Sitzen Männer breitbeinig, ist es meist in Ordnung. Sitzen Frauen breitbeinig, ist es verwerflich, provokant oder gar unmoralisch. „Manspreading“, so nennt sich ein Phänomen, dass genau diese Situation beschreibt: Männer, die im öffentlichen Raum (besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln) ihre Beine weit auseinanderspreizen und mehr Platz einnehmen als Frauen – so viel mehr, dass sie ganze zwei Sitzplätze beanspruchen.
Zwei junge Berlinerinnen, Mina Bonakdar (Modedesign-Studentin) und Elena Buscaino (Kommunikationsdesign-Studentin) sind genervt davon und wollen darauf aufmerksam machen. Sie drucken Botschaften in den Schritt von Hosen und wollen betroffene Personen (insbesondere Frauen, Queere und Transmenschen) empowern, mehr Raum einzunehmen – und nennen das ganze „Riot Pant Project“. Im Interview mit den Designerinnen sprechen wir über ihr Projekt.
Ihr habt ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen: Das „Riot Pant Project“. Wie seid ihr dazu gekommen?
Wir studieren an derselben Uni, der Universität der Künste (UdK) in Berlin, und haben uns bei einem Kooperationsprojekt zwischen unseren Studiengängen kennengelernt. Ein Semester lang haben wir für ein Hauptprojekt zum Thema „Schrift auf Kleidung“ zusammengearbeitet und gemeinsam eine Modekollektion entwickelt, die sich mit Fragen der Geschlechterrollen, Perspektivenwechsel und versteckten Botschaften beschäftigt hat.
Während unserer Zusammenarbeit haben wir sehr schnell festgestellt, dass wir beide dieselben Interessen haben. Insbesondere, wenn es um bestimmte Themen, wie zum Beispiel Feminismus, geht. Das Thema „Manspreading“ beispielsweise hat uns lange beschäftigt und uns auf unterschiedlicher Art und Weise sehr gestört. Irgendwann – unabhängig vom Uni-Projekt – haben wir in unseren Semesterferien viel experimentiert und gesiebdruckt. Letztendlich entwickelten wir die Idee Sprüche, wie zum Beispiel „Stop Spreading“ oder „Give Us Space“, in den Schritt von Hosen zu drucken und so gegen „Manspreading“ vorzugehen.
Warum habt ihr für das Bedrucken der Botschaften diesen Bereich ausgewählt? Hätte es nicht auch ein T-Shirt sein können?
Der Slogan im Schritt ist wie ein Schutzschild und entsexualisiert eigentlich die sexualisierte Geste des Beinespreizens bei Frauen. Uns ist aufgefallen, dass der Vulvabereich fast schon eine Art Tabuzone ist. Die männlich sexualisierte Betrachtungsweise von Frauenkörpern liegt eher im Gesichtsbereich, auf den Brüsten, auf den Armen oder auf dem Hintern. Woanders hätte es vielleicht nicht dieselbe Wirkung – die Stärke der Botschaft liegt eben genau in diesem Zusammenhang. Je nach Körperhaltung wird es sichtbar oder eben nicht, das kann jeder für sich entscheiden.
Würdet ihr in Zukunft auch andere politische oder gesellschaftskritische Sprüche drucken? Beispielsweise Themen wie Klimaschutz oder Rassismus mit Blick auf die BLM-Bewegung.
Wir haben oft darüber nachgedacht, wie wir weitermachen möchten. Aber wir sind zum Entschluss gekommen, dass unsere feministischen Botschaften nur in diesem Zusammenhang gut funktionieren. Es gibt nicht den einen Feminismus – daher versuchen wir auch an andere Identitäten zu denken. Außerdem sollen auch nicht nur cis-weibliche Perspektiven bedient werden.
Klimaaktivistische Themen sind bei uns ebenfalls ein Thema, wenn auch nur unterschwellig. Wir versuchen so nachhaltig wie mögliche zu arbeiten, daher bedrucken wir beispielsweise nur Secondhand-Hosen. Wir haben ein Druckverfahren gewählt, dass klimafreundlicher ist. Dabei ist es uns wichtig, dass zum Beispiel kein Plastikmüll produziert wird.
Warum sind Eure Slogans auf Englisch?
Zum einen kommt der Terminus „Manspreading“ aus dem englischen Kontext. Zudem wollten wir uns nicht nur auf Deutschland begrenzen. Nachdem wir unsere ersten Fotos auf Instagram gepostet haben, ist uns klargeworden, dass wir auch international Leute erreichen können. Ein besonderer Moment war zum Beispiel, als wir aus der ganzen Welt Kommentare und Nachrichten erhalten haben. Wir hatten Nachrichten aus Taiwan, aus der Türkei oder aus den Staaten und aus vielen anderen europäischen Ländern. Da merken wir erst so richtig: diese Erfahrungen werden weltweit geteilt.
Gelingt es Euch mit „Manspreading“ Männer „umzuerziehen“ beziehungsweise sie vom Gegenteil zu überzeugen?
Wir erleben, dass diese Art der Aktion Männer irritiert, zugleich aber neugierig macht und sie immer wieder zwischen die Beine gucken. Bei einer „Manspreading“-Aktion in der U-Bahn zum Beispiel hat sich ein Mann sogar weggesetzt. Das ist ein empowernder Moment. Denn so merken wir, dass diese Person sich angesprochen gefühlt hat. Aber darum geht es eigentlich nicht. Wir spiegeln praktisch dem „Manspreader“ sein Verhalten wider und versuchen vielmehr betroffene Personen zu empowern.
Es ist schon eine Form der Politisierung. War das Projekt ein Anfang oder wart ihr schon davor aktiv?
Wir denken, dass weiblich sozialisierte Personen oder als Frau gelesene Personen sich gar nicht aus diesen strukturellen Gegebenheiten entziehen können. Natürlich hat man im Laufe der Zeit, aber auch mit dem Alter viel mehr wahrgenommen. Wir haben festgestellt, dass sich daraus eine gewisse Unzufriedenheit gekoppelt mit Wut entwickelt hat. Das war vermutlich auch eine weitere Form, was uns motiviert hat, zu handeln und aktiv zu werden.
2019 seid ihr mit Eurem Projekt gestartet – könnt Ihr mittlerweile davon Leben?
Nein, wir können nicht davon leben. Wir studieren beide noch und haben mehrere Minijobs. Unser Wunsch ist es, dass wir irgendwann in der Lage sind uns minimal dafür bezahlen zu können – zumindest für die Arbeit, die wir leisten. Allerdings war es nie unsere Intention bei diesem Projekt Geld zu verdienen. Unsere Absicht war es einen Diskurs anzuregen. Wir wollten mit unserer Botschaft in erster Linie eine Reichweite erschaffen, um ein Sprachrohr dieser Problematik zu sein und eine Plattform bieten zu können. Daher bezeichnen wir uns eher als aktivistisches Projekt, aber es hat natürlich auch eine wirtschaftliche Komponente.
Was ist Eure Motivation?
Der Austausch mit den anderen, die diese Idee gut finden oder die Hosen aus Überzeugung tragen, zeigt uns, dass wir nicht alleine stehen. Wir haben nun des Öfteren gehört, dass selbst das Tragen dieser Hosen etwas mit einem macht – es gibt den Träger*innen eine andere Form von Stärke, aber auch die Legitimation dafür, die Beine zu spreizen. Wir wollen im Allgemeinen dieses Gefühl der Ungerechtigkeit nicht nur aufzeigen, sondern auch problematisieren. Es ist wichtig, die strukturelle Ebene dahinter sichtbar zu machen. Der Zuspruch der anderen, stärkt uns.
Wo kann man die Hosen kaufen?
Wir verkaufen sie entweder hier vor Ort in Berlin oder im Onlineshop depop.com (das ist wie Kleiderkreisel). Eines unserer nächsten großen Ziele ist es, eine eigene Webseite zu entwickeln, um auch unabhängiger agieren zu können.
Wie teuer ist so eine Hose?
Wir haben zwei Preiskategorien: Riot Pants sind neue Second-Hand-Hosen, die wie gesagt im Onlineshop gekauft werden können – die kosten 40 Euro. Mit den Riot Prints haben unsere Kund*innen die Möglichkeit, eigene Hosen einzuschicken und bedrucken zu lassen – die kosten dann nur 25 Euro.
Autorin: Özge Kabukcu
Fotos: Hanko Ye und Lexi Sun
Designerinnen: Mina Bonakdar (Modedesign-Studentin) und Elena Buscaino (Kommunikationsdesign-Studentin)