„Ich werde oft bloßgestellt – wahrscheinlich, weil ich so viel rede“, sagt Süheyl Gür zu den Reaktionen in der Konzerthalle. „Er bleibt dagegen immer cool“. Damit meint er seinen älteren Bruder Sertan, der mit ihm auf der Bühne im Peyote-Club in Eskişehir steht. Zusammen bilden die in der Schweiz geborenen Brüder das Duo Audio Kombat, das seit über 4 Jahren mit seiner elektronischen Musik Eskişehir, Ankara und Istanbul aufmischt.
Jenseits der Konzerthalle ist Sertan genau so gesellig wie sein jüngerer Bruder und wir hatten das Vergnügen, das Duo in einem Café in Eskişehir zu treffen. Sie haben uns von ihren musikalischen Anfängen und der Musikszene in Eskişehir erzählt, das einen Musiker zum Improvisationskünstler werden lässt.
Könnt ihr euch unseren renk. Lesern kurz vorstellen?
Süheyl: Ich bin freiberuflicher Grafiker, mache gleichzeitig Musik und lege auch auf.
Sertan: Und ich bin Deutschlehrer an der Anadolu Universität hier in Eskişehir. Auf der einen Seite promoviere ich und auf der anderen versuche ich, unsere Musik voranzubringen.
Wann habt ihr eure musikalische Seite entdeckt?
Sertan: Wir haben schon als Kinder angefangen. Wir hatten ein altes deutsches Keyboard, das mit einem Propeller funktionierte. Dann kam eine Keman, Bongos usw. dazu. Das war noch in der Grundschulzeit in der Schweiz. Nach dem Umzug haben wir glücklicherweise weitergemacht.
Süheyhl: Ich habe Keyboard gespielt, aber das war nicht so meins, also habe ich mit Schlagzeug weitergemacht. Wir haben mit einem Instrument angefangen und später, als wir in unterschiedlichen Gruppen spielten, immer mehr Instrumente ausprobiert. Wir haben einfach experimentiert.
Wie ist Audio Kombat entstanden?
Süheyl: Mit der Zeit wollten wir nicht nur spielen, sondern selbst Musik produzieren. Das haben wir eine Zeitlang gemacht, aber dann sind unsere Bandmitglieder nach und nach gegangen. Wir sind letztendlich die Einzigen, die hier geblieben sind. So wurden wir zum Duo.
Sertan: Man wird ja nicht zu Freunden, damit man spielen kann, sondern eher andersherum.
Süheyl: Und irgendwann kam der Punkt, wo wir bereit waren aufzutreten.
Und was steckt hinter eurem Namen?
Sertan: Ich weiß gar nicht mehr genau. Wir hatten ein paar Begriffe im Kopf und irgendwann haben wir uns auf Audio Kombat geeinigt.
Süheyl: Das wird mit „K“ geschrieben. Es hat gepasst, weil man es dann auch auf Türkisch aussprechen kann. Nicht wie dieser Darjeeling Tee, den du gerade bestellt hast. Den kann ich nicht so leicht aussprechen! (lacht)
Wie würdet ihr euren Stil beschreiben?
Süheyl: Das, was wir mit Audio Kombat spielen, ist etwas, das wir normalerweise nicht machen – wir haben früher immer akustische Musik gemacht. Ich denke, DJ sein ist nicht das gleiche wie elektronische Musik produzieren. Wir sind keine DJs, wenn wir als Audio Kombat auftreten. Ich meine, es ist nicht nur elektronisch, man könnte unsere Musik auch als Funk beschreiben.
Sertan: Manchmal nutzen wir darüber hinaus Jazz-Samples.
Süheyl: Wir wollen keine flachen Melodien, sondern suchen nach mehr Tiefe. Ich beschreibe es oft als House, aber es ist noch ein bisschen anders. Vielleicht könnte man es ‚alte French House-Musik‘ nennen!
Wann seid ihr zum ersten Mal live aufgetreten?
Süheyl: Das war im Dezember 2011 im Hayal Kahvesi hier in Eskişehir. Wir spielen am liebsten live.
Sertan: Es ist etwas Besonderes mit den Zuschauern, denn du siehst direkt wie sie sich amüsieren und das macht uns happy.
Was hat sich seitdem geändert?
Sertan: Wir sind glücklicherweise etwas entspannter vor Auftritten geworden.
Süheyl: Damals haben wir keine akustischen Instrumente benutzt, jetzt spielen wir auch manchmal für die letzten Songs Schlagzeug oder Bass-Gitarre.
Sertan: Es gab nicht so viele Leute, die uns kannten. Nur Bekannte und Freunde wussten, dass wir Musik gemacht haben.
Süheyl: Es gibt immer noch einen Freund, der seit 5 Jahren nicht einmal reingehört hat! (lachen) Zu einem Konzert könnte man schon mal kommen, oder?
Sertan: Er hat bestimmt aufgehört, Musik zu hören.
Süheyl: Er ist ja jetzt Businessman und will wohl nicht mehr mit den Punks rumhängen!
Ihr seid in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Wann seid ihr in die Türkei gezogen?
Sertan: Wir sind in der Nähe von Zürich geboren, in Winterthur, ungefähr 25km von Zürich entfernt. Als ich auf dem Gymnasium und Süheyl in der Grundschule war, sind wir nach Eskişehir gezogen.
Warum Eskişehir?
Sertan: Unsere Eltern kommen ursprünglich aus Eskişehir und wohnen nun wieder hier. Und wir sind geblieben.
Süheyl: Ich will mir den Stress in Istanbul nicht antun.
Sertan: Wenn ich in Istanbul leben würde, könnte ich zum Junkie werden oder sowas! (lacht) Also bleibe ich lieber hier.
Wie sieht die Musikszene in Eskişehir aus?
Süheyl: Es ist hier nicht einfach. Es gibt viele Läden, aber du findest keine vernünftige Bühne.
Sertan: Die Musiker sind nicht so aktiv oder sie verlassen die Stadt früher oder später. Deswegen entstehen auch Probleme auf der technischen Ebene. Manche Sachen findet man hier einfach nicht. Zum Beispiel hat ein Freund von mir uns einen Synthesizer aus Berlin mitgebracht. Stell dir vor, was passiert, wenn er den Geist aufgibt! In Istanbul kann man sowas schneller lösen.
Süheyl: Hier wartet man mindestens einen Monat auf Ersatzteile!
Sertan: Einmal ist ein Knopf kaputtgegangen und am nächsten Tag hatten wir ein Konzert. Wir hatten so ein Glück, dass der Typ einen Ersatzknopf hatte! Man wird hier selbst notgedrungen zum Tüftler und braucht gute Kontakte.
Seid ihr auch in anderen Städten aufgetreten?
Sertan: Eine Zeitlang haben wir im Kite in Ankara aufgelegt, so wie hier im Peyote. Einmal haben wir im Peyote in Istanbul gespielt. Das war eine Veranstaltung mit 8 Gruppen auf zwei Etagen.
Süheyl: Das war anstrengend; alles hinschleppen und Soundcheck, wir waren echt fertig danach. Aber wir haben es durchgezogen.
Was ist der nächste Schritt für Audio Kombat?
Süheyl: Mittlerweile kennen uns recht viele hier in Eskişehir. Aber die Leute kommen zu den Konzerten und gehen wieder. Auf dem Handy oder so hört man uns nicht oft.
Sertan: Wir wollen im Studio aufnehmen und bald eine EP rausbringen.
Süheyl: Und wir arbeiten gerade an einer Single und werden demnächst ein Video dazu drehen.
Ein Vorgeschmack der Künstler. Sie sind auch auf Soundcloud zu hören:
Fotos: Lennart Hölscher