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Gesellschaft & Geschichten

Ein Gecekondu in Berlin

Das Baumhaus an der Mauer

Was mit einer harmlosen Gemüse-Bewirtschaftung einer Brache begann, entwickelte sich bald zum Kult-Haus Berlins.

Etwa dreiunddreißig Jahre ist es her, als Osman Kalin sich einem unbestellten Grundstück annahm. Zu der Zeit, als die Berliner Mauer noch intakt war, baut Osman ein einstöckiges Baumhaus. Tatsächlich aber handelt es sich um eines, das sich um zwei Bäume herum erstreckt. Das Gelände auf dem das Haus errichtet wurde, ist eine dreieckige Verkehrsinsel, die damals weder vom Ost- noch vom Westsektor genutzt wurde. Eigentlich gehörte das Gelände zu Ost-Berlin, doch aus Kostengründen wurde die Mauer um die Verkehrsinsel herum gebaut und war somit ein Teil West-Berlins. Dadurch war es 1983 ein politisch völlig außer Acht gelassenes Fleckchen Berlins, das inmitten zweier Welten lag. 

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Gecekondu (türk.) bezeichnet Hütten, die auf privatem oder öffentlichem Boden, meist in Nacht – und Nebel Aktionen erbaut wurden.

Diese politisch gesehen „unzulässigen Häuser“, entstehen in der Türkei oft aus der Not gering verdienender Familien heraus, die sich keine richtige Wohnung leisten können. Osman Kalin bewohnte zu jener Zeit eine Wohnung am Bethaniendamm. Von seinem Fenster aus konnte er das vermüllte Grundstück an der ehemaligen Mauer betrachten und beschloss kurzerhand, es für eigene Zwecke zu nutzen. Die hölzerne Bude war zunächst eine eingeschossige Hütte, da ihm eine höhere Bebauung seitens der DDR untersagt wurde.

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Sechs Jahre später fiel die Mauer. Osman erweiterte nun den Garten, der sich mittlerweile auf ca. achtzig Quadratmetern erstreckte. Das Haus erhielt ein weiteres Stockwerk. Im Laufe der Jahre kam es zu mehreren Brandanschlägen, doch Osman scheute sich nicht vor einem Neubau des nun auf Betonfundament ruhendem Hauses. Der Grund der Anschläge ist bis heute unbekannt.

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Nicht selten bekam Osman es mit der Regierung zu tun, denn rechtlich gesehen gehörte ihm das Grundstück nicht. Das Bezirksamt Mitte bezichtigte ihn der illegalen Nutzung von staatseigenem Grundstück. Osman wurde zur Räumung des Geländes aufgefordert, doch er weigerte sich und wurde dabei von den Anwohnern Kreuzbergs tatkräftig unterstützt. Tatsächlich war das Anliegen des Bezirksamts ein anderes. Sie benötigten das Gelände im Rahmen einer Sanierung des Luisenstädtischen Kanals. Zur vollständigen Sanierung ist es am Ende jedoch nicht mehr gekommen.

Heute ist seine Hütte eine der meist besichtigten Attraktionen Kreuzbergs. Bei einem Besuch von Osmans Gecekondu, konnten wir in seine wundervolle kleine Welt eintauchen. Vollständig ist sie jedoch nur, wenn auch das Oberhaupt des Kalin-Palastes anwesend ist. Man könnte ihn auch den ‚guten Geist‘ des Gartens nennen, da er ihn mit der Wärme seines Wesens komplettiert. Osman ist nun schon über neunzig Jahre alt. Sein Gecekondu ist für ihn immer noch ein Ort der Ruhe. Er kehrt immer wieder gerne zurück.

Ab und an sitzt Osman im Garten, winkt hier und da einem Nachbarn zu und genießt die eigens erschaffene kleine Oase in der großen Hauptstadt.

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Text: Neslihan Aydin

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