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Gesellschaft & Geschichten

Verbotene Liebe

Über den gesellschaftlichen und familiären Druck Liebendender

Die Liebe von Leyla und Mecnun ging als Erzählung in die westasiatisch-nordafrikanische Literaturgeschichte ein. Poetisch wurde sie bereits im 12. Jahrhundert vom persischen Dichter Nizami festgehalten. Auch heute noch ist sie ein Gleichnis der Schicksale vieler Liebendenund ihrenFamilien, die die Verbindung ablehnen und sie mit allen Mitteln voneinander trennen wollen. Familien, die ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen über die Liebe ihrer Kinder stellen.

Sind wir nicht beide Menschenkinder, du wie ich?“ (Leyla & Mecnun)

Sie dürfen keine Liebesbeziehung haben, denn sie sagen, es sei der falsche Glaube, die falsche Herkunftsort oder das falsche Geschlecht. In vielen türkischen Familien gibt es eine klare Vorstellung davon, wer in die Familie einheiraten kann und wer auf keinen Fall akzeptiert wird. „Trenn dich von ihr“, wenn du sie heiratest, bist du nicht mehr unser Sohn“ und wir werden diese Beziehung niemals akzeptieren“, heißt es dann.

Dieser Artikel, der nicht annähernd imstande ist, diese Tragik in Worte zu fassen, soll ein Versuch sein, sich den verbotenen Lieben unserer Gemeinschaft und innerhalb derselben Religion zu nähern. In manchen Familien reicht es nicht aus, Muslim:a zu sein oder eine türkisch-türkisch Beziehung zu führen, es muss außerdem die richtige Zugehörigkeit sein.  

Drei wahre Liebesgeschichten sollen im Folgenden dafür stehen, was es bedeuten kann, sich der eigenen Familie gegenüber für die Liebe behaupten zu müssen, daran zu scheitern, sie zu verlieren oder doch ein Happy End zu finden.Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir einander fremd, dennoch waren die Paare bereit, Kontakt mit mir aufzunehmen und mir von ihren Herzen und ihrer Vergangenheit zu erzählen.

V & A – gebrochene Herzen „Wenn sie uns in Ruhe gelassen hätten …“

Ein Mädchen verliebte sich unsterblich. Mit ihm konnte sie sein, wer sie wollte, konnte glauben, woran sie wollte, und sie konnte Träumen, wovon sie wollte. Sie verstanden sich blind, es war ihre erste große Liebe. Sie entschieden sich füreinander und wollten ein gemeinsames Leben aufbauen. Als sie ihm von ihrem alevitischen Hintergrund erzählte, ahnte er bereits, was ihnen bevorstand. Seine Ahnung wurde zur bitteren Wahrheit. Für ihn selbst spielte es keine Rolle, obwohl er praktizierender Sunnite war: Glaub, woran du willst. Das wichtigste ist, dass du zu Gott findest. Sie entschieden sich, seine Familie von ihrer Liebe zu überzeugen. Was voll Hoffnung begann, sollte jedoch der Anfang vom Ende ihrer Beziehung sein, denn der Widerstand seiner Familie traf sie hart.Wir waren zu jung und eingeschüchtert. Wir haben nicht erwartet, wie sehr seine Familie eingriff.“ Ihre Familie stand hinter ihr, sie lernten ihn kennen und hatte keine Einwände gegen diese Beziehung. Alle Versuche, seine Familie umzustimmen, scheiterten. Eine alevitische Braut für ihren Sohn kam nicht in Frage. Sie gaben ihr keine Chance, wollten sie nicht kennenlernen. Nicht einmal die Gefühle und die Liebe ihres eigenen Sohnes interessierten sie, es spielte keine Rolle. Je härter der Widerstand zu Hause wurde, umso mehr veränderte er sich. Er verlor sich im Kummer um seine Liebe und seine Familie und verlor die Kontrolle über sein Leben, seine Ziele und seine Gesundheit. Sie fühlte sich gedemütigt und litt an der Verachtung, die ihr entgegengebracht wurde. „Er ging vor meinen Augen kaputt, da ging auch in mir etwas kaputt.“ Ihre unausweichliche Trennung war einvernehmlich, sie war leise und traurig und hinterließ zwei verwundete Herzen. „Nach der Trennung waren wir gebrochene Menschen.“

K & G – zerbrochene Familie  „Mein einziger Fehler ist mein Glaube.

Wie viele türkische Paare hielten sie ihre Beziehung zunächst geheim vor ihren Familien – bis er sie bat, seine Frau zu werden. Der Tag ihrer Verlobung sollte für lange Zeit der letzte unbeschwerte in ihrer Beziehung sein. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie nicht, welche Opfer ihre schiitische Herkunft von ihr abverlangen würde, wenn sie einen sunnitischen Mann heiratete. „Wir haben nie über so etwas geredet, solche Fragen einander nie gestellt. “ Was für beide keine Bedeutung hatte, wurde für ihre Familie zum absoluten Maßstab. Nachdem er seiner Familie die Verlobung verkündete, gratulierten ihm seine Eltern und schmiedeten feierliche Pläne. Für sie dagegen brach eine Welt zusammen. „Benim Sünniye verecek kızım yok!Ich habe keine Tochter für einen Sunniten“. Ihr Vater schrie und schimpfte, ihre Mutter weinte über das Unglück und den Verrat, den die Tochter über die Familie brachte. Zu Hause ignorierte sie ihr Vater daraufhin und ihre Mutter begann, sie zu kontrollieren. „Ich musste meine Beziehung vor meiner Familie beschützen.“ Eltern und Tochter verloren einander schließlich. Ihre Familie wollte sie nicht mehr, wenn sie sich für ihn entschied, und sie wollte ihre Familie nicht mehr. „Das ist doch Rassismus!“ Dennoch fand, um den Anschein für die tratschende Nachbarschaft (elalem) zu wahren, ihre Hochzeit statt. Der Teil ihrer Familie, der gegen eine sunnitisch-schiitische Verbindung war, nahm an den Feierlichkeiten nicht teil. Sie löschte die Nummern ihrer Eltern.

„Es kann doch nicht bleiben, so wie es jetzt ist.“ (Leyla & Mecnun)

Die Partner:innenwahl und die eigene Familie sind in der türkischen Gemeinschaft ein engumwobenes Geflecht. Dieses Geflecht kann zu etwas Großem und Schönen heranwachsen, wenn durch Heirat zwei Familien zu einer werden. Die Symbiose zwischen Eltern und ihren Kindern kann aber auch zerbrechen. Das kann eine Feindschaft zwischen zwei Familien auslösen, die sich bis dahin nicht einmal kannten. Ob aus diesem Geflecht Liebe oder Feindschaft wird, entscheidet oft eine einfache Bewertung, die sich nur nach kultureller oder religiöser Zugehörigkeit richtet.

Die Familie obliegt dem Druck der Repräsentation nach außen. Elalem die Leutesind der Oberste Gerichtshof türkischer Familien, die amcas und teyzes der Nachbarschaft – die Onkel und Tanten – sind seine Richter:innen. Ihr Urteil bestimmt Rang und Ansehen der Familie: „Elalem ne der! – „Was würden die Leute sagen!“ Einmal in Verruf geraten, haftet diese Verurteilung am Namen der Familie. Sowohl die Meinung der Nachbarschaft als auch die religiöse und politische Weltanschauung der Familien entscheiden über das Glück einer Beziehung. So ist es in vielen Familien bis heute und der Preis, den Liebende bezahlen, wenn sie gegen diese Koalition antreten, kann ein hoher sein.

Die Meinungsbildung in der Familie beginnt, sobald die Frage aller Fragen gestellt wurde: Nereli? Woher? Die große Frage soll alles klären: religiöse Zugehörigkeit, familiäre Beziehungen und finanziellen Status. Fragen über Charaktermerkmale, den Absichten, der Liebe und Achtung dem eigenen Kind gegenüber werden selten gestellt. Manche Familien wollen nicht wissen, warum man einander liebt, von den Träumen und der Lebensanschauung der Liebenden. Das Urteil fällen sie dann schon, auf Klischees und Vorurteilen basierend, bevor sie die Person kennenlernen.

B & T – Hoffnung „İnsan olsun yeter!Am Ende zählt die Menschlichkeit!“

Ihre große Liebe wollte bei ihrem Vater um ihre Hand anhalten. Sie war nervös, als sie den berühmten Satz aussprach: „Baba ben biriyle tanıştım. Beni istemeye gelmek istiyorlar.“ – „Baba, ich habe jemanden kennengelernt. Sie wollen um meine Hand anhalten“. Ihr Vater zögerte nicht zu fragen: Nereli? – Woher kommt er? Seine Herkunft verriet, dass er einen alevitischen Hintergrund hatte, doch er sagte zunächst nichts. Von Anfang an stand fest, dass ihr sunnitischer Hintergrund für seine Familie nicht der Rede wert war. Als ihr Vater mit ihrer Mutter allein war, sagte er „Damat Alevi mi?“ Ist der Bräutigam Alevite?. Ihre Mutter rief mit aller Stärke, die sie gegen den sonst so dominanten, konservativen Mann aufbrachte: „Evet Alevi! Sakın sesini çıkartma! İnsan olsun yeter!“ – „Ja, er ist Alevite. Wag es nicht, zu widersprechen. Am Ende zählt die Menschlichkeit!“ Und das ist meine Geschichte. Eine Geschichte, die Hoffnung spenden soll, denn es gibt sie Familien, die das Glück ihres Kindes und den Wert eines Charakters sehen.

Illustration: Yasmin Anilgan

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