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Essen & Trinken

It’s a match: Die Türkei und der Çay

Wer in der Türkei einen Çay bestellt, bekommt in einem kleinen Glas ganz viel türkische Teekultur serviert. Während Çay schlicht und einfach mit Tee übersetzt werden kann, verstehen die meisten darunter allerdings die Variante, die aus schwarzem Tee zubereitet wird und im deutschen Sprachgebrauch mit türkischem Tee gemeint ist. Was aber macht Çay eigentlich so besonders und vor allem unverzichtbar? Zurück zum Anfang.

Wie Çay in die Türkei kam

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde in der Region um Bursa (90 km südlich von Istanbul) der Versuch unternommen, Tee anzubauen. Das Klima dort war allerdings zu trocken und der Anbau gelang nicht. Die Türkei veranlasste daraufhin eine Reise nach Georgien, um den erfolgreichen Teeanbau dort kennenzulernen. 1924 verabschiedete die Türkische Nationalversammlung ein Gesetz zur Förderung des Teeanbaus, das auf der Erkenntnis basierte, dass die östliche Schwarzmeerregion sich bestens für den Teeanbau eignete. Warme, regenreiche Sommer und milde, frostfreie Winter – das perfekte Klima für Teepflanzen. 1947 eröffnete schließlich die erste Teefabrik in Rize am Schwarzen Meer.

Produktion und Konsum

Um Rize herum werden heute etwa 65 Prozent des türkischen Tees produziert. Weitere Anbaugebiete sind Trabzon, Ordu und Giresun, die ebenfalls am Schwarzen Meer liegen, und das weiter landeinwärts liegende Artvin. Produziert wird vor allem in kleinen bis mittleren, in der Regel familiär geführten Betrieben. Die Türkei ist einer der größten Teeproduzenten der Welt, lässt aber nur eine sehr kleine Menge für den Export übrig. Von den produzierten 190.000 Tonnen im Jahr werden etwa 85 Prozent in der Türkei selbst konsumiert. Durchschnittlich werden knapp 7 kg Tee im Jahr pro Kopf (Stand: 2014) verbraucht, was die Türkei zu dem Land mit dem höchsten Teeverbrauch macht. Diese Zahlen spiegeln wider, was recht einfach im Alltagsleben in der Türkei zu beobachten ist: Die Menschen lieben ihren Tee heiß und innig.

Dunkel oder hell oder egal?

Die Zubereitung von Çay erfolgt traditionell in einem Demlik (tr.: Teekanne), der aus zwei gestapelten Teekannen besteht. Auf Türkisch wird diese Zubereitung unter çay demlemek (tr.: Tee aufgießen, ziehen lassen) zusammengefasst. In der unteren, größeren Kanne wird Wasser gekocht, während in der oberen, kleineren Kanne angefeuchtete Teeblätter ihr Aroma durch die Wärme von unten entfalten. Sobald das Wasser in der unteren Kanne kocht, werden die Blätter mit diesem aufgegossen; dadurch entsteht nach kurzer Zeit ein sehr starker schwarzer Tee. Später beim Einschenken mischt man diesen mit dem gekochten Wasser.

Für die Mischung gibt es keine festen Regeln – den individuellen Vorlieben sind hier keine Grenzen gesetzt, auch was die Zugabe von Zucker oder Zitrone angeht. Es wird unterschieden zwischen starkem Tee (demli oder koyu çay, dt.: dunkler, durchgezogener Tee) und nicht ganz so starkem Tee (açık çay, dt.: heller Tee), der seinen Namen durch die hellere Farbgebung der Wasser-Tee-Mischung erhält. Dieses ganz spezifische Çay-Vokabular dient oft auch metaphorisch als Ausdruck in allen möglichen Lebens- und Gefühlslagen: Der Satz „Çayı açık severim, ama seni çok koyu sevdim ben.“ (Dt.: Meinen Tee liebe ich açık, dich aber habe ich koyu geliebt.) ist an Tiefgang fast kaum zu übertreffen, oder?

Warum sehen türkische Teegläser aus wie sie aussehen?

Serviert wird türkischer Tee traditionell in kleinen, tulpenförmigen Gläsern mit typischer „schmaler Taille“ (ince belli). Die Gläser stehen auf einem Unterteller, die optisch einiges hergeben und in allen möglichen Formen und Farben erhältlich sind. Die typische Form der Gläser bringt einige praktische Vorteile mit sich: An der charakteristischen, braun-rötlichen Farbe des Tees kann man seine Intensivität festmachen – die Gläser eignen sich dafür bestens und bei Bedarf kommt dann einfach mehr Wasser oder mehr Tee dazu. Oft rutschen auch Teeblätter oder Kalkrückstände aus der Kanne mit in das Glas; diese sinken meist sofort auf den Boden der Gläser und schaffen es durch die schmale Taille nicht wieder nach oben und stören somit nicht den Teegenuss.

Die weite Öffnung der Gläser führt außerdem dazu, dass der obere Teil des Tees schneller abkühlt; die enge Mitte bleibt aber dennoch heiß – somit kann der Tee bis zum letzten Schluck heiß genossen werden. Zusätzlich ist die Form praktisch, wenn der Tee noch recht heiß ist und man das Glas am oberen Rand festhält, um die ersten Schlucke zu nehmen. Bei Gläsern ohne schmaler Taille ist das um einiges schwieriger, vor allem mit heißem Tee – probiert es aus!

Çay lav yu

Trotz der langen Geschichte des Kaffees in der Türkei hat Çay den türkischen Mokka als erste Wahl schon längst abgelöst. Kein anderes Heißgetränk begleitet den türkischen Alltag und seine Menschen so beständig wie Çay: Gästen wird er zu allen Tageszeiten angeboten, beim Frühstück ist er unverzichtbar, auf die Mittagspause freut man sich wegen ihm, nach dem Abendessen ist er ebenfalls gesetzt, die Lieblingsserie schaut man nicht ohne ihn, draußen im Café darf er auch nicht fehlen. Er ist fester Bestandteil, wenn Familien zusammenkommen, wenn sich Freunde sehen, wenn Menschen aufeinandertreffen. Er ist Teil erfüllter Gespräche, intensiver Diskussionen, lockerem Smalltalk.

Cafe in Galata/ Istanbul

Während wir uns in Deutschland meist auf einen Kaffee verabreden, treffen sich die Menschen in der Türkei analog dazu auf einen Çay, oftmals in den beliebten Teegärten im Freien (çay bahçesi). Çay hat einen einzigartigen Stellenwert im türkischen Herzen, er schafft Geselligkeit. Er ist aber auch da, wenn es gerade nicht so gesellig ist. Dann schafft er Trost und Hoffnung, denn: „Çay henüz her şey bitmedi demektir“ (tr.: Çay heißt, dass das Ende noch nicht gekommen ist).

Text: Gamze Vatancı

Fotos: Christopher Horne

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