Am Samstag ist es so weit! Unsere Freund*innen von Dümtek schmeißen wieder eine Party!
Am 19.10.2019 ab 20 Uhr laden die beiden Hosts Şilan und Cupid in den Biergarten Jockel in Kreuzberg zur Matinee B.anal – einer all night Show für Frauen, trans* und nonbinary Personen in Berlin.
Cupid ist trans* und vor fünf Jahren von Istanbul nach Berlin gezogen. Er macht Performancekunst und Musik, schreibt, tritt als Dragqueen auf, kuratiert und organisiert Veranstaltungen.
Şilan studiert seit zwei Jahren an der Kunsthochschule Weißensee und arbeitet nebenbei als Programmiererin. Sie malt, zeichnet und schreibt.
Inspiriert von den exklusiven Frauenmatinees der sechziger Jahre in der Türkei haben Şilan und Cupid eine aufregende Nacht für uns vorbereitet: neben gutem Essen warten Performances, DJ Sets, eine Tombola und vieles mehr auf uns. Freut euch auf die Rapperin Ebow, die DJs Hengameh und Üzüm Derin Solak, Tanz von Zadiel und Livemusik von Nadin Tanriverdi.
Wir haben uns mit den Hosts der Matinee B.anal über weibliche Tradition in der Türkei, queeres Leben in Istanbul und Berlin und die Heilkraft von Musik unterhalten.
Seit den sechziger Jahren gibt es in der Türkei Parties, die von und nur für Frauen veranstaltet werden. Wodurch zeichnen sich diese Veranstaltungen aus? Wer kommt dort zusammen und warum?
Şilan: Frauen hatten meistens keinen Weg, sich auszudrücken und zu entfalten, zum Beispiel auch ihre erotischen Seiten. Also haben sie sich einen Raum geschaffen, indem sie sich frei und in Sicherheit ausleben konnten. Eigentlich gibt es zwei traditionelle Frauen-Events in der Türkei: da ist der gün, der jeden Monat bei jemandem zuhause stattfindet. Jede bringt etwas zu essen mit und die Frauen haben Zeit, sich auszutauschen. Viele türkische Frauen halten noch immer regelmäßig einen gün ab. Und dann gab es die Matinee, die auch einmal im Monat stattfand. Die gibt es heute meines Wissens nach nicht mehr.
Cupid: Bei der Matinee kochte die Gastgeberin für alle und bekam dafür ein wenig Gold von ihren Gästen. Diese Events waren also auch dafür da, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen.
Şilan: Vielleicht haben die Frauen das auch gemacht, um ihre Ersparnisse vor ihren verantwortungslosen Ehemännern zu schützen.
In Berlin sind Clubs und Parties doch eigentlich für alle offen. Warum haltet ihr es für notwendig, oder warum wollt ihr ein „femme only“-Event veranstalten, das Cis-Männer ausschließt?
Cupid: Es gibt viele queere Parties, die ausschließlich für Männer sind, von denen trans* Personen ausgeschlossen werden. Für die FLTI* Community gibt es eher politische Veranstaltungen. Wir brauchen safer spaces in Berlin.
Şilan: Wir diskutieren auch immer noch darüber, welche Türpolitik wir am Samstag verfolgen wollen. Eigentlich wollten wir die Matinee B.anal so weiblich wie möglich gestalten. Aber das könnte für einige Menschen problematisch sein, die in ihrer Vergangenheit zur Weiblichkeit gezwungen wurden. Diese Personen wollen wir nicht ausschließen.
Cupid: Cis-Männer können auch kommen, aber sollten sich bewusst sein, wie viel Raum sie einnehmen.
Şilan: Ja, wir werden niemanden an der Tür abweisen, weil er oder sie männlich erscheint. Aber eigentlich wollen wir, dass alle so gut wie möglich ihre weibliche Seite zeigen.
Am Samstag sollen die „heilenden Kräfte der Musik“ ausgeübt werden. Wie und was kann Musik heilen?
Şilan: Das hat wieder was damit zu tun, dass es sich um einen rein weiblichen Raum handelt. Sowohl bei den Veranstaltungen damals in der Türkei, als auch bei unserem Event am Samstag.
In solchen Räumen ohne Männlichkeit, ohne toxische Männlichkeit, findet man Heilung.
Frauen, die oft von Männern unterdrückt werden, können sich zusammentun und Solidarität zeigen. Das ist das Erlebnis, das wir reproduzieren wollen. Wir wollen die Leute ermutigen, so weiblich wie möglich zu sein und ihre Hemmungen fallen zu lassen.
Cupid: Der gün und die Matinee sind Musikveranstaltungen! Außer dem Essen geht es um’s Tanzen, frei Tanzen, Musik hören und machen. Es ist Freude, die in einem solchen safer space geteilt wird.
Sehr ihr es als politischen Akt an, Events wie die Matinee B.anal zu veranstalten?
Cupid: Na klar!
Şilan: Wir können das, was wir tun, nicht von Politik trennen. Sogar unser Dresscode, „femme“, ist politisch. Wir wollen keine toxische Männlichkeit, wir wollen, dass alle so frei und feminin sein können, wie sie wollen.
Cupid: Es werden weibliche und trans* Künstler*innen und Künstler*innen of color auftreten. Und all das Geld, das wir einnehmen, wird für die medizinischen Kosten von trans* Frauen in türkischen Gefängnissen gespendet. Das war schon immer mein Traum: Künstler*innen für ihre Arbeit bezahlen zu können, durch ihre Kunst Geld einzunehmen, das am Ende Menschen zu Gute kommt, die es brauchen. Die Leute, die am Samstag auftreten, sind sehr wichtig für die queere Szene in Berlin. Wir wollen so inklusiv wie möglich sein und intersektionalen Feminismus praktizieren.
Es geht nicht nur darum, weiblich zu sein, trans* zu sein, eine nicht-weiße Person in Deutschland zu sein – es geht um all das.
Jedes Detail unserer Veranstaltung ist politisch. Unsere Identitäten sind von unseren Taten untrennbar.
Wie habt ihr ausgewählt, wer auftreten wird?
Şilan: Das war nicht ganz einfach. Ursprünglich wollte ich nur Künstler*innen aus der Türkei einladen, aber das wäre zu teuer gewesen. Und es gibt immer wieder Probleme für Türk*innen, ein Visum zu bekommen. Bei einer Person haben wir es aber geschafft: Üzüm Derin Solak, DJ und Betreiberin des bekannten queeren Clubs Şahika Terrace und der Üzüm Bar in Istanbul wird am Samstag auftreten. Darauf freuen wir uns sehr! Die Şahika Terrace ist einer der besten Orte für trans* Personen in Istanbul, die an den Türen anderer Lokalitäten oft abgewiesen werden. Bei Üzüm aber ist man immer willkommen.
Cupid: Bei Üzüm kann man sich darauf verlassen, dass immer jemand da ist, auf den*die man zugehen kann, wenn etwas falsch läuft. Das ist etwas sehr Besonderes in Istanbul, zu wissen, da ist ein Ort, an dem man sicher ist.
Denkt ihr, als trans* Person feiern zu gehen ist in Berlin leichter und sicherer als in Istanbul?
Şilan: Trans* umfasst ein sehr weites Spektrum und es kommt darauf an, ob und wie du den gesellschaftlichen Normen entsprichst. Ich weiß, dass non-conforming trans* Personen es in Berlin nicht leichter haben als in Istanbul. Vielleicht gibt es hier sogar noch mehr Gewalt.
Cupid: Stimmt. Sogar an den Orten, die wir als safer spaces beanspruchen, erleben wir Gewalt und werden nicht respektiert. Ich würde nicht sagen, dass Berlin sicherer ist. Vor allem nicht für BPoC und Menschen, die nicht als Cis-Personen „durchgehen“. Es kommt aber immer darauf an, wen du fragst. Es gibt queere und trans* Personen in Berlin, die das Nachtleben sehr genießen. Aber ich und viele meiner Freund*innen erleben jeden Tag Gewalt.
Wenn jemand sagt, ganz Berlin sei ein safer space, muss ich lachen. Die, die so etwas behaupten, sind einfach sehr privilegiert.
Ohne zu viel zu verraten: Was erwartet uns am Samstag? Führt uns doch einmal durch den Abend!
Şilan: Zuerst wird es etwas zu essen geben, wir werden großartige türkische Speisen anbieten. Während des Essens gibt es Sketche und kleine interaktive Spiele. Wir wollen, dass das Publikum aktiv wird! Nach einer Tombola auf Spendenbasis treten Ebow und Nadin Tanriverdi auf und dann wird bis in den Morgen hinein zu den DJ-Sets von DJ Hengameh und Üzüm Derin Solak getanzt.
Wir freuen uns auf Samstag! Danke, Cupid und Şilan, für das Gespräch!
<strong><em>Hier zum Event:</em></strong>
Interview: Lisa Genzken
Fotos: Güzin Mut