„Adana’ya gidek mi, şalgamından içek mi?” (dt. Sollen wir nach Adana und Şalgam trinken?) lautet es in einem türkischen Volkslied. Den Namen Adana assoziiert Ihr sicherlich mit Adana Kebap, einem türkischen Fleischgericht, der auch unter Techno-Fans sehr beliebt ist und vor Corona-Zeiten gerne mal nach dem Feiern verputzt wurde. Adana – so heißt eine Stadt im Süden der Türkei. Adana Kebap – so heißt die Spezialität aus dieser Provinz. Soweit alles klar. Doch was zur Hölle ist Şalgam?
Bitte mit Scharf!
Die deutsche Übersetzung zu Şalgam Suyu oder kurz Şalgam heißt Steckrübensaft. Ursprünglich kommt das Wort aus dem Persischen (شلغم). Das rötliche und säuerliche Getränk besteht aus dem Saft vergorener roter Steckrüben und wird üblicherweise mit Urkarotte vermischt. Das Gemüse wird zerkleinert und nach Zusatz von Hefe, Bulgur(mehl), Salz, Knoblauch und Wasser einer Milchsäuregärung unterzogen. Anschließend wird die Flüssigkeit abgeseiht. Die gesamte Fermentationszeit beträgt etwa zwei bis vier Wochen. In der Türkei gehört es vor allem zur Winterzeit zu den beliebtesten Getränken und auch in der armenischen Küche hat es seinen Platz. Eine kleine Vorwarnung: Das Getränk ist scharf! Denn kurz vor dem Trinken wird scharfe Peperoni hinzugefügt. Zwar ist auch eine milde Variante erhältlich, aber selbst die hat einen schärflichen Eigengeschmack. Es ist also nichts für Weicheier.
Das ultimative Arzneimittel
Bei diesem traditionellen Getränk scheiden sich die Geister. Entweder mag man es oder man hasst es wie die Pest. Diejenigen, die es hassen, retten sich vor harmlosen, aber stinkenden Blähungen, die man laut einigen Quellen nach Verzehr von überschüssigen Mengen bekommen kann. Doch sie lassen sich auch Gutes für die Gesundheit entgehen. Denn dieser Saft geht für einen guten Zweck in die Eingeweide. Es enthält ohne Ende Vitamin C und viele Antioxidantien. Zudem soll es die Auswirkungen einer kohlenhydratreichen Ernährung verringern und die Verdauung unterstützen. Und zu guter Letzt – aber sicher nicht unwichtig: Es soll das ultimative Arzneimittel gegen den Kater sein!
„Schwarzes Wundergetränk“
Während dieses Heilgetränk sowohl nach Europa als auch nach Japan exportiert wird, gibt es keinen nennenswerten Export in die USA. Die Firma Ersu wagte den Versuch, es als „Schwarzes Wundergetränk“ zu vermarkten. Doch der Versuch blieb ein Versuch und entwickelte sich nicht zu Erfolg. Schade für Amerika.
Es war einmal in Adana…
Zurück zu Adana. Denn bei diesem Ort handelt es sich um die Heimat des schwarzen Wundergetränks. Die Adanalıs vergöttern dieses Getränk derart, dass sie seit 2010 auf dem jährlichen Adana Kebap ve Şalgam Festivali (dt. Kebap und Şalgam Festival Adana) auf ihre Liebe zu Şalgam anstoßen. Dazu gibt es Rakı und – wie der Name des Festivals bereits verrät – Adana Kebap. Später wurde das Festival aus Gründen „der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Sicherheit von Hab und Gut sowie Leib und Leben von Menschen“ verboten, aber das jetzt mal beiseite. Şalgam ist nicht nur in seiner Heimatstadt Adana beliebt. Das Getränk ist in der ganzen Türkei verbreitet. Es wird als Begleitung zu Rakı und würzigen Gerichten, wie Kebap oder Çiğ Köfte, getrunken. Vor allem das Rakı-Şalgam-Duo ist für die Geschmacksknospen eine unvergessliche Erfahrung. Die Kombination aus kühlem Anis und pikanter Säure wird zu einem aufregenden Geschmackserlebnis führen. Wallah!
Uzun lafın kısası, (tr. lange Rede, kurzer Sinn) der Steckrübensaft hat Tradition und ist ein Superstar unter den türkischen Getränken, der es bis in die Texte türkischer Volkslieder schafft. Ich weiß nicht, wie es Euch dabei geht, aber nach diesem Artikel verlangt es mich nach Rakı und Şalgam. Wenn es Euch genauso geht, empfehle ich, entweder zum nächsten türkischen Supermarkt zu laufen oder das Rezept von Nesrins Küche auszuprobieren. Na dann, Şerefe!
Şalgam-Rezept
1 kg Steckrübe (dunkle Möhren)
1 mittelgroße Kohlrabi
1 kleine Rote Beete
1 EL Salz
Saft von zwei Zitronen
eine Hand voll Bulgur
eine Hand voll Mehl
ein Glas mit Deckel, mit ca. 5 l Füllmenge
ein Tüchlein aus Baumwolle
Das Gemüse schälen. Die dunklen Möhren in lange und dünne Streifen schneiden. Den Kohlrabi und die Rote Beete halbieren und dünn schneiden. Das ganze Gemüse in das Glas füllen und darüber Trinkwasser zugießen. Salz und Zitronensäure zugeben und verrühren. In einem Schüssel Bulgur mit Mehl und etwas Salz vermischen, wenig Wasser zugeben und den Teig kneten. Den Teig in das Baumwolltüchlein stopfen und fest bündeln. Das Tüchlein in das Glas tunken. Das Glas dicht schließen. In einem dunklen und kühlen Ort ca. 1-2 Wochen lagern.
Text: Berivan Kaya
Fotos: Shutterstock.de
Lektorat: Reyhan Söğüt