Welches Gesicht ist das richtige?

Im Gespräch mit Casting Director Pınar Çelik

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Indem wir neue Filme schauen, lernen wir gleichzeitig neue Gesichter kennen. Doch wer findet diese eigentlich? Die Istanbulerin Pınar Çelik castet Darsteller für Filmproduktionen in der Türkei und leitet sie an Regisseure und Produzenten weiter. Sie hat an großen internationalen Produktionen wie James Bond 007, Skyfall, Star Wars und Water Diviner mitgearbeitet, sowie beim Casting zu The Cut, dem letzten Film von Fatih Akin.

Was sind die Kriterien für die Auswahl der Schauspieler?

Die Auswahl der richtigen Namen für die richtigen Charaktere ist das Wichtigste. Erstens müssen wir den Zweck des Films verstehen. Dient er der populären Kultur oder ist er ein Kunst-Projekt? In beiden Fällen spielen viele unterschiedliche Faktoren hinein, die den Casting-Prozess beeinflussen.

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Wie läuft der Casting-Prozess ab?

Zunächst reden wir mit dem Regisseur und dem Produzenten über die Charaktere. Nach der Analyse beginnt der Audition-Prozess. Wir qualifizieren die Kandidaten. Am Ende halte ich ein Referat für den Regisseur und wir treffen gemeinsam eine Entscheidung.

Was ist der schwierigste Teil des Castings?

Das Anstrengende in der Türkei ist das Manager-System. Normalerweise ist der Manager die Person, die dem Schauspieler oder dem Künstler bei der Karriereplanung hilft. Aber in der Türkei zählt vor allem die Bezahlung. Ich bin wirklich sauer, wenn wir über die Bezahlung diskutieren, ohne die zukünftigen Vorteile für die Schauspieler zu berücksichtigen. Es kommt sogar dazu, dass die Schauspieler die Szenarien nicht mitbekommen, weil unser Antrag dem Manager schon am Anfang nicht gefällt. Dadurch haben die Schauspieler manchmal gar keine Ahnung vom Projekt, wissen absolut nichts über den Film und den Charakter, den sie verkörpern sollen. Wir haben aber auch einige Freunde, die nach europäischem Standard arbeiten.

Im Endeffekt machen wir in der Türkei kein Casting, sondern führen einen Kampf.

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Welche Unterschiede siehst du zwischen deutschen und türkischen Schauspieler-Managern?

Die Schauspieler-Manager in Deutschland sind diszipliniert. Ich denke, es geht darum, dass sich die Begriffe „Casting Director“ und „Schauspiel-Manager“ voneinander unterscheiden. Das wird in der Türkei leider gleichzeitig gemacht. Deswegen läuft der Casting-Prozess ungerecht ab. Ich kenne auch das System in Deutschland. Für den deutschen Manager sind die Meinung der Schauspieler und das Projekt das Wichtigste. Geld kommt danach. Leider fehlt uns die Toleranz. Und türkische Schauspiel-Manager haben meistens ein höheres Ego als die Schauspieler.

Welches war bisher das wichtigste Projekt für dich?

Eines Tages habe ich nach dem Frühstück eine Mail mit dem Betreff ,,Star Wars“ bekommen. Ich war wirklich aufgeregt. Sie wollten, dass ich mich für den letzten Film um Castings in der Türkei kümmere. Obwohl wir letztendlich den gesuchten Charakter nicht gefunden hatten, war es für mich spannend ein Teil davon gewesen zu sein.

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Wie erklärst du dir die steigende Zahl der deutsch-türkischen Schauspieler in türkischen Produktionen?

Ich bin der Meinung, dass es eine bestimmte Haltung gegenüber türkischen Schauspielern in Deutschland gibt, die immer noch nicht gebrochen ist. Ich sehe eine Menge Schauspieler, die von den stereotypen Rollen gelangweilt sind und die denken, dass sie in der Türkei eine größere Chance haben. Ebenso verpassen sie kein Projekt in Europa durch Online-Casting. Dadurch werden sie auch international bekannt.

Was hältst du von der momentanen Lage des türkischen Kinos?

Momentan ist es in der Türkei wirklich schwer, Kunst zu machen. Im Vergleich zum Anfang dieses Jahrhunderts gibt es nicht mehr viele Zuschauer, die anspruchsvolle Filme schätzen. Vielleicht sind die Menschen eher mit ihren Sorgen über die Zukunft der Türkei beschäftigt. Oder vielleicht trauen sie sich gar nicht mehr, Kunst in der Türkei zu machen bzw. sich an ihr zu beteiligen. Ein anderer wichtiger Grund ist die Finanzierung von Filmen. Da die Filmemacher nicht wissen, wie sie die Kosten decken können, entscheiden sie sich für Filme, dessen künstlerische Qualität niedriger ist. Das kann man sich bei den Hollywood-Filmen, die fast täglich erscheinen, ungefähr genauso vorstellen. In den letzten Jahren habe ich in Deutschland, England, Australien und den USA unterschiedliche Film-Sets gesehen. Dort ist mir klargeworden, dass den Filmemachern viel mehr Geld zur Verfügung steht.

Doch ich habe meine Hoffnung noch nicht verloren. Es werden gleichzeitig ja auch mehr gute unabhängige Filme produziert, die das Wirtschaftliche nicht in den Vordergrund stellen. Filme, die den Zuschauern Fragen aufwerfen. Meine jungen talentierten Filmemacher-Freunde, mit denen ich schöne Projekte realisieren kann, halten meine Leidenschaft für das Kino wach. Damit meine ich: Wir werden wieder gute Tage erleben. Ich glaube fest dran.

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Credits
Fotos: Esen K. Tütüncü

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