Salz im Mokka? Schmeckt das überhaupt? Leider nicht! Warum jeder Heiratswillige dieses Mixgetränk dennoch trinken muss, erklärt uns wieder einmal unsere Şeyda.
Es beginnt immer mit den Worten: „Allah’ın emri, Peygamberin kavliyle kızınızı oĝlumuza istiyoruz.“
Zu deutsch: „Mit Gottes Befehl und Zustimmung des Propheten, wünschen wir Ihre Tochter für unseren Sohn.“
Angespannt und wie auf glühenden Kohlen sitzend richteten sich nun alle Augen der Anwesenden auf meinen Vater, der diese Gelegenheit voll auskostete und mit seiner Antwort auf sich warten ließ. Zuerst schlug er ganz langsam sein rechtes Bein über sein linkes, schaute in all die neugierigen Gesichter und nahm einen großen Schluck vom türkischen Mokka, der ihm sichtlich schmeckte, und formulierte wie erwartet:
„Kısmetse olur.“ – „Wenn das Schicksal es vorsieht,
wird es wahr werden.“
Dies nur als Vorbemerkung, um verständlich zu machen, bei welcher traditionellen Gelegenheit der salzige Mokka serviert wird. Die Rede ist von der Brautwerbung (türk. „kız istemek“).
Einmal im Leben muss jeder heiratswillige Türke (türk. „damat adayı“) da durch, ob er will oder nicht.
Es ist ein Ereignis im engsten Familienkreis, voller Spannung und verkrampfter Dialoge. Die Eltern des Liebespaares lernen sich zum ersten Mal kennen, plaudern über das Wetter und versuchen, familiäre Gemeinsamkeiten auszuloten. Trotzdem quälen sich meist beide Parteien durch diese rituellen Gespräche. Für heitere Auflockerung sorgt zum Glück die künftige Braut (türk. „gelin adayı“), die die Aufgabe hat, aufgeschäumten türkischen Mokka zu kochen.
Mittlerweile kochen die meisten den Kaffee mit elektrischen Geräten, aber ich bevorzuge immer noch das langsame Aufkochen des Mokkas. Für alle Anwesenden werden Mokka-Tassen auf einem reich mit Ornamenten verzierten Tablett in einer bestimmten Anordnung bereit gestellt. Die künftige Braut streut nun heimlich in eine der Tassen Salz und stellt diese so weit nach hinten, sodass sie sicher für eine bestimmte Person übrig bleibt.
Zuerst dürfen sich die Ältesten im Kreise der Familien eine Mokka-Tasse nehmen. Der Jüngste ist der Zukünftige, für ihn bleibt die letzte Tasse, mit der für ihn reservierten Mixtur. Auf allen Gesichtern im Raum zuckt ein zurückhaltendes Grinsen. Denn jeder weiß, dass er diesen scheußlich salzigen Kaffee ohne mit der Wimper zu zucken austrinken muss. Damit beweist er nämlich, dass er seine zukünftige Frau über alles liebt und ihr auch an schlechten Tagen zur Seite stehen wird, dass er sogar bereit wäre, Gift aus ihrer Hand zu trinken.
Nach diesem ungenießbaren Liebesbeweis muss die nächste Hürde genommen werden. Der Vater des Bräutigams formuliert die wichtigen Worte zur Brautwerbung und alle warten auf die Antwort des Vaters der jungen Frau.
„Kısmet“ (dt. Schicksal) war das Stichwort für mich, um die mitgebrachten Pralinen zu servieren und damit die Atmosphäre aufzulockern. Mein Vater sagte:
„Tatlı yiyelim, tatlı konuşalım.“ – „Lasst uns Süßes essen
und süß reden.“
Tatsächlich wurden die Gespräche entspannter. Nun drehten sie sich darum, wie sich das Paar kennengelernt hatte, wo es künftig leben wollte und wann die Hochzeit stattfinden könnte. Auch finanzielle Angelegenheiten werden an dieser Stelle besprochen.
Früher, und in traditionellen Gegenden der Türkei noch immer, verlangt der Vater des Mädchens eine festgelegte Summe Gold und zusätzlich Land oder Vieh als Auslösung für seine Tochter. Nachdem sich die beiden Väter in den finanziellen Angelegenheiten geeinigt haben, wird darüber gesprochen, ob der künftige Bräutigam überhaupt in der Lage ist, eine Familie zu ernähren. Welcher Arbeit geht er nach? Wie viel verdient er im Monat? Doch diese Fragen werden mittlerweile kaum mehr gestellt, weil die Tochter oftmals ebenfalls berufstätig ist.
Obwohl diese türkische Tradition der Brautwerbung für beide Familien unangenehm ist, so ist sie aber auch, trotz salziger Komponente, ein heiteres Erlebnis, das man nicht so leicht vergisst.
Credits
Text: Nur Şeyda Kapsız
Titelbild: Büke Schwarz & Danny Schuster