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Nailtech verpasst jemanden eine Maniküre in einem Nagelstudio.
Allgemein

Vietnamesische Nagelstudios

Ein lukratives Geschäft mit Schattenseiten?

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist dein Nail-Tech des Vertrauens Vietnames*in. Der Nagelstudio-Markt wird nämlich global von Menschen mit vietnamesischer Migrationsbiografie dominiert. Alleine in Berlin gibt es rund 1000 Salons unter vietnamesischer Leitung. Nageldesign ist allerdings kein Teil traditioneller südostasiatischer Kultur, sondern stammt aus den USA und wurde erst in den letzten Jahrzehnten zum Erfolg.

Wie genau sich Vietnames*innen in der Branche weltweit etablierten und was die dunklen Schattenseiten des Geschäfts sind, erklären wir hier.

Geflüchtete und Tippi Hedren

Als der Krieg in Vietnam mit der Einnahme Saigons 1975 durch die Kommunist*innen endete, flohen mehr als hunderttausend Vietnames*innen in die USA. Die Behörden und Hilfsorganisationen ließen Geflüchteten-Lager errichten, unter anderen „Hope Village” in Kalifornien. 

Tippi Hedren, die durch ihre Hauptrollen in einigen Hitchcock-Filmen Star-Status erlangt hatte, war bestürzt über die verzweifelte Lage der Geflüchteten und leistete Freiwilligenarbeit. Bei einem Besuch in „Hope Village” waren die dort untergekommenen Vietnamesinnen allesamt fasziniert von Hedrens elegant lackierten Fingernägeln. So kam der Hollywood-Star auf die Idee, sie könne die Frauen zu Maniküristinnen ausbilden lassen.

Die Frauen waren anfangs wenig begeistert, denn vor ihrer Flucht gehörten viele von ihnen der gehobenen Mittelschicht an – Nägel machen war in Vietnam ein Job für Leute ohne Ausbildung und nicht gut angesehen. In den USA hingegen galten Maniküren als echter Luxus, an dem man gut verdienen konnte. In ihrer Notlage wollten die Frauen dem Einfall der Schauspielerin eine Chance geben. 350 harte Schulstunden später bestehen zwanzig von ihnen ihre Abschlussprüfungen. Gerade rechtzeitig, denn „Hope Village” muss schließen. 

Sie beginnen unter prekären Bedingungen und als Außenseiterinnen in Nagelstudios zu arbeiten, doch schnell bauen sie sich aufgrund ihrer guten Arbeitsmoral einen eigenen Kundenstamm auf, der ihnen eine Verselbstständigung ermöglicht. Immer mehr vietnamesische Nagelstudios eröffnen und der Markt boomt, denn das Geschäftsmodell spricht sich unter den Migrant*innen herum: „Die Anfangsinvestitionen sind gering, Sprachkenntnisse kaum nötig, die Techniken lassen sich in kurzer Zeit lernen, oft ist der Beruf nicht geschützt, übrigens auch in Deutschland nicht. Und er lässt sich überall ausüben”.

Ein globales Phänomen

So entstand also in den USA eine neue Branche für vietnamesische Migrant*innen. Aber wie kommt es nun, dass auch die meisten unserer Nail-Techs Vietnames*innen sind?

In den USA schlug das Businessmodell so hohe Wellen, dass sich die Verwandten der Einwander*innen aus Europa, die Techniken auf Besuchen in den Staaten aneigneten. Nach der Wende wurden viele vietnamesische Gastarbeiter*innen, die sich ein Leben in der ehemaligen DDR aufgebaut hatten, arbeitslos. Das eigene Nagelstudio bot ihnen in den 1990ern eine neue Perspektive. Die Branche expandierte in Deutschland genauso wie in den USA zuvor.

Harte Arbeitsbedingungen

Natürlich entsteht durch das lukrative Geschäft auch ein Wettbewerb. Die Preise für Maniküren fallen immer weiter und das wirkt sich auf die Löhne aus. Niedrige Löhne bedeuten wiederum erhöhte Arbeitsstunden, die eine Bedrohung für die Gesundheit darstellen: Die giftigen Dämpfe der Lacke und Lösemittel können auf Dauer gefährlich werden. 

Trotzdem finden sich viele Migrant*innen in den Nagelstudios, da sie dort kostenlos die Technik des Nageldesigns erlernen können. Andere Berufe verlangen oft gute Deutsch-Kenntnisse, die gerade am Anfang des Aufenthaltes nicht garantiert sind, doch ein Job ist notwendig, um sich eine neue Existenz aufbauen zu können. 

Anti-asiatischer Rassismus

In der Branche ist seit jeher anti-asiatischer Rassismus keine Seltenheit und erschwert die Arbeitsbedingungen zusätzlich. Zum Beispiel hegen viele Kund*innen Misstrauen gegenüber den Manikürist*innen und vermuten, es würde über sie gelästert werden, wenn sich auf vietnamesisch unterhalten wird. Im Zuge der Corona-Pandemie verschlimmerte sich die Lage erneut: Die Studios verloren nicht nur viele Kund*innen, die Besitzer*innen machten sich auch große Sorgen um ihre Angestellten, da die Hasskriminalität gegen Asiat*innen ein neues Hoch erreichte. In den USA werden die Nail-Techs mit Pfefferspray ausgestattet, damit sie sich im Notfall wehren können.

Moderner Sklavenhandel?

In Deutschland haben Nagelstudios währenddessen mit harten Vorwürfen zu kämpfen und sind in Verruf geraten. Grund dafür ist das Verschwinden vietnamesischer Geflüchtetenkinder, mit dem die Nagelstudios etwas zu tun haben sollen. 

2019 wurden in Nordrhein-Westfälischen Nagelstudios über zwei Dutzend arbeitende Vietnames*innen ohne Aufenthaltstitel und Asylantrag gefunden. Einige von ihnen waren minderjährig. Solche Vorfälle seien in ganz Deutschland üblich – die niedrigen Manikürepreise kämen nicht von ungefähr. 

Ob dein Nagelstudio von ausbeuterischen, gesundheitsgefährdenden Arbeitsverhältnissen betroffen ist, kannst du meistens am Preis messen. Eine Maniküre für unter 30 Euro würde einen fairen Lohn, sichere Arbeitsbedingungen und die Arbeitskosten nicht decken. Im Zweifelsfall lohnt es sich also, in ein teureres Studio zu gehen.

Kanntest du die Geschichte der vietnamesischen Nagelstudios schon? Wusstest du, womit die Nail-Techs täglich konfrontiert werden?

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