Zu Gast bei Asuman Hasırcıoğlu – Farbentanz auf dem Wasser

Anzeige

Der Rheinauhafen ist eine ehemalige Hafenanlage in der Kölner Südstadt. Sanierte Lagerhallen werden dort heute als Wohn- und Gewerberäume genutzt. Zwischen dem Schokoladenmuseum und den „Kranhäusern“, drei gläsernen Gebäuden in Form von Hafenkränen, befindet sich ein roséfarbenes Gebäude – das Kunsthaus Rhenania. Früher ein Getreidespeicher, ist es heute die Produktionsstätte von über dreißig Künstlerinnen und Künstlern. Eine davon ist Asuman Hasırcıoğlu. Asuman ist eine sogenannte „Ebruzen“, eine Meisterin der Ebru-Kunst. Ich habe sie in ihrem Atelier am Rhein besucht und mit ihr über dieses besondere Kunsthandwerk gesprochen.

Liebe Asuman, du bist in İzmir geboren, aufgewachsen und hast dort studiert. Wie bist du letztendlich in Köln gelandet?
Meine Vorfahren stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Sie sind Anfang des 20. Jahrhunderts nach Izmir ausgewandert. Ich bin sehr froh darüber, dort aufgewachsen zu sein, denn Izmir ist eine sehr weltoffene und multikulturelle Stadt. Nach dem Studium für Textilgestaltung und Design an der Bildenden Kunstakademie in Izmir bin ich durch Anatolien gereist. In Anatolien leben seit Jahrtausenden verschiedenste Kulturen zusammen. Diese Mischung hat die Bewohner genauso geprägt wie ihre Kunst. Die Eindrücke und Erlebnisse dieser Reise haben meinen späteren Lebenswegen stark beeinflusst. Im Anschluss bin ich nach Izmir zurückgekehrt und habe dort als Mode- und Stoffdesignerin gearbeitet. Bis meine Familie und ich den Entschluss fassten, die Türkei zu verlassen. Unsere ersten Stationen waren Hamburg, Frankfurt und Berlin, wo ich als Designerin tätig war. 1996 habe ich mich der Ölmalerei zugewandt und angefangen, meine eigenen Bilder zu malen und diese auszustellen. Seit 1998 lebe ich mit meinem Ehemann und meinen beiden Kindern in Köln. 2005 konnte ich mir endlich meinen großen Traum von einem eigenen Atelier erfüllen. Seitdem arbeite ich im Kunsthaus Rhenania an meinen Werken.

Asuman Hasircioglu

An den Werken in deinem Atelier wird deutlich, dass du deinen Schwerpunkt, neben der Ölmalerei, insbesondere auf eine bestimmte Kunsttechnik, die Ebru-Malerei, gelegt hast. Was macht sie für dich so besonders?
Mir ist bewusst geworden, dass die Ebru-Kunst sehr unbekannt ist. Ich finde das schade, denn in meinen Augen ist diese Maltechnik einzigartig und sie verdient mehr Aufmerksamkeit. In Europa ist sie als „Marbeling Art“ oder „Marmorierung“ bekannt. Den Begriff „Ebru“ kennen in diesem Zusammenhang nur die Wenigsten. Vor neun Jahren habe ich mich entschlossen, den Schwerpunkt meiner Arbeit auf Ebru zu legen und der Öffentlichkeit die Ebru-Kunst näher zu bringen. Im Zeitalter des technologischen Fortschritts ist es besonders wichtig, Schätze aus der Vergangenheit am Leben zu erhalten. Ganz besonders freut es mich, dass die Ebru-Kunst letztes Jahr in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde.

Asuman Hasircioglu

Beschreib uns einmal, was genau die Ebru-Kunst ist.
Die Ebru-Malerei ist die Kunst des Malens auf dem Wasser. „Ebre“ bedeutet „Wolke“. Türkische Völker aus Mittelasien trugen die Ebru-Kunst in die Türkei. Studien zufolge ist die Kunst im 6. Jahrhundert entstanden. Im 15. Jahrhundert entfaltete sie im Osmanischen Reich ihre volle Blüte. Das älteste noch erhaltene Ebru-Werk stammt aus dem Jahr 1447 und befindet sich im Topkapi-Museum in Istanbul. Über das osmanische Reich gelang die Ebru-Kunst schließlich Anfang des 17. Jahrhunderts nach Europa. Heute ist diese Kunst als „marmoriertes Papier“ oder „türkisches Papier“ bekannt. Als „türkisches Papier“ deshalb, weil türkische Künstler im 15. Jahrhundert die Malerei durch spezifische Techniken verfeinert und weiterentwickelt haben.

Was sind die Grundmaterialien der Ebru-Kunst? Und wie funktioniert dieses Zusammenspiel von Farben und Wasser?
Es werden spezielle Materialien und Werkzeuge verwendet, die in der Regel von jedem Ebru-Künstler selber hergestellt werden. Die Vorbereitung der Materialien nimmt viel Zeit in Anspruch und ist sehr mühsam. Schon auf diese Weise lehrt die Ebru-Kunst dem Menschen Geduld und Ruhe. Das Wasser ist dabei meine Leinwand. Ich vermische destilliertes Wasser mit kitre (dt. Tragant-Gummi – d. Red.) und öd (dt. Ochsengalle). Für die Ebru-Kunst kommen nur natürliche Farben in Frage. Ich zerreibe jede dieser Farben mit einem Marmorstein. Das feine Pulver gebe ich anschließend in destilliertes Wasser und füge einige Tropfen Ochsengalle hinzu. Diese bewirkt, dass die Farben auf der Wasseroberfläche schwimmen und sich dabei untereinander nicht vermischen. Die Werkzeuge sind fırça (dt. Pinsel), die eigens von Ebru Meistern aus den Schwanzhaaren von Pferden und Rosenholz hergestellt werde, tarak (dt. Kämme), biz (dt. Nadeln), kağıt (dt. Papier) und eine tekne (dt. Wanne). Die Vorbereitung der Materialien ist bereits Teil des Kunstwerks.

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Und wie entsteht ein Ebru-Bild?
Das Arbeitswasser in der Wanne ist die Leinwand. Den Hintergrund des Ebru-Bildes erstelle ich, indem ich mit sanften Bewegungen den Pinselstiel gegen meinen Zeigefinger schlage, sodass die Farbe auf das Wasser tropft. Diese feinsten Tropfen entfalten sich auf der Wasseroberfläche. Anschließend male ich mit einer Nadel beispielsweise das klassische Tulpenmotiv. Von dieser lasse ich die Farbe auf die Wasseroberfläche tropfen. Jeder Tropfen ist ein Teil des Motivs und wird mit der Nadel in die entsprechend geformt. Nachdem ich ein Bild fertiggestellt habe, lege ich das Papier vorsichtig auf das Wasser und ziehe es nach einigen Sekunden aus der Wanne. Das Kunstwerk wird somit von der Wasseroberfläche auf das Papier übertragen. Nachdem das Ebru-Bild getrocknet ist, bestreiche ich es mit sabun (dt. Seife) und versiegle die Farben abschließend mit einem mühre taşı (dt. Marmorstein).

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Arbeitest du mit der Ebru-Technik auch auf anderen Objekten als Papier?
Ja, ich male nicht nur auf Papier, sondern auch auf Keramik, Glas, Stoff und Holz. Diese Arbeiten unterscheiden sich lediglich in der Vorbereitung des Materials. Ich muss die Farben an die jeweilige Oberfläche anpassen, damit sie auch ordentlich hält.

Der Ebru-Kunst wird eine sehr beruhigende, ja fast meditative Wirkung nachgesagt. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Die Arbeit mit Ebru-Kunsttechnik setzt den Einklang von Körper und Geist voraus. Wenn Körper oder Geist nicht bei der Sache sind, ist es unmöglich ein schönes Ebru Bild zu malen. Das Ergebnis zeigt sich sofort, und diese Kunst lässt keine Korrekturen zu. Grundvoraussetzung ist, dass man abschaltet und den Alltag hinter sich lässt. Dieser Rückzug ist eine Art Meditation. Man entfernt sich von Stress und negativen Gedanken und entspannt.

Es scheint so, als möchtest du mit Deiner Kunst anderen Menschen etwas mit auf den Weg geben?
Ich möchte Menschen zusammenbringen und Dialoge entstehen lassen. Mein Ziel ist es, Frieden, Liebe und Menschlichkeit, also das Schöne im Menschen, zu unterstreichen und dadurch auf die Notwendigkeit des weltweiten Friedens aufmerksam zu machen. In meiner Kunst sehe ich die Vereinigung des Schönen.

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Asuman Hasircioglu

Und genau das sehe auch ich beim Betrachten deiner Kunstwerke: „Die Vereinigung des Schönen“. Ein treffendes Schlusswort für die Reise in die Welt der Ebru-Kunst.

Credits
Text: Demet Kaygusuz
Fotos: Maxi Uellendahl

Folge uns
auf Instagram!