»Wir gestalten
unsere Häuser,
danach gestalten
sie uns«
Wie alternativ kann man seine Lebensräume gestalten? Was für eine Beziehung gibt es zwischen mir, meiner Geschichte und meiner Art zu Leben? Wie sähe es aus, wenn sich jeder sein Haus selbst bauen könnte?
Mit diesem Fotoprojekt habe ich versucht, diese Fragen visuell zu beantworten.
Für die Visualisierung des Projekts hatte ich einen Ausgangspunkt: Osman Kalin und sein Baumhaus an der Mauer, das Gecekondu von Kreuzberg.
Die Szene spielt in Berlin in den 80er Jahren. Ein Gastarbeiter aus Yozgat entdeckt neben der Mauer ein Grundstück, das niemandem gehört und fängt an, aus allen möglichen Materiallen ein Haus darauf zu bauen. Der heute über 80jährige Osman Kalin erschafft damit das erste türkische Gecekondu in Berlin. Die ganze Geschichte findet ihr hier.
“Du bemühst dich doch umsonst. Dieses Grundstück gehört dir nicht. Der Staat wird es dir eines Tages wegnehmen. Er hat nie auf uns gehört.“ sagt sein Sohn Mehmet. „Aber auch nach dem Fall der Mauer hat ihm keine Behörde etwas untersagt. Der Grund war eigentlich klar, es war ein Niemandsland.“
Dann lacht er und meint „Eigentlich ist es ein absurder Platz. Es war alles irgendwie ein Zufall, mein Vater wusste nicht, dass es eine Pufferzone war. Er war ein kluger Mann, aber auch ein bisschen wahnsinnig. Ich glaube für ihn war das Gecekondu und der Garten eine Art Abbild unserer Heimat.”
»Was auch geschieht, jeder Baum hat seine eigene
Schönheit, wie der Mensch.« (Osman Kalin)
»In unserer Gesellschaft gibt‘s vierzig
Sorten von Verrückten. Verrückt
nicht im negativen Sinne, sondern
klug, erfinderisch…Mein Vater war
der Einundvierzigste!«
Teil 2 – Besuch in 2. Inönü
„Pass auf, okay? Sei vorsichtig! Geh auf keinem Fall alleine dorthin!“
Diese Ratschläge habe ich immer wieder gehört, als ich nach der Adresse von 2.Inonü gefragt habe. Einer der ältesten Gecekondugebiete von Izmir. Für den zweiten Teil des Projekts habe ich die Gecekondus in ihrem Heimatland besucht.
In vielen Großstädten der Türkei gibt es Gecekondugebiete. Der Grund dafür ist, dass hier in den letzten Jahrzehnten ein enormer Bevölkerungswachstum passiert ist. Der größte Teil der Bewohner sind Einwanderer aus Ostanatolien. In den 70-80er Jahren haben die meisten ihre Dörfer verlassen und sind für ein vermeintlich besseres Leben in die Großstädte eingewandert.
“Was machst du denn hier?“ fragte er mich, ohne meine Antwort ab zu warten. „Komm und trink einen Tee.“
Er warf einen Blick auf meine Kamera und sagte „Fotografieren darfst du uns auch!“
Herr Akcebe hat in den 70‘er Jahren sein Gecekondu ohne behördliche Genehmigung gebaut. Für den Bau hat er Sperrmüll benutzt, wie Osman Kalin.
Sie begannen dann für Rechte zu kämpfen; Wasser, Strom, Müllabfahr. Kurz vor einer Wahl erhielten sie ihre Grundbucheintragung. Nachdem ich die Räume fotografiert habe, kam eine Nachbarin zu Besuch. Sie erzählte, dass hier im Gecekondugebiet die Beziehungen unter den Nachbarn sehr gut sei. Solche Beziehungen kann man in Hochhäusern nicht finden”, erklärte sie. Auch sagen sie, dass diese Nachbarschaft leider nicht mehr lange dauern wird. Der Grund dafür sei, dass die Reichen sie von dort verdrängen wollen.
Herr Akcebe erzählt: “Mein Grundstück ist sehr wertvoll. Es liegt sehr nah am Zentrum und hat einen wundervollen Ausblick auf’s Meer. Vor zwei Wochen ist ein Bauunternehmer gekommen, er wollte mir für geringes Geld mein Grundstück abkaufen. Aber er wird danach viel daran verdienen. Findest du das fair?“
Konzept und Fotos: Sefa Pala
Enstanden im Rahmen des Kurses: Macht Wohnen Glücklich?