Das ist Faruk, ein leidenschaftlicher Motorradfahrer aus Neukölln. Schnelle Maschine, Lederjacke, Berliner Schnauze. Und ein echter Familienmensch. Wir trafen ihn und seine Jungs für ein abgefahrenes Shooting mit Christoph Neumann für die erste Printausgabe renk. BİR „OHA!“. Hier gibt’s nun seine Geschichte inklusive unveröffentlichter Fotos.
Mit 16 Jahren habe ich an einem Gesangswettbewerb teilgenommen. Mein Bruder, der Saz spielte, brachte mich damals dazu. Ich habe besonders viel Arabeske gesungen, meist auf dem türkischen Basar an der Bülowstraße, bevor er zu einer U-Bahnstation wurde. Da bin ich sogar mal zweiter geworden und hab dann dort zwei Jahre lang jedes Wochenende gesungen. Ich hatte das große Glück damals mit Nuri Karademirli arbeiten zu dürfen, ein Virtuose, der auch das Konservatorium für Türkische Musik in Berlin gründete. In der Musikerszene habe ich viel fürs Leben gelernt.
Da geht noch was
Meine Leidenschaft fürs Motorradfahren habe ich entdeckt als ich noch nicht mal offiziell fahren durfte. Mein Lehrer hatte mich einmal mit einer fetten Maschine auf dem Einrad, also einen wheely (Fahren auf dem Hinterrad – Anm. d. Red) erwischt. Zu der Zeit war ich gerade dabei meinen B1-Führerschein für solche schwere Maschinen zu machen. Dann gab’s erst mal Fahrverbot. Aber wenn man in jungen Jahren beginnt, lässt einen das nicht los. Wenn du erst mal Gas gegeben hast und denkst „Ouuh was is’n das, da geht noch was..!“ – dann wirst du süchtig.
Treffpunkt: Mohina Backshop
Yusuf kenne ich seit 14 Jahren. Er ist mehr oder weniger durch mich zum Motorradfahren gekommen und hat mittlerweile seine dritte Maschine. Er hat dann ab und an Leute mitgebracht und wir sind zusammen gefahren. Es bringt immer noch viel Spaß. Die meisten aus der Neuköllner Truppe leben schon über 30 Jahre in Berlin. Ich bin jetzt 51 und 1970 nach Deutschland gekommen. Ich hab von Anfang an auch viele deutsche Freunde gehabt. Aber es gab immer Verpeilte unter den Türken, die sich darüber beschwert haben. Wir Kumpels treffen uns regelmäßig am Mohina Backshop, der Ahmet gehört. Schnelles Käffchen und dann zusammen losdüsen. Ahmet hatte leider kürzlich einen Unfall, ein böser Schlüsselbeinbruch. Und die Karre kannste wegschmeißen.
„Meine Füße waren die Reifen“
Mit sechzehn, kurz nachdem ich am Gesangswettbewerb teilgenommen hatte, kam ein professioneller Rennfahrer, Georg Siroka, auf mich zu und schlug mir vor, Profirennen zu fahren. Er hat gesehen, dass ich keine Angst hatte. Es war nicht normal, was ich alles gemacht hab. Meine Füße waren die Reifen.
Während wir an unseren Maschinen rumschraubten, meinte Georg eines Tages: „Mensch, fahr doch Cup-Rennen, da kannste Sponsoren finden und wenn du Glück hast, sind die richtigen Leute da!“ Aber ich komm‘ aus einer Arbeiter-Großfamilie, wer sollte mir den Einstieg finanzieren?
Ich hab‘ das alles als „dünnes Hemd“ mit 300-kg-Maschinen gemacht. Auf die Technik kommt’s eben an.
Die nannten mich alle den „verrückten Faruk“. Ich möchte nicht wissen, wie viele graue Haare ich meinen Eltern und Geschwistern verschafft habe. Sie wussten ja genau, wie ich damals gefahren bin.
Mein großer Bruder und ich ließen alle hinter uns, die es mit uns aufnehmen wollten. Wir haben keine halben Sachen gemacht, sondern waren mit Leib und Seele dabei. Mein Vater hatte einen Fahrradladen in Urfa und ist damals eine 750er Triumph gefahren, da war ich noch gar nicht geboren. Das Motorradfahren ist mir also in die Wiege gelegt worden.
Früher bin ich jeden Tag rumgeballert, ich war also durchgehend im Training. Ich hab dann ein paar Jahre Pause gemacht, wegen der Kinder. Wenn ein Fußballspieler pausiert, ist er nicht mehr da wo er mal war. So ist es auch mit dem Motorradsport. Das ist ’ne Vollzeitbeschäftigung: Tunen, Training, Fahrwerk abstimmen und so weiter.
Wheely auf der Wilhelmstraße
Ich bin der jüngste unter meinen Geschwistern und wollte wahrscheinlich immer zeigen: Ey, das kann ich auch! Mein Sohn saß schon mit 3 Jahren hinten bei mir auf der Maschine. Ich hab ihm nur seinen Auto, – aber nicht den Motorradführerschein bezahlt. Dafür hab ich zu viel Schlimmes gesehen. Ich hab gehofft, dass er nicht sofort seinen Lappen macht. Umso jünger, desto risikofreudiger ist man. Ich bin aber froh, denn er fährt zwar flott, aber macht keine Scheiße. Ich gebe ihm so viele Infos wie ich nur kann. Ich könnte ihn eigentlich stundenlang zutexten.
Früher ist auch meine Frau fast immer bei mir mitgefahren. Bis sie einmal beim wheely vom Sattel flog und nur noch in der Luft hing.
Die Ärmste, was sie alles mitmachen musste..! Ich hab damals gar nicht richtig nachgedacht. Aber ich bin immerhin mit ihr hinten drauf niemals auf die Fresse gefallen.
Ich hatte bisher echt Glück und wenn mir was passiert ist, war es meist meine eigene Schuld. Obwohl, einmal kreuzte mir ein PKW den Weg. Er stand einfach vor mir. Dann hab ich die Maschine mit Vollbremsung abschmieren lassen und bin am Heck vorbei gerutscht – die Karre schlitterte weiter. Aber mir ist nix passiert. Die Leute haben gleich geschrien: Helft ihm doch! Aber es war ja nix. Das hat selbst mich überrascht.
Vor 3 Jahren, da hatte ich in der Wilhelmstraße einen wheely aus dem 2. Gang bei 100 km/h vor dem Finanzministerium gemacht. Dabei hab ich mich komplett aufgeraucht, also überschlagen. Eigene Schuld. Ich hatte kurz vorher ein Wettrennen, da waren die Reifen heiß und so kam ich schneller hoch als sonst. Die hatte nur 135 PS, aber ich hab mich richtig schön lang gelegt und die Karre hat sich mehrfach überschlagen. Die hatte ich dann für 100 EU noch an eine Tuning-Firma verkauft. Mein Fuß war verletzt, das merke ich heute manchmal noch.
Nach dem Unfall bin ich ein halbes Jahr Roller gefahren. Aber das ist nix für mich.
Am liebsten wäre ich ins Ministerium gegangen und hätte nach dem Video gefragt, aber dann wären die gleich zu den Bullen gerannt. „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ nennt man so was. Glück gehabt. Meine Erfahrung hat mir oft das Leben gerettet wie bei Ausweichmanövern, wo ich einfach weiß wie ich mit der Karre umgehen muss. Wer schnell fährt, muss höllisch aufpassen, am besten auf die Fehler der anderen.
„Ich brauch keine Gang, ich hab Familie.“
Es gibt Motorradgangs, die mit Kutte durch die Gegend fahren, um anderen zu zeigen, wir gehören einer starken Gemeinschaft an. Das ist für mich übertrieben und zeugt eher von Schwäche.
Solche Typen schätzen ihre Maschinen mehr als ihre Frauen. Das ist kindisch und geht gar nicht.
Viele denken, dass sie es drauf haben, nur weil sie schnelle Karren fahren. Einfach drauf setzen und Gas geben kann aber jeder. Sie versäumen, was auf so einer Maschine mit richtiger Ausdauer noch möglich ist.
Auch die Aufnäher auf den Jacken finde ich albern. Ich bin ja schon nicht erwachsen, aber die bleiben ewig Kind. Fahren Harley und tragen Kutte, aber verstecken sich hinter der Gang, wenn’s drauf ankommt. Ich brauch keine Gang, ich hab Familie.
Fotos: Christoph Neumann