Mit Clueso auflegen, einen Song für Max Herre schreiben und parallel ein Konzept für den nächsten VW Spot austüfteln – Alltag für Barış Aladağ, einen in Cannes mit dem silbernen Löwen ausgezeichneten Regisseur, DJ und Songwriter.
Du hast 2012 den silbernen Löwen in Cannes gewonnen. Welche Auswirkungen hatte das auf dich und deine Karriere?
Einen Stichtag, ab dem Anfragen oder Aufträge anders ins Haus kamen, gab es nicht wirklich. Da es aber ein angesehenes Festival ist, denke ich schon, dass es eher einen positiven Effekt auf mich, oder besser gesagt meine Karriere, hatte. Die Auftragslagen danach wurden jedenfalls eher besser und nicht schlechter (lacht). Auf jeden Fall war es extrem erfreulich, dort zu gewinnen!
Du hast in dem Musikvideo zu Cluesos Track „Gewinner“ Regie geführt und auch am Song mitgeschrieben, der für den Echo nominiert war.
Den Echo haben wir leider nicht gewonnen, aber wir waren für das beste Musikvideo nominiert. Dafür haben wir die Eins Live Krone gewonnen und mittlerweile hat der Song Goldstatus erreicht.
Er ist sehr spontan in einer Nachtaktion innerhalb einer Stunde entstanden. Als ich zu Besuch in Erfurt war, spielte mir Clueso das Instrumental vor und danach haben wir die Köpfe zusammengesteckt und es ging los. Das war auch der erste Song, den wir zusammen geschrieben haben. Er gehört zu meinen Lieblingssongs und daher ist es natürlich ein extrem schönes Gefühl, das Musikvideo dazu gedreht zu haben.
Das Musikvideo dazu hast du unter Wasser gedreht. Wie lief das genau?
Die Dreharbeiten waren extrem anstrengend. Wir mussten mit Taucherflaschen teilweise lange Zeit unter Wasser bleiben. Man sieht durch das Unterwassergehäuse schlecht auf den Monitoren; man muss ständig Druckausgleich machen, weil man mal höher, mal tiefer taucht und die Brille beschlägt ständig. Zudem war die Musik unter Wasser fast nicht zu hören. Deshalb mussten wir mit einem Gegenstand den Rhythmus an die Wand klopfen, um Clueso ein Gefühl für die Geschwindigkeit zu geben.
Clueso hatte es sowieso am schwierigsten. Er tauchte unter, musste sich erst einmal alle Luftblasen aus dem Gesicht wischen, die Luft anhalten und dann, das Allerschwierigste, unter Wasser singen, ohne dabei Luftbläschen entstehen zu lassen. Ich selber habe es etliche Male versucht und nicht ein einziges Mal geschafft. Riesen Respekt an Clueso an dieser Stelle.
Zu all dem kam noch das chlorhaltige Wasser. Clueso sah am Morgen nach den Dreharbeiten – wir hatten die Nacht über gedreht – aus als hätte er die schlimmste Bindehautentzündung. Zum Glück ist am Ende alles gut gegangen und das Ergebnis ist auch schön geworden.
„Barış takes a deep breath“ – Kannst du dich daran erinnern, was du damals deinem Professor geantwortet hast? (Auf die Frage des Professors, wieso er sich für die KHM und nicht die Filmakademie Ludwigsburg entschieden hat)
Da ich aus Stuttgart und der Umgebung der Ludwigsburger Filmakademie komme, wollte ich einfach mal was anderes sehen. An der Kunsthochschule für Medien in Köln hat mich gereizt, dass der künstlerische Anspruch ein anderer und das Studium freier gestaltet war.
Man kann sich seine Zeit sehr viel besser einteilen und generell ist das Ganze nicht so schulisch, wie zum Beispiel an der Akademie in Ludwigsburg.
Außerdem fand ich die Arbeiten, die ich aus Köln kannte, einfach spannender, weil sie crossmedial und nicht nur auf Film reduziert waren.
Max Herre, Joy Denalane, Alanis Morissette, Clueso, Chima, VW und Braun sind nur einige deiner Kunden. Was sagen deine Eltern dazu?
Meine Eltern sind große Unterstützer meiner Arbeit, genauso wie sie auch all meine Geschwister fördern. Sie sind sehr stolz auf uns. Ob es mein Bruder ist, der auch als Regisseur arbeitet und sie einen Tatort von ihm sehen; oder wenn mal ein Drehbuch von meinem anderen Bruder gedreht wird. Ich glaube es hat sich jetzt gelohnt, dass sie viele Jahre hatten, in denen sie nicht wussten, ob wir auf dem richtigen Weg sind, oder ob das, was wir da tun lediglich brotlose Kunst ist. Jetzt freuen sie sich sehr, wenn mal was im Fernsehen kommt und sie das sehen können.
Hast du Idole oder Vorbilder, die dich beruflich oder privat geprägt haben?
Idole würde ich nicht sagen, aber es gibt Leute, deren Kunst ich sehr bewundere. In der Musik ist es sicherlich David Bowie und im Filmbereich oder, besser gesagt, im Werbe- und Musikvideo-Bereich ist es Chris Cunningham, den ich wahnsinnig gut finde. Es gibt auch Regisseure, die ich für verschiedene Aspekte ihrer Arbeit schätze. Ich mag vieles von Michael Haneke, der formell wirklich sehr streng ist. Aber ich stehe auch auf die speziellen Erzählweisen von Regisseuren wie Inarritu oder Wes Anderson. Das sind Menschen, deren Filme ich gerne sehe. Privat allerdings, hat mich in erster Linie meine Familie geprägt. Klar, auch meine Freunde, aber hauptsächlich sind es doch meine vier Geschwister gewesen, die mich geprägt haben.
Dein Lieblingsfilm?
Einen Lieblingsfilm habe ich nicht. Doch einer der Filme, die ich mehrere Male gesehen habe, ist: Punch Drunk Love. Ich finde, dass es ein sehr minimalistischer und dennoch emotionaler Film ist, der es schafft, mit ganz kleinen, filmischen Mitteln, sehr stringent und präzise durch die Geschichte zu führen. Obwohl sie sehr formell und kühl wirkt, nimmt sie einen dennoch mit. Außerdem ist die Schauspielerführung wahnsinnig gut und die Musik ist großartig.
Wenn du die Chance hättest, einen Hollywood-Schauspieler für einen deiner Filme zu gewinnen, für wen würdest du dich entscheiden und wieso?
Benicio del Toro würde mich auf jeden Fall sehr reizen. Ich finde, er ist extrem ausdrucksstark und gibt den Rollen einen unglaublichen Charakter. Ein sehr facettenreicher und interessanter Typ.
Deine Erwartungen für 2014?
Schwer zu sagen … ich erwarte, oder nein, ich hoffe, dass all meine Projekte, die momentan laufen oder in Planung sind, gut werden. Darüber hinaus hoffe ich einfach auf eine gute Zeit.
Credits
Fotos: © Barış Aladağ – Alle Rechte vorbehalten
Portraitfoto: Christoph Köstli