Den Berliner Schauspieler und Regisseur Aykut Kayacık muss man einfach mögen. Gut gelaunt wie immer hat er uns erzählt, wieso er oft deutscher als ein Deutscher ist und trotzdem keinen „Hans“ spielen darf.
„Deutsches Brauereipferd statt türkischer Ackergaul“
Aykut, du bist in der Türkei geboren und als Kind nach Deutschland gekommen. Welche Erinnerungen hast du an die erste Zeit in Berlin?
Ich bin mit sieben Jahren nach Berlin-Charlottenburg gekommen. Mein Hort gehörte zur einer katholischen Gemeinde, die Erzieherinnen waren alle Nonnen. In meinem Kiez gab es damals eine Brauerei und dort stand ich zum ersten Mal vor einem stattlichen Brauereipferd, einem Kaltblüter. Das war schon beeindruckend. Aus der Türkei kannte ich nur die abgemagerten Ackergäule. Ich hab schnell Anschluss gefunden und konnte schon nach kurzer Zeit gut Deutsch sprechen. Bereits nach einem Jahr hier in Berlin hatten meine Schwester und ich die türkische Sprache verlernt und konnten uns im Türkei-Urlaub nicht mehr verständigen. Zurück in Berlin gab’s dann erst mal Deutsch-Verbot zuhause.
Seit 1991 stehst du als Schauspieler regelmäßig vor der Kamera. Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Das war Zufall. Ich hatte ein Architekturstudium begonnen und arbeitete nebenbei als Barmann. Aus reiner Neugierde nahm ich an einem Schauspiel-Workshop teil und daraus ergab sich gleich mein erstes Engagement an einem Kinder- und Jugendtheater in München. Mir hat das Spielen großen Spaß gemacht. Kurz darauf kamen auch schon die ersten Filmrollen. Das Architekturstudium habe ich dann abgebrochen – sehr zum Bedauern meiner Mutter.
Am 5.2. ist der Film „300 Worte Deutsch“ von Züli Aladağ in den Kinos gestartet. Du spielst den Gemüsehändler Emre. Warum sollte man sich den Film anschauen?
„300 Worte Deutsch“ ist eine beschwingte Komödie und arbeitet mit den gängigen Klischees, um das Thema Integration mal so richtig aufzumischen. Ich finde den Film frech, er geht unter die Gürtellinie und ist politisch inkorrekt. So etwas brauchen wir!
„Eko Fresh ist ein anständiger Junge“
Du hast in dem Musikvideo „101 bars“ von Eko Fresh mitgespielt, wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Ich kannte Ekrem vorher nicht, bis eines Tages mein Telefon klingelte und jemand sagte: „Hey Aykut, abi, hier ist Eko Fresh. Hast du Lust, in meinem Clip mitzuspielen?“. Wir haben uns getroffen und auf Anhieb gut verstanden, Ekrem ist ein anständiger Junge. Aus dem Videoclip hat sich dann der Plot zu dem Serienkonzept „Blockbustaz“ entwickelt, in dem ich den Hausmeister Bulut spiele. Auf ZDF Neo bekam unser Pilotfilm die meisten Stimmen, im Sommer drehen wir die ersten sechs Folgen. Seit diesem Clip bin ich auch der Jugend ein Begriff; Mein Facebook-Account hatte über Nacht Hunderte Likes mehr!
Gemüsehändler Emre, Hausmeister Bulut; Wie stehst du dazu, in deutschen Film- und Fernsehproduktionen überwiegend als Türke besetzt zu werden?
Zu ungefähr achtzig Prozent werde ich als Türke besetzt und das ist völlig ok für mich. Ich bin nun mal der, der ich bin, und sehe so aus, wie ich aussehe. Trotzdem nehme ich bei meiner Arbeit Einfluss auf das Bild des Türken, das ich da abgebe. Mit Akzent spreche ich nur dann, wenn es für eine Rolle Sinn macht. Auch beim Kostüm lehne ich Sachen ab, die allzu klischeehaft sind. Am Set meines letzten Gemüseladens habe ich sämtliche Türkei-Flaggen und Gebetsteppiche von der Requisite wieder abhängen lassen. Für mich ist es ein großer Unterschied, ob man mit Klischees arbeitet oder ob man sie einfach nur bedient.
„Eine deutsche Rolle trauen mir immer noch zu wenige zu“
Du arbeitest mittlerweile seit 25 Jahren im Filmgeschäft. Wie schätzt du die heutige Situation türkischstämmiger Schauspielerinnen und Schauspieler ein? Ist es Fluch oder Segen?
Ich denke, es ist beides. Es gibt zwar immer mehr türkische Rollen in Drehbüchern, aber die Helden werden nach wie vor von Deutschen gespielt. Und wenn es der Quote dient, spielt eben auch mal ein Deutscher den Türken. Diese Exklusivität, dass die türkischen Rollen uns Deutsch-Türken vorbehalten wären, gibt es nicht.
Was könnte sich deiner Meinung nach noch verbessern in der deutschen Filmwelt?
Ich habe vor 15 Jahren schon den Gemüsehändler gespielt und ich tue es auch heute noch. Letztens fragte ich einen befreundeten Regisseur, ob er für mich eine Rolle in einem Zweiteiler hat, den er demnächst in Südafrika dreht. Seine Antwort war: „Nee, da gibt’s keine Türkenrollen“. Den Mut, mich auch mal als Hans oder Peter zu besetzen, haben die wenigsten. Und das ist auch der Grund, warum ich selber Drehbücher schreibe und Regie führe, weil ich dann meine eigenen Geschichten erzählen kann.
„Wir müssen unsere eigenen Geschichten erzählen“
Nach mehreren Kurzfilmen steht nun dein erstes Drehbuch für einen langen Kinofilm in den Startlöchern. Erzähl uns bitte ein wenig von diesem Projekt!
Ursprünglich wollte ich einen Dokumentarfilm über das Kamelringen in der Türkei drehen, habe dann aber doch eine fiktive Geschichte zu Papier gebracht. Wenn alles gut geht, werden die Dreharbeiten zum Jahreswechsel 2015/16 beginnen. Es ist eine deutsch-türkische Geschichte, die überwiegend in der Türkei spielt, worauf ich mich schon sehr freue. Der Film heißt „Kamel zum Frühstück“ – aber mehr wird noch nicht verraten!
Wieso hast du ein deutsch-türkisches Thema gewählt?
Das war eine bewusste Entscheidung. Mir liegen diese Themen einfach, weil ich mich in beiden Kulturen auskenne. Ich kann deutscher sein als ein Deutscher und türkischer als ein Türke, was oft sehr hilfreich ist. Außerdem war mir von vornherein klar, dass ich mit meinem türkischen Namen bei der Filmförderung mit diesem Thema größere Chancen auf eine Zusage haben würde.
… meine letzte Frage: Welches türkische Sprichwort magst du am liebsten?
Meine Oma hat immer zu mir gesagt: „Deli için her gün bayram“ (Dt.:„Für den Verrückten ist jeder Tag ein Festtag“)
Credits
Text: Türkiz Talay
Fotos: Michael Kuchinke-Hofer
Illustration: Büke Schwarz