deutschland delegiert, um an „Völkerschauen“ teilzunehmen und um ihren Schädel für Zwecke der „Rassenkunde“ vermessen zu lassen. In Deutschland trifft sie Alexander (Leonard Schleicher), aus dessen Perspektive der Film erzählt wird. Er ist ein junger Ethnologie-Student, der nicht an die biologischen Unterschiede der „Rassen“ glaubt und seine Professoren davon zu überzeugen versucht.

Bis Kezia zurück nach Namibia geschickt wird, gehen die beiden eine Bindung ein. Als Ethnologe wird Alexander zu einer Expedition nach Namibia geschickt um nach Schädeln zu suchen- und nach Kezia.

Der Film wird gerahmt von den Aufständen der Ovaherero und Nama gegen den Kolonialismus und den darauffolgenden Genozid an ihnenn durch die Deutschen. Obwohl Alexander ehrliches Interesse an Kezia hat, überschreitet er immer mehr moralische Grenzen bis er sich schließlich selbst in der Rolle eines Kolonialtäters wiederfindet.

 

renk.: Girley, du bist auch Drehbuchautorin. Wünscht du dir einen Film aus der Ovaherero- und Nama-Perspektive und würdest du diesen gerne schreiben? Wie sähe das aus?

Girley: Ja, es gibt Raum für uns Namibianer*innen, die Geschichte aus unserer Perspektive zu erzählen. Ich kenne einige Filme aus dieser Perspektive, die gerade in der Entstehungsphase sind. Schwierig zu sagen, wie das aussähe, es muss ja noch entwickelt werden, aber ich könnte mir vorstellen, die Geschichte meiner Ur-Ur-Oma zu erzählen, die Gefangene im „Alte Feste“ Konzentrationslager war.

 

renk.: Viele Szenen im Film reproduzieren rassistische Gewalt, z.b. die „Völkerschau“. Findest du persönlich, dass ist eine notwendige und gute Entscheidung und warum/warum nicht?

Girley: Ich verstehe dieses Narrativ von reproduzierter Gewalt nicht so richtig. Wir können uns vor der dunklen Vergangenheit nicht verstecken, die Völkerschauen haben stattgefunden und alles, was wir tun ist aufzuzeigen, was in dieser Zeit passiert ist. Wenn wir das nicht zeigen, wie sollen wir aus der Vergangenheit lernen?

 

renk.: Du bist selbst Ovaherero. Die Rolle von „Kezia“ muss schwierig, wenn nicht sogar traumatisierend zu spielen gewesen sein. Wie kannst du dich von Kezia abgrenzen? Und hat dir die Rolle eine Art von Heilungs-Spielraum gegeben?

Girley: Wenn ich ans Set komme, bin ich nicht mehr Girley. Kezia wird zum Leben erweckt, sobald ich ihre Klamotten trage. Kezia und Girley sind sehr unterschiedlich und über die Jahre habe ich gelernt, klare Grenzen zwischen mir und meinen Rollen zu ziehen. Jeden Abend, wenn wir fertig mit Drehen sind, wasche ich Kezia von mir ab und bin wieder Girley. Es hilft auch, zu meditieren. Ja, es war auch heilsam weil ich um das Generations-Trauma meiner Vorfahren und Gruppe trauern konnte. Ich bin so stolz, Herero zu sein, weil ich jetzt erst die Opfer verstehe, die meine Vorfahren bringen mussten.

 

renk.: Du lebst in Namibia. Wie präsent ist der Kolonialismus noch heute?

Girley: Der Kolonialismus ist noch immer sehr sichtbar. In der Architektur, Städtenamen und Straßennamen. Wir als Hinterbliebene können unsere Vorfahren, dort wo sie begraben sind nicht besuchen, weil dort jetzt Farmen stehen, die Reichen, Deutschen und Südafrikaner*innen gehören oder private Wildreservate. Ich meine, Swakopmund sieht total nach „Klein-Deutschland“ aus!

 

renk.: 2021 hat die deutsche Regierung beschlossen, den Völkermord an den Ovaherero und Nama auch als solchen zu betiteln. Außerdem wollen sie Entwicklungsgelder an Namibia zahlen. Findest du das reicht?

Girley: Die Vertreter*innen der Ovaherero und Nama- Hinterbliebenen waren nicht Teil dieser Verhandlungen. Wie könnte man jemals den Tod der Menschen, die wir verloren haben, kompensieren? Für mich persönlich ist ein Leben unbezahlbar.

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