Es ist nichts Neues, dass Türk*innen, die in Deutschland aufgewachsen sind, in der „Heimat“ oft als Almancı bezeichnet werden. Wenn ich in der Türkei bin und meinen Mund aufmache, weiß jede anwesende Person sofort, dass ich sicher nicht in der Türkei aufgewachsen, sondern eine Deutschländerin bin.
Es ist aber nicht unbedingt mein Akzent, der mich verrät. Auch nicht die falsche Satzstellung oder das fehlende Vokabular, auch wenn das in meinem Fall deutliche Indizien sind. Nein, es ist vor allem die deutsche Logik, die mir im Weg steht, wenn ich jedes Jahr den gleichen Fehler mache. Während meines letzten Türkeibesuches ging ich kurz nach meiner Ankunft gemeinsam mit meinen Cousinen in ein Café. Die Bedienung kam, um die Bestellung aufzunehmen und als ich an der Reihe war, bestellte ich mir ein „türk çayı“. Für einen Moment fehlten ihr die Worte; dann prustete sie los.
Irritiert sah ich zu meinen Cousinen hinüber, da ich offensichtlich etwas falsch gemacht hatte. Doch bevor meine Cousinen mich aufklären konnten, sagte sie Bedienung zu mir: „Das heißt einfach nur çay. Du bist wohl nicht von hier?“ Halb beleidigt antwortete ich ihr, dass ich immerhin in dieser Stadt geboren sei – aber es war zu spät, der Schaden war angerichtet und ich war als Ausländerin, als Fremde geoutet.
Korrigiert mich doch mal!
Meine Familie hat mich nie korrigiert, wenn ich im Türkischen irgendetwas falsch gesagt oder benutzt habe, was sich im Nachhinein als ziemlich unpraktisch herausgestellt hat. Wie sollte ich denn aus Fehlern lernen, wenn ich gar nicht wusste, dass es welche waren? So kam es schon mal vor, dass ich selbstbewusst durch den çarşı spazierte und mein Kaufinteresse an Schmuck oder Kleidung mit den Worten „Bu kaç?“ verkündete; korrekt hätte es „Bu kaç para?“ heißen müssen.
Anstatt zu fragen, wieviel etwas kostet, habe ich also nur „Wieviel das?“ gefragt.
Dieser Fauxpas war anscheinend so peinlich, dass meine anwesende Cousine mich schnell korrigierte und mir der verwirrte Ausdruck auf den Gesichtern der Verkäufer*innen mit einem Mal einleuchtete. Für den Rest meines Aufenthaltes habe ich mich dann nicht mehr getraut, gegenüber Fremden den Mund aufzumachen.
Zurück zum Tee
Mir erschien es logisch, türkischen Tee zu bestellen, auch wenn ich ja in der Türkei war, wo çay einfach çay ist. Aber ich bin ja auch gewohnt an türkische Cafés und Restaurants in Berlin, wo auf dem Menü neben Pfefferminz- und Kamillentee auch explizit Türkischer Tee zur Auswahl steht. Das hat sich scheinbar so tief eingebrannt, dass ich die für Deutschland notwendige Unterscheidung verschiedener Teesorten einfach mit in die Türkei genommen habe. Ein Bekannter von mir, dem ich diese Anekdote erzählte, brachte noch eine andere Überlegung mit ein:
„Vielleicht hast du auch einfach an türk kahvesi gedacht und das irgendwie miteinander verwechselt?“ Vielleicht. Im Falle des türkischen Mokkas braucht man die Unterscheidung, sonst bekommt man im schlimmsten Fall Kaffee aus Instantpulver serviert, wenn man nur kahve bestellt. Türk çayı hingegen ist ein Pleonasmus, doppelt gemoppelt also. Um beim nächsten Türkeibesuch nicht von Cafémitarbeiter*innen ausgelacht zu werden, bestelle ich mir am besten einfach einen Apfeltee – wie eine richtige Touristin.
Ein Gastbeitrag von Merve Neziroğlu
Illustration: Johanna Olga // www.johannaolga.de