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Musik & Tanz

Lost Songs of Anatolia

Ein Interview mit Regisseur Nezih Ünen

Drei Kameras, zwanzig Lieder und abertausende Kilometer – Der türkische Regisseur Nezih Ünen fängt in seinem Film „Lost Songs of Anatolia“ den traditionellen Geist der Berge und Täler Anatoliens ein. Ein Interview über filmische Blickwinkel, kulturellen Wandel und die Kraft des menschlichen Instinktes.

Die Lost Songs of Anatolia werden am 28. März zum ersten Mal live in Berlin on stage aufgeführt. Mit einer Mischung aus traditionellen und modernen Arrangements bringen sieben Musiker den Geist Anatoliens nach Berlin.

Regisseur Nezih Ünen

Eine der Arbeiterinnen reichte mir einen Baumwollzweig mit Blüten. Wie sie mit ihrer Geste die aufgebaute Distanz durchbrach und mich in meine Menschlichkeit zurückholte, berührte mich sehr.

Welcher Moment hat Sie auf Ihrer Reise durch die Türkei für Ihre Dokumentation Lost Songs of Anatolia am meisten berührt?

Wir haben das Baumwollfeld-Lied in Diyarbakır aufgenommen. Auf einem Baumwollfeld baten wir die Pflückerinnen, es für uns anzustimmen. Wie man weiß, sind die Arbeitskonditionen bei einer solchen Arbeit sehr hart. Trotzdessen sangen sie mit lächelnden Gesichtern, während wir sie aufnahmen. Wenn man an der Kamera arbeitet und in der Einstellung versunken ist fängt man an, die Menschen die man filmt eher als Objekte zu betrachten.

Also wurde ich mit der Zeit etwas distanziert gegenüber ihrer Ausdrucksweise. Als das Lied sein Ende fand, reichte mir eine der Arbeiterinnen einen Baumwollzweig mit Blüten. Wie sie mit ihrer Geste die aufgebaute Distanz durchbrach und mich in meine Menschlichkeit zurückholte, berührte mich sehr. Wir bedankten uns und stiegen in unsere Autos, um unsere Reise fortzusetzen, während wir die Baumwollarbeiterinnen mit ihrem Schicksal zurückließen.

Besonders in religiösen Stätten lebt der Geist der musikalischen Tradition Anatoliens.

Glauben Sie, die Vielfalt des anatolischen Kulturerbes findet zu wenig Beachtung und falls ja, warum?

Ich denke, die anatolischen Kulturen gehören zu den wertvollsten der Welt, ihre Wurzeln liegen in sehr alten Zivilisationen. Auch aus musiktheoretischer Perspektive gibt es einige technisch sehr bedeutsame Beispiele, wie das Lied Urfanın Etrafı Dumanlı Dağlar aus Urfa über eine Gazelle. Ich denke der Hauptgrund für ihre Missachtung ist die fehlende Unterstützung der Regierung und wahrscheinlich auch der Welterbe-Organisationen.

Haben Sie während Ihrer Reise und den Begegnungen in Anatolien erfahren, welche Bedeutung diese Lieder für die Menschen in den jeweiligen Regionen haben?

Diese Lieder sind fundamental für die Menschen. Sie haben wenig Interesse an der populären Musik aus dem Radio. Aber das wird im Zeitalter des Fernsehens und Internets so wohl nicht mehr lange so bleiben.

Bei den Dreharbeiten.

Werden die Menschen ihr musikalisches Erbe vergessen?

Die Jüngeren verlassen die Dörfer, um in der Stadt zu leben, und die ältere Bevölkerung bleibt in den Dörfern zurück. Man findet in manchen Regionen Kulturen, die von der Regierung lange Zeit komplett ignoriert wurden, wie die Kurden und andere Minderheiten. Auch wenn diese jetzt nicht mehr verboten sind, ist es vielleicht schon zu spät, in dieser globalisierten Kultur noch Sichtbarkeit zu finden.

Was hat Sie ursprünglich zur Musik gebracht und wie hat sich diese Motivation im Laufe der Zeit verändert?

Hier bin ich einfach meinem Instinkt gefolgt. Je weiter ich mich in dieser Welt bewege, umso mehr Drang verspüre ich, mehr zu erleben. Ich genieße es nicht nur, Musik zu arrangieren und darzubieten, sondern es ist jedes mal auch eine unglaubliche Erfahrung.

Der richtige Sound ist vor allem bei Außenaufnahmen eine Herausforderung.

Ihr Film wurde 2010 veröffentlicht. War es eher eine plötzliche Erinnerung an diese Zeit, diese Lieder nun auf die Bühne zu bringen, oder wartet dieses Projekt schon seit 8 Jahren auf seine Realisierung?

Wir haben eigentlich sogar zuerst an ein Musikprojekt gedacht. Der Film ist eher das Resultat des Gedankens: „Jetzt, wo wir all diese Lieder aufnehmen, warum machen wir nicht gleich auch Videoaufnahmen?“

Welches der Lieder spricht Sie am meisten an und was erzählt es Ihnen?

Das ist wirklich sehr schwer zu beantworten, da es so viele großartige Lieder sind. Um nur ein paar zu benennen: Eşrefoğlu Al Haberi (deutsch: Eşrefoğlu, höre die Nachricht, Anm. d. Red.) eines „Alevi Dede“ (eines alevitischen Gemeinschaftsführers, Anm. d. Red.), Kewa Narin (deutsch: Mein zartes Rebhuhn, Anm. d. Red.) von zwei kurdischen „Dengbej“-Brüdern (kurdischen Volksliedsängern, Anm. d. Red.) und Köprü ortasında (deutsch: In der Mitte der Brücke, Anm. d. Red.) von zwei älteren Damen aus der Schwarzmeerregion. Ich persönlich mag die „Gazelle“ aus Urfa sehr. Es erzählt von der verzweifelten Situation des Autors, der verliebt ist. Diese Verzweiflung erinnert mich irgendwie an die Situation von Liebenden in Anatolien.

TICKET-VERLOSUNG

Die Lost Songs of Anatolia werden am 28. März 2018 zum ersten Mal live in Berlin im Lido aufgeführt. Mit einer Mischung aus traditionellen und modernen Arrangements bringen sieben Musiker den Geist Anatoliens nach Berlin. renk. bringt euch hin!

So geht’s

Auf den Facebook-Post gehen, renk. liken, Freund oder Freundin markieren, mit dem/ der ihr hingehen wollt und mit etwas Glück Karten abstauben! Die Verlosung endet am 18.03.18, um 20 Uhr.

 

Interview: Su Akar

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