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Kunst & Design

Alexandra Klobouk in Istanbul, mit scharfe Soße

„Çok yaşayan bilmez, çok gezen bilir.“
„Nicht der, der lange lebt, sondern der viel gereist ist hat Wissen.“

Ich treffe Alexandra Klobouk an einem dunklen Novembernachmittag in Troisdorf, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Köln. Troisdorf ist das ganze Gegenteil von Istanbul, wo Alexandra 2008 für sieben Monate gelebt hat. Hier gibt es als einzige Sehenswürdigkeit eine wunderschöne alte Burg, in der ein gut bestücktes Kinderbuchmuseum untergebracht ist. Was läge näher, als an diesem Ort einen Austausch zwischen deutschen und israelischen Illustratoren abzuhalten? Deswegen ist Alexandra hier. Eigentlich kenne ich Alexandra Klobouk schon ziemlich lange. Zumindest ihre Stimme.
Eine zarte Person läuft da im Innenhof der Burg auf mich zu. Neben der riesigen Weihnachtstanne begrüßt sie mich herzlich. Nachdem klar ist, dass wir zum Interview leider nicht im Schloss bleiben können, wagen wir uns in die Innenstadt von Troisdorf vor und kommen auf dem kurzen Weg dahin schon gut ins Reden. Alexandra redet und das mag ich. Sie erzählt und ist von Dingen begeistert. Das mag ich noch viel mehr.

Warum bist du 2008 in die Türkei gegangen?

Ich bin nach Istanbul gegangen, weil ich gemerkt habe, dass ich zwar in Berlin lebe, aber irgendwie parallel mit der türkischen Community und Kultur und eigentlich überhaupt keine richtige Vorstellung davon habe. Meiner Empfindung nach gibt es eben nicht viel gelebten Austausch. Außerdem hatte ich mehr Vorurteile als mir eigentlich lieb war. Da dachte ich mir, ich muss mal nach Istanbul und mir das selber angucken. Ich wollte sowieso ein Erasmus-Jahr machen und mir war auch klar, dass ich nicht nach Barcelona, Madrid oder Paris wollte, sondern da hin wo noch keiner war (lacht). Damals war Istanbul noch nicht so en vouge wie heute und alle haben mich immer nur gefragt was ich dort will. Wieso willst du in Istanbul Grafikdesign studieren? Mir ging es vorrangig um die Stadt, um die Erfahrung und darum eine andere Kultur kennenzulernen.

Wie bist du in Istanbul klar gekommen?

Wahrscheinlich war es auch so ein bisschen die Grenzerfahrung die mich gereizt hat. Ich sprach ja kein türkisch, habe aber auf Türkisch studiert. Sozusagen sprachlos. Ich hatte aber das große Glück, dass man in der Türkei wahnsinnig viel Gastfreundschaft begegnet und ab dem ersten Tag dort, gab es immer jemanden der mir geholfen hat. Wenn man visuell arbeitet, dann geht das auch eher, finde ich. Ich bin dann bald mit einer Kommilitonin zusammengezogen, die kein Englisch konnte und ich eben kein türkisch. Anfangs konnten wir uns nur mit Händen und Füßen verständigen. Das war am Anfang natürlich total schwer. Wir haben uns aber so lieb gewonnen und es irgendwie geschafft miteinander zu kommunizieren. Sie hat sich dann an ihr Schulenglisch erinnert und ich habe Türkisch gelernt. Außerdem hat sie mich einfach in ihren Freundeskreis integriert, und mich dadurch die türkische Kultur von innen heraus kennenlernen lassen. Sie hat mir einfach auch wahnsinnig viel erklärt. Ich merke erst jetzt, im Nachhinein wie viel ich eigentlich von ihr gelernt habe.

Wie ist die Idee zu deinem Buch „Istanbul, mit scharfe Soße?“ entstanden?

Als ich wieder nach Deutschland zurückkam, hatte ich diesen Erfahrungsschatz und bin ganz viel gefragt worden, wie es als junge Frau in einem islamischen Land ist. Bei ganz vielen Fragen zum Beispiel zum Thema Kopftuch oder Frauenrechte schwang Unwissenheit und eben auch Vorurteile mit. Den meisten Leuten ging es genauso wie mir: Ich habe eine Vorstellung, eine Idee, aber ich bin mir nicht sicher ob die so ganz stimmt. Ich habe dann öfter meine Erlebnisse erzählt und mir gedacht, ehe ich alles vergesse, zeichne ich es auf. Im Rahmen eines Projektes an der Uni ist dann „Istanbul, mit scharfe Soße?“ entstanden.

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Was hat dich an Istanbul besonders fasziniert?

Die Menschen! Alle Leute die ich kenne, und die Istanbul kennen, lieben und hassen diese Stadt. Das ist keine Stadt wo man nur sagen kann: Oh toll. Es ist eine unglaublich intensive Stadt, die einen mit ihren Gegensätzen wahnsinnig anstrengt. Es gibt sehr viele ganz arme Leute und die Armut und das Elend ist viel präsenter auf der Straße. Und es gibt wahnsinnig reiche Leute. Das ist in Istanbul aber nicht so schön getrennt wie hier. Ich hatte das Gefühl diese Gegensätze begegnen sich jeden Tag aufs Neue und dadurch entsteht eine ganz große Spannung. Das ist total intensiv, weil es ganz unterschiedliche und sehr widersprüchliche Lebensauffassungen gibt. Die immer wieder, wenn auch nicht im gelebten Konflikt in Berührung kommen. Auf der anderen Seite ist es total spannend weil man Einblicke in ganz andere Realitäten bekommt, die an anderen Orten, für mein Gefühl mehr getrennt sind und dort eher ihre Bereiche haben.
Die Menschen denen ich begegnen durfte, waren einfach großartig, weil sie mich so vorbehaltlos und selbstverständlich aufgenommen haben. Sie haben einfach versucht mich als Gast zu integrieren. Es war überhaupt keine Frage, ob ich dazu gehöre weil ich da war und damit war ich sozusagen in ihrer Obhut.

Dann bist du auch automatisch ein Teil ihres Alltages, oder?

Ja genau, man musste sich schon ganz schön blöd anstellen um das zu versauen (lacht). Das fand ich wirklich wunderbar. Und das Essen natürlich. Ich würde sagen die türkische Küche ist meine liebste europäische Küche.

… da hast du ja jetzt mit Portugal schon einen guten Vergleich?

Das darf ich ja eigentlich gar nicht laut sagen. Ich mache ja jetzt ein portugiesisches Kochbuch. Aber das vegetarische Essen ist in der Türkei ja noch viel ausgeprägter.

… bist du Vegetarierin?

Nein, aber da ist noch eine größere Vielfalt. Ich liebe auch die portugiesische Küche, aber in der Türkischen herrscht eine bessere Auswahl an Gemüsegerichten. Die meisten Vokabeln die ich auf Türkisch beherrsche, sind Essensvokabeln.

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Das schließt dann gleich meine Frage an, ob du eine Lieblingsvokabel oder Floskel in der bildhaften türkischen Sprache hast?

Es gibt sehr viele türkische Sprüche, die man so dahin sagt, aber die eigentlich total schöne Geschichten erzählen. Bei uns niest jemand und du sagst: Gesundheit. In der Türkei sagst du: Mögest du ein langes Leben haben. Und dann antwortet der Andere: Ich werde dich sehen und das heißt dann: Du wirst auch ein langes Leben haben.
Das finde ich wahnsinnig schön. Solche Geschichten sind es natürlich auch, die mir das Buch machen leicht gemacht haben. Du kannst mit einem kleinen Ding anfangen eine ganze Geschichte zu erzählen, und die Geschichte ist nicht nur dieser Dialog, sondern sie sagt so viel mehr über die Geschichte des Landes, über die Traditionen und zum Beispiel über Gastfreundschaft aus.
Willkommen also hoşgeldin heißt: Schön, du bist zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Also ist immer wenn du zu Besuch kommst der richtige Zeitpunkt. Das hat mich total fasziniert, besonders weil ich ja türkisch überhaupt nicht konnte. Meine Freundin hat dann angefangen, mir das so zu erklären und auseinanderzunehmen, dass es sich auch mir erschlossen hat.

Wie bist du an das Buch herangegangen?

Ich habe ein Semester lang einfach nur gesammelt und versucht alles so festhalten, dass es für andere nachvollziehbar wird. Es sind ja persönliche Begegnungen gewesen und ich hatte nicht das Gefühl, dass jemanden der mich nicht kennt meine Geschichte interessiert. Ich wollte es irgendwie übertragbar machen. Es ging mir eher darum meine Erlebnisse exemplarisch zu erzählen.
Ich bin in der Geschichte nicht ich, sondern ich bin jemand der in der Türkei das Glück hat zu Gast sein zu dürfen. Mit meinen Dozenten habe ich versucht eine Bildsprache zu entwickeln die abstrahiert ist. Das heißt, es ist manchmal gar nicht klar, ob es jetzt ein Mädchen oder ein Junge zu sehen ist. Auch der Hintergrund ist teilweise sehr reduziert gehalten. Das zeigt, dass es einfach eine allgemeine Geschichte ist die jedem passieren könnte. Das Semester war vorbei und ich habe gemerkt, entweder lege ich die Sammlung jetzt in die Schublade oder ich mache ein Buch daraus. Schließlich habe ich einfach ein Semester dran gehängt und versucht alles sinnvoll zu ordnen, sodass es eben auch erschließbar ist, wenn ich nicht daneben stehe. Ich habe Texte dazu verfasst und es in Buchform gebracht.

Wie bist du zu deinem Verlag gekommen?

Da war viel Glück im Spiel. In Weißensee wo ich studiert habe, konnte ich das Buch drucken und schon ziemlich genauso in Form bringen wie es auch heute aussieht. Damit ging ich dann auf die Leipziger Buchmesse. Ganz naiv hab ich einfach mit dreißig verschiedenen Verlagen gesprochen. Ich hab mir einen Blazer gekauft, damit ich ein bisschen Erwachsener aussehe. Auf der Messe habe ich auch niemandem gesagt, dass ich von der Uni komme. Ich habe mich als Illustratorin vorgestellt und mein neues Buch präsentiert, obwohl es eigentlich mein Erstes war.
Das war ganz schön, weil ich mit vielen Leuten geredet habe, denen das Buch ganz gut gefallen hat. Leider passte es für die meisten Verlage in keine Schublade.

Das kann ich mir vorstellen. „Istanbul, mit scharfe Soße?“ ist kein Reiseführer, kein Roman und keine Graphic Novel …

… und auch kein Kinderbuch, aber es ist dennoch gezeichnet. Bei vielen Verlagen haben sie gesagt: Schönes Buch, aber das passt leider nicht in unser Programm. Wenn es nicht in eine Schublade passt, dann gibt es auch niemanden der danach fragt. Auch in der Buchhandlung. Wo sollst du es denn hinstellen?

… wo steht es denn in der Buchhandlung?

Ich weiß das selber nicht so genau. Ganz toll war es natürlich, wenn die Buchhändler das Buch einfach ins Schaufenster gestellt haben. Es war glaube ich, auch mal bei den Reiseführern, bei den Graphic Novels oder bei Gezeichnetem. Es ist tatsächlich nicht so leicht. Das besondere“ Buch. Das Geschenkbuch. Das klingt immer so ein bisschen abschätzig, aber das ist der Oberbegriff für ganz viele Bücher die sich nicht in ein Genre einordnen lassen.

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Kommen wir zurück auf die Verlagsfindung …

Ich habe auf der Messe mit ganz vielen Verlagen geredet und bin ganz am Schluss glücklicherweise zu meinen Verlag (Anm. der Red. Onkel & Onkel/Berlin) gekommen. Die waren so jung und unabhängig, dass sie sich einfach den Luxus geleistet haben, zu sagen: Keine Ahnung was das ist, aber wir finden es toll und machen das. Sie saßen damals in Kreuzberg und schon allein deswegen passte das gut. Außerdem wollte der Verlag auch ein bisschen mehr mit der türkischen Community vor Ort in Kontakt kommen.

Alexandra erzählt mir noch von vielen glücklichen Begegnungen auf der Frankfurter Buchmesse mit Frank Schirrmacher von der FAZ oder Christoph Amend vom ZEIT-Magazin. Aber auch von dem zweifelhaften Glück, zur ungefähr gleichen Zeit zu veröffentlichen als Thilo Sarrazin mit seinen Thesen für Schlagzeilen sorgte. Plötzlich war sie der Gegenentwurf. Die junge Deutsche, die in die Türkei geht, um zu lernen wie es eigentlich dort ist. Für sie steht fest: Es ist schön einen anderen Entwurf geben zu können und es war toll, ein so wahnsinniges Forum zu gehabt zu haben. Auch wenn es nicht als Antwort gedacht war, ist es eine Antwort auf Sarrazin. Und dann ist es auch schon wieder ganz gut!

Wie bist du zur Illustration gekommen?

Eigentlich erst durch das Buch. Das war überhaupt nicht so geplant. Ich habe Kommunikationsdesign studiert und bin auch Diplomdesignerin. Dann habe ich das Buch gemacht, weil es sich einfach angeboten hat, meine Geschichten in Zeichnungen zu sammeln. Es waren ja Sachen die ich erlebt hatte, also Retrospektiv und außerdem wollte ich damit Zusammenhänge darstellen und erklären.
Ich habe immer schon total gerne gezeichnet, aber ich dachte nicht, dass ich Zeichnerin werden will. Das ist zu schlecht bezahlt und überhaupt kann man da nicht machen, was man machen will. Jetzt darf ich zwar das machen was ich machen will, aber es ist wirklich nicht gut bezahlt (lacht). Dann hatte dieses Buch in unerwarteter Weise Erfolg und wurde wahrgenommen und ich war plötzlich Illustratorin. Plötzlich stand das überall. Ich dachte nur: Ok! Das war irgendwie nicht der Plan, aber es ist jetzt auch nicht wirklich schlecht Illustratorin oder Autorin genannt zu werden.

Hat dir dein Studium dabei geholfen?

Ohne dass ich mir dessen bewusst war, habe ich schon vorher ganz viel mit Zeichnung gearbeitet. Aber in Weißensee ist das Studium so angelegt, dass du wirklich eine große Bandbreite hast. Die wollen nicht, dass du dich von Anfang an auf etwas spezialisierst, sondern dass du einfach schaust was du eigentlich zu sagen hast und deine Mittel findest, mit denen du dich ausdrücken kannst. Und dazu gehörte dann auch zeichnen.

Wie hältst du deine Zeichnungen fest? Zeichnest du klassisch in ein Skizzenbuch?

Bei Istanbul war es schrecklich chaotisch, ich hatte ganz viele Blätter und Schnipsel, die ich dann hundertmal überarbeitet, eingescannt und verändert habe. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein ganz großer Suchprozess. Mittlerweile bin ich ein bisschen geordneter. Mein Skizzenbuch habe ich aber viel zu selten dabei. Das Problem mit dem Skizzenbuch ist, du musst Zeit dafür haben. Wenn ich mit Leuten unterwegs bin oder ich mich unterhalte, dann habe ich eigentlich nie die Zeit, mich mal hinzusetzen und zu beobachten. Was ich sehr schade finde. Deswegen habe ich viele Skizzenbücher, in denen überall ein bisschen was drin ist. Jetzt war ich in Lissabon, weil ich etwas über Lissabon machen wollte und da hatte ich dann schon kleine Bücher dabei, worin ich mir Notizen gemacht habe.

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Wie bist du auf die Idee gekommen nach Lissabon zu gehen?

Das war eine Schnapsidee! Mein Freund und ich haben unser Studium einigermaßen zeitgleich beendet und er wollte danach eigentlich nach Neuseeland. Er kommt aus Berlin und wollte ganz gerne noch mal woanders hin. Ich dachte nur: Neuseeland ist mir ehrlich gesagt ein bisschen zu weit weg. Ich mag ja gerne Städte mit Kultur und alter Geschichte.
Istanbul ist auch so eine Stadt. Wo an einem wirklich ganz abgefahrenen Ort viel Geschichte und Geschichten, Menschen und auch dieses landschaftlich Besondere zusammenkommen. Meine Mutter hatte mir nach Istanbul gesagt, ich solle mir doch mal Lissabon angucken, weil das ihrer Meinung nach die schönste europäische Stadt sei. Es sei ein bisschen wie Istanbul. Vor allem von der landschaftlichen Lage her und seinen arabischen Einflüssen. Dort herrscht auch so eine Art Melancholie wie in Istanbul. Dazu kam es dann nicht, aber als mein Freund weg wollte, war das einer meiner Vorschläge und wir fanden die Idee irgendwie cool. Allerdings waren wir beide noch nie da gewesen. Er hat dann die Sonnenstunden gegoogelt, ich habe ihm was vom Fado (Anm. d. Red. port. Musikstil) erzählt und innerhalb von fünf Minuten haben wir beschlossen dorthin zu gehen. Gleich danach haben wir gedacht, vielleicht sollten wir vorher mal schauen, ob es uns auch wirklich gefällt. Wir fuhren also hin und für mich war sofort klar: Ja, das ist es!

Lebt ihr jetzt noch dort oder seid ihr schon wieder zurück?

Nein, wir sind wieder zurück. Wir sind für ein Jahr hingegangen. Ich habe mir vor Ort ein Atelier gesucht, weil mir klar war, dass ich die Kultur und die Leute kennenlernen möchte. Ich hatte das große Glück in ganz kurzer Zeit ein Atelier zu finden. Dort war ich mit zwei ganz tollen Leuten zusammen, die mich auch wieder mitgenommen haben. Ich habe dann innerhalb einer sehr kurzen Zeit, einen ganz schönen Freundeskreis gehabt. In Lissabon ist das ganz anders als in Berlin. Hier festigen sich Freundschaften viel schneller, weil die Wege kürzer und die Kreise sind enger sind. Man trifft sich einfach täglich. Ich habe dann dort einfach meinen ersten Job gemacht, da ich als Illustratorin ja relativ ortsunabhängig bin. Mein erster Auftrag war: „Der Islam: Für Kinder und Erwachsene“ (erschienen im C.H.Beck Verlag). Außerdem habe ich mein Diplomprojekt „Polymeer“ (erschienen bei Onkel & Onkel) dort beendet und ein bisschen zu Lissabon recherchiert.

Ist vor Ort dann auch die Idee entstanden, ein portugiesisches Kochbuch zu machen?

Genau! Ich habe das Privileg, meine Themen finden zu dürfen und diese dann auch umsetzen zu können. Der Großteil meiner Arbeit hat tatsächlich mit mir selber zu tun. Ich habe das ja auch schon bei der Türkei erzählt. Ich koche und esse total gerne und tausche mich gerne darüber aus. Essen ist ein ursprüngliches, verbindendes und archaisches Moment, auch was das gemeinsame Essen angeht. In der Türkei und in Portugal, überhaupt in den südlichen Ländern wird das noch viel mehr praktiziert als in Deutschland. Man begegnet sich darüber und muss gar nicht miteinander sprechen. Durch das Essen, teilt man etwas sehr Essentielles miteinander. Außerdem erzählt Essen für mich, ganz viel von der Kultur eines Landes. Alle Einflüsse auf ein Land sind ja in der jeweiligen Länderküche drin.

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Wie hast du dich an die portugiesische Küche herangewagt?

Ich hatte keine Ahnung von portugiesischem Essen. Dann habe ich die Freundin meiner Freundin aus dem Atelier kennengelernt, deren Mama und Oma Kochbuchautorinnen waren. Die waren total verrückt mit dem Essen und hatten dabei eine gute missionarische Ader. Sie wollten mich in die portugiesische Küche einführen und waren bereit mir zu erklären was es mit dem Bacalhau (Anm. d. Red. port. Stockfisch) auf sich hat. Wir haben uns ein paarmal getroffen, miteinander gekocht und gegessen und Wein getrunken. Das war total nett und irgendwann mal spät in der Nacht kamen wir auf die Idee … nein … genau, ich hab dann wieder mal türkisch gekocht und habe der Freundin ein Rezept gegeben und ihr das aufgezeichnet. Das fand sie total toll und dann kamen wir irgendwie auf die Idee: Moment mal, in Deutschland kennt kein Mensch die portugiesische Küche. Die ist eigentlich super lecker, aber das weiß keiner, weil auch in Touristenrestaurants oftmals nicht das beste Essen serviert wird. Und Illustrierte Kochbücher sind ja eigentlich auch total super. Also machen wir doch eins. Dann haben wir beide angefangen zu recherchieren und ein Konzept zu machen. Das wurde dann Teil meiner Stoffsammlung zu Lissabon. Diese Stoffsammlung wiederum habe ich dem ZEIT-Magazin zukommen lassen. Wir hatten vor meiner Abreise besprochen, dass ich für das Magazin etwas Kleines, so eine Art Kulturillustrations-Korrespondenz mache.

Was passierte dann?

Ich dachte die suchen sich irgendwie eine kleine Geschichte raus. Aber die meinten: Oh, die portugiesische Küche, gezeichnet – Toll!!! Mach doch ein ganzes Heft daraus. (Anm. der Red. Zweimal im Jahr gibt das ZEIT-Magazin ein Spezialheft zu dem Thema Essen heraus) Ich habe nur gefragt: Seid ihr euch da sicher? Die haben geantwortet: Ach ja, und die Texte schreibst du auch noch und die Weinempfehlungen kommen natürlich auch von dir. Das ist ein wahnsinniger Vertrauensvorschuss. Denn ich war mir absolut nicht sicher, ob ich das kann und ob dabei etwas Gutes herauskommt. Aber die waren sich sicher und so habe ich das gemacht. Daraufhin meldete sich dann eine Dame vom Kunstmann Verlag und schlug vor daraus ein Buch zu machen. Wir hatten zu der Zeit auch schon nach einem Verlag gesucht. Zwei haben uns abgelehnt und ich hoffe sehr sie ärgern sich, (zwinkert schelmisch) denn das Buch wird nämlich ziemlich schön (grinst).

Wir kommen auf die Musik zu sprechen, eine weitere Seite der talentierten Dame und da bin ich ganz Fan. Es geht um das Projekt God help the Girl. Telegene Damen, die feinsten Pop zum Besten geben. Nach wie vor ein Dauerbrenner auf meinem Musikabspielgerät.

Alex, ich muss dich das jetzt noch fragen und ich spreche hier aus tiefstem Fan-Herzen … wie bist du zu God help the Girl (Anm. d. Red.: Bandprojekt des Belle & Sebastian-Leaders Stuart Murdoch) gekommen?

Dafür muss ich auch ein bisschen ausholen, weil das so eine komische Geschichte ist.
Belle & Sebastian haben eine Platte gemacht die hieß „Dear Catastrophe Waitress“. Anlässlich der Platte haben sie dann eine Tour durch Deutschland gemacht und die Plattenfirma hielt es für eine super Idee eine echte „Catastrophe Waitress„ dafür zu suchen. Die Band wusste nichts davon. Die deutsche Plattenfirma hatte dazu ein Casting ausgerufen und ein Freund von mir, der unglaublich Popaffin ist, hat das mitbekommen und meinte: Du arbeitest doch in Berlin in einem Café, ich schlag dich einfach vor. Es hieß, man trifft bei Gewinn die Band und geht aufs Konzert. Da war ich gerade zwanzig. Die Dame von der Plattenfirma kam dann in das Café und als sie mich sah, dachte sie wohl: Ach, die passt doch und dann war ich sozusagen gecastet. Ich sah zur der Zeit eben auch aus wie ein Belle & Sebastian Mädchen. Als die Band dann da war, wurde ich vorgestellt als die „Catastrophe Waitress“. Die Band fragte nur: Was machen wir jetzt mit der? Dann wurde sich relativ spontan ein kleines Pantomime-Ding ausgedacht. Ich musste dem Sänger auf der Bühne eine Sahnetorte ins Gesicht schmeißen. Es war lustig und es war Nonsens, aber für mich, die gerade nach Berlin gekommen war, natürlich wahnsinnig aufregend. Danach haben wir Kontakte ausgetauscht.

Alexandra wurde nach den Auftritten übrigens von dem Café entlassen, nachdem sie in einem Bericht als schlechteste Kellnerin Deutschlands betitelt wurde. Der Bericht war ironisch und lustig gemeint. Das sahen die Cafébesitzer offenbar anders.

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Wie ging es dann weiter?

Ein paar Wochen später rief der Sänger mich an und fragte, ob ich nicht bei einem Video mitmachen wolle. So kam ich das erste Mal nach Schottland. Wir haben uns näher kennengelernt, uns einfach sehr gut verstanden und angefreundet. Das sind sehr entspannte und im besten Sinne unspektakuläre Leute. Wir haben miteinander gesungen oder besser ich habe oft zu etwas mitgesungen. Auf jeden Fall meinte Stuart eine Zeit später, da war ich längst wieder in Berlin, er habe so eine Idee. Er würde gerne für Frauenstimmen Lieder schreiben und sucht gerade Leute zusammen. Wir er auf mich kam, weiß ich bis heute nicht. Vor allem weil es wegen der Entfernung absolut kompliziert war. Ich war in Berlin und die anderen in Schottland. Dann wurden wieder mal Fotos gemacht und ich bin dafür nach Glasgow geflogen und konnte auch gleich vorsingen. Das hat sich glaube ich über vier Jahre hingezogen. Irgendwann hieß es dann: Ja, wir machen jetzt ein Album. Willst du nicht mitsingen? Zu der Zeit war ich allerdings gerade in Istanbul und bin von dort aus nach Glasgow geflogen. Ich bin für zwei Wochen dageblieben und habe für ein paar Lieder die Backgroundvocals gesungen. Dann ging es wieder zurück nach Istanbul. Wir waren auch nicht wirklich eine Band. Das war mehr so eine Zusammenstellung von ca. zwanzig verschiedenen Studiomusikern. Als das Album herauskam, sollte es jedoch Identifikationsfiguren geben. Catherine, die die meisten Lieder gesungen hatte, bekam einfach zwei Damen an die Seite gestellt, von denen Stuart meinte, dass sie gut miteinander klingen. Das waren dann eben Celia und ich. Wir drei waren die Vorzeigemädels von „God help the Girl„, obwohl viel mehr Leute dahinter standen. Für die Tour bin ich dann wieder hingeflogen und wir haben ein paar Tage geübt. Dann ging es los. Wir waren ja alle miteinander keine professionellen Sänger, aber mit den Oberprofis von Belle & Sebastian unterwegs und die machen das schon seit zwanzig Jahren. Das war wahnsinnig aufregend und surreal, und dann war es auch schon wieder vorbei. Zwei Jahre später haben wir noch einen Film gedreht, weil aus dem Projekt ja eigentlich ein Musical werden sollte. Dabei gab es immer so ein paar Momente, wo wir auf Bühnen in London standen, auf denen die Sex Pistols groß geworden sind und wir hatten keine Ahnung wie uns geschieht. Aber weil Belle & Sebastian so ein Renommee haben, sind wir irgendwie mitgenommen worden. Trotzdem haben wir die ganze Nacht nur gezittert, dass nicht alles schief geht. Und dann war ich wieder zurück in Berlin und das war es.

Hast du schon Idee was nach Portugal für ein Land dran ist?

Erstmal habe ich mich noch an Portugal abzuarbeiten. Und nach dem Kochbuch kommt dann der Nachfolger vom Istanbul-Buch.

Hast du noch soviel Material oder musst du noch mal hin?

Ich fahre so oft hin wie es nur irgendwie geht, aber ich habe auch genug Material. Der Nachfolger wird dem ersten Band ähnlich sehen und vom Prinzip her genauso funktionieren. Allerdings wird es eine andere Farbgebung geben. Die türkische und deutsche Kultur liegen viel weiter auseinander, als zum Beispiel die deutsche und die portugiesische. Also muss man auch nach anderen Sachen suchen. Ich hätte zum Beispiel ein ganzes Buch über das Kopftuch machen können. Das ist ein Thema das die Leute interessiert. Bei Portugal dagegen sind es viel weniger klare Themen. Man muss deswegen ganz anders suchen und andere Geschichten erzählen. Portugal ist teilweise so wenig präsent in Deutschland. Da gibt es noch nicht einmal irgendwelche Vorurteile. Außer jetzt aktuell mit der Krise, aber da ist nicht viel Greifbares dabei.

Illustration: Alexandra Klobou

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