Spaltung vorprogrammiert

Muslim*innen in den deutschen Massenmedien: Gezielte negative Framing-Strategien? 

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Seit dem terroristischen Akt im Jahr 2001 werden Muslim*innen in einem hohen Maße, mit Gewalt- und Konfliktthemen durch die Massenmedien in Verbindung gebracht. Insbesondere die Medienberichterstattung über die Religion des Islams und Muslim*innen, hat für den gesellschaftlichen Diskurs eine elementare Bedeutung. Diese präsentiert den Rezipient*innen nicht nur ein Fremdbild, sondern wendet explizite Strategien an um nur ein Teil des Ganzen in den Medien abzubilden.

Insbesondere Schlagzeilen der deutschen Presselandschaft, hinterlassen hier eine phänomenale Leistung. Blicken wir zurück auf die Frage ob der Islam zu Deutschland gehöre, wurden hier gezielte Framing-Strategien angewendet um die bereits vorhandene Islamfeindlichkeit zu bestärken. Titel wie „Seit dem dritten Reich gehört der Islam zu Deutschland“ (die Welt), „Geistiger Müll“ (SZ), „Eine Debatte zum Fürchten“ (SZ) oder auch „Deutschland auf dem Weg zum Terror-Exportweltmeister“ (die Welt), gingen durch die Presse.

Diese Schlagzeilen senden eine Botschaft an die Leser*innen, die gewaltige Auswirkungen haben, nämlich die Wahrnehmung der Umgebung und Mitmenschen zu welcher auch Muslim*innen und ihre Religion, der Islam, zählt. Gerade weil die meisten Menschen keine alternativen Informationsquellen haben, ist dabei die Rolle der Medien entscheidend. Die Quintessenz der theologischen Basis oder auch der Alltag von Muslim*innen, wird in der medialen Darstellung unter den Teppich gekehrt.  Eine gezielte Produktion und Anwendung von antimuslimischen Narrativen dagegen, befeuert die bereits bestehende Islamophobie und bestärkt die Polarisierung in der Gesellschaft.

Schlagzeilen wie diese, gießen zusätzliches Öl in das lodernde Feuer, dass ohnehin schon die islamfeindliche Stimmung in Deutschland weiter aufheizt. Durch die bewusste negative stereotypische Zuschreibung und negative Attribuierung von bestimmten Personengruppen, werden marginalisierte Gruppen als Zielscheibe bestimmt. Das vermittelte Islambild durch Presse, Fernsehen oder auch Social-Media, prägt die deutschen Mitbürger*innen. Insbesondere die, die kaum oder wenig Kontakt zu Muslim*innen pflegen. Ihnen fehlt schlicht und ergreifend der direkte, persönliche Zugang zu dieser „fremden“ und unbekannten Religion. Was dann greift, ist die Wahrnehmungsstruktur durch die mediale Präsentation.

Vor zwei Monaten scheiterte die Pro-Kopftuch-Kampagne des Europarates „Beauty is in diversity as freedom is in hijab“. Zum wiederholten Male traf es die kopftuchtragende Muslima. Die Online-Kampagne war nur wenige Stunden im Internet zu sehen, da in Frankreich schon das Feuer loderte und die Kampagne zurückgezogen wurde. Das wars dann wohl, mit dem Vorhaben der Förderung von Vielfalt und der Bekämpfung von Hass und Hetze. Tweets wie „Mein Kopftuch, meine Freiheit“ wurden mit sofortiger Wirkung gelöscht. Ja, denn die Macht der Medien ist nicht zu unterschätzen und natürlich könnten sich diese Aktionen positiv auf das gesellschaftliche Zusammenleben mit und für Hijabis auswirken.

Nicht zu vergessen sind die Beschädigungen und Angriffe auf die Moscheen in Deutschland, sei es in Husum, Leipzig oder Halle. Grauenvolle Ereignisse wie diese sind für die heutigen Journalist*innen wohl nicht berichtenswert genug. Wieso bloß? Weil Muslim*innen jetzt womöglich die Opferrolle einnehmen könnten? Stimmt, in der Medienrealtiät existieren ja grundsätzlich ganz gegensätzliche Stereotype von Muslim*innen.

Gesellschaftspolitische Themen werden über den Kanal der Medien produziert und an die Rezipient*innen weitervermittelt. Seien es Debatten um den Kopftuchstreit oder Problematisierungen von Integrations- und Migrationsinhalten, Medien tragen die Verantwortung, unter Einhaltung des Pressekodex, die öffentliche Meinung widerzuspiegeln und beeinflussen somit auch den nachfolgenden Diskurs. Journalistische Standards und die Einhaltung von Qualitätskriterien, sollten oberste Priorität der Mediensender sein und nicht die Marginalisierung von einzelnen Gesellschafts- oder Religionsgruppen.

Geprägt werden deutsche Mitbürger*innen, die wenig oder kaum Kontakt zu Muslim*innen pflegen, durch das vermittelte Islambild der Massenmedien. Denn wenn Menschen ein direkter Zugang zu einer bestimmten Religion, einem Land oder auch einem Thema fehlt – sprich der Zugang zu etwas Unbekanntem ist schlichtweg nicht gegeben, dann dominiert die Wahrnehmungsstruktur, die teilweise durch die mediale Darstellungsformen vorgegebenen wird. Darunter zählen auch die sozialen Netzwerke, deren zunehmende Bedeutung nicht zu übersehen ist.

Mitbürger*innen die kaum einen persönlichen Kontakt zu Muslim*innen pflegen, stehen der Religion des Islams und Muslim*innen nur mittels einer indirekten Begegnung gegenüber, da eine ständige Konfrontation der medialen Darstellungen und Berichterstattungen wahrgenommen wird. Ein persönlicher Austausch und interkultureller Dialog mit Muslim*innen, wird zur Seltenheit. Zu keiner Überraschung führt deshalb das besorgniserregende Studienergebnis der Bertelsmannstiftung: Jede zweite Befragungsperson sieht die Religion des Islams als eine Bedrohung an. (Bertelsmannstiftung, 2019).

Bahnt sich mit der expliziten Markierung von Muslim*innen in medialen Diskursen, nicht schon eine stereotypisierte Zuweisung an? Ausgeblendet wird der differenzierte Blick auf die Lebensrealität der weltweit 1,5 Milliarden Muslim*innen. Ein sinnvoller Ansatz zur Beseitigung von Vorurteilen und Beseitigung von Ängsten gegenüber der Religion des Islams und Muslim*innen, wäre es, nicht erst Themen medial aufzugreifen wenn die Probleme bereits entstanden sind und das Fass schon am überlaufen ist.

Einen vorbildlichen Ansatz verfolgen bereits die „Datteltäter“ mit ihrem YouTube-Kanal. Auf eine humorvolle Art und Weise werden muslimische Stereotype ausgehebelt. Des Weiteren gibt der Blog von „Stimme der Muslima“ oder auch die Redaktion „die Chefredaktion“, Schreiber*innen die Möglichkeit ihre Meinung kundzutun. Eine Meinung, die Vorurteile abbaut und für Aufklärung sorgt. Verschiedene Blickwinkel und Stimmen, die in der Medienlandschaft unterrepräsentiert sind, können durch all diese medialen Ansätze in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. Denn Medien diktieren zwar nicht die Meinung, jedoch sollten sie in einem hohen Maße Impulse setzen.

Fest steht: die festverankerten „pictures inside the heads“ – laut Lippmann, müssen beseitigt werden. Die bisher ausgeblendete Lebensrealität von weltweit 1,5 Mio Muslim*innen bedarf einer Darstellung, die Angst und Schrecken auflöst. Es ist die Zeit, einen typischen Alltag von Muslim*innen zu beleuchten, kein „Ich“ und „die anderen“ zu präsentieren und betroffene Religionsgruppen innerhalb der Medienlandschaft zu Wort kommen zu lassen.

Erreichen wir nicht erst eine gelungene Agenda, wenn eine realistische und originelle Repräsentation von Muslim*innen erfolgt? MIT ihnen auf Augenhöhe zu sprechen, statt ÜBER sie? Ziel sollte es sein, eine vollständige Abbildung der Realität zu präsentieren, indem der Alltag von typischen Muslim*innen, die wahren und friedlichen Lehren der Religion des Islams aufgezeigt werden und die betroffene Religionsgruppe innerhalb der Medienlandschaften selbst zu Wort kommen würden. Relevant ist es, die Lücke der muslimischen Stimmen innerhalb der deutschen Medienlandschaft zu füllen.

Text: Maiyra Chaudhry

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