Ich liebe Weihnachten: Die vielen Lichter, die bunten Kugeln. Ja, sogar die ganze vorweihnachtliche Hektik. Und eigentlich liebe ich auch die vielen Weihnachtsmärkte, vor allem die in Köln. Doch seit einigen Jahren meide ich sie.
Als gebürtiger Deutscher mit türkischen Wurzeln war es in meiner Kindheit zur Weihnachtszeit bei uns ziemlich unweihnachtlich. Meine Eltern haben die Wohnung weder geschmückt noch haben sie uns auf andere Weise ein weihnachtliches Feeling vermittelt – denn unsere Religion ist der Islam.
Als kleiner Junge war ich dennoch fasziniert von den festlich geschmückten Weihnachtsbäumen. Im Kindergarten hörte ich dann zum ersten Mal die Weihnachtsgeschichte. Mit weihnachtlichen und anderen deutschen Traditionen fing ich an, Wurzeln in Deutschland zu schlagen.
Mit weihnachtlichen und anderen deutschen Traditionen fing ich an, Wurzeln in Deutschland zu schlagen.
Später ging ich mit Freunden das erste Mal auf einen Weihnachtsmarkt. Meine Erinnerungen daran sind noch immer sehr intensiv: Der Duft gebrannter Mandeln und die Dampfschwaden und der Geschmack von heißem Glühwein, die Wärme der Tasse zwischen meinen Händen in der Dezemberkälte.
Ein wohliges Gefühl – wären da nicht diese seltsamen Blicke. Starrend, abschätzig, beunruhigt. Blicke, die in Mark und Bein gehen und mich verletzen.
Es sind Blicke, die in Mark und Bein gehen und mich verletzen.
Und auch viele Jahre nach dem ersten Weihnachtsmarktbesuch hat sich nichts geändert. Immer, wenn ich gemütlich schlendernd eine Runde mache, werde ich von vielen Menschen komisch angestarrt. Jene Menschen, die den Weihnachtsmarkt anscheinend nur für sich beanspruchen. Jene, die denken, man müsse Christ*in und Deutsche*r sein um einen Weihnachtsmarkt besuchen zu dürfen. Menschen, die Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten haben. Ihre Blicke sind voller Angst und Befangenheit und manchmal sogar voller Hass.
Sie starren mich an, als würden sie sich bedroht fühlen. Von mir etwa?!
Wenn ich an ihnen vorbeigehe, kontrollieren manche, ob ihre Wertsachen noch da sind. Sie kontrollieren, ob der Reißverschluss ihrer Taschen noch geschlossen ist und fühlen sich daran erinnert, ihr Portemonnaie doch fester in der Hand halten zu müssen.
Ab und zu bleibt es nicht nur bei diesen unterschwelligen Reaktionen. Ich höre wie sie über mich reden und mit dem Finger auf mich zeigen.
Sie starren mich an, als würden sie sich bedroht fühlen. Von mir etwa?!
Unwillkürlich frage ich mich: Ist es, weil ich einen Bart trage? Ist es, weil ich nicht typisch deutsch aussehe?
Wie sieht denn ein Deutscher aus? Oder jemand, vor dem man seine Wertsachen in Sicherheit bringen muss?
In diesen Momenten fühle ich mich schlecht. In diesen Momenten fühle ich mich nicht dazugehörig, sondern gebrandmarkt als Verbrecher und Mensch zweiter Klasse. Ich will was sagen. Ich will mich wehren. Manchmal tat ich das auch.
In diesen Momenten fühle ich mich schlecht und nicht dazugehörig.
Mir ist klar, dass diese Menschen nur einen kleinen Teil dort ausmachen. Und doch gehe ich heute kaum noch auf Weihnachtsmärkte. Denn ein Blick oder Wort kann alles zunichte machen. Dabei will ich nichts weiter, als in all die frohen Gesichter schauen, einen Glühwein genießen und mich von der Vorfreude auf Weihnachten anstecken lassen.
Text: Erdal Erez
Fotos: Murat Surat