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Gesellschaft & Geschichten

Katzen-Pogo im Fischerdorf

Oh je! Es geht los…
Das erste Mal war ich mit 17 in der Türkei. Das ist echt schon lange her. Danach folgten noch einige Reisen in dieses wunderbare Land. Das letzte Mal vor drei Jahren. Keine Angst, ich schreibe jetzt nicht darüber, wie schön das Hotel war, wie reichhaltig das Buffet gewesen ist, wie schön die Animateure waren und, dass das Wasser im Pool recht sauber war. So eine bin ich nicht. Ich wohne immer in der gleichen Pension in der Nähe von Izmir. Ein Buffet gibt es da erst seit meinem letzten Aufenthalt und es musste auch niemand für mich einen Folkloretanz aufführen, damit ich mich in meinem Urlaub unterhalten fühle.

Mit 17 war in nun also in der Türkei. Damals bin ich auch das erste Mal geflogen und hatte folgende Vorstellung von der Türkei. Ich schäme mich, aber ich schreibe es trotzdem. Ich war schrecklich blauäugig. Ich habe tatsächlich blaue Augen und meine Weltanschauung steckte noch in den Kinderschuhen. Ich dachte tatsächlich, dass jeder Bewohner dieses Landes zu einer bestimmten Uhrzeit einen kleinen Gebetsteppich auspackt und gen Mekka betet. Das machte mich furchtbar nervös, weil ich nicht wusste, wie ich mich dann verhalten soll. Einfach so dastehen, während alle anderen knien? Mit den Händen in der Hosentasche warten bis es vorbei ist? Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es mir in deutschen Kirchen ähnlich geht. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Aufstehen, hinknien, monoton singen? Als ich dann in den türkischen Alltag eintauchte, merkte ich sehr schnell, dass sich niemand neben mir auf den Boden warf. Das hat mich sehr beruhigt.
Was man als deutsche Touristin auch lernen muss: Im Bus immer brüllen, wenn man aussteigen will. Ich bin zwar ein ziemlich lauter Mensch, aber wir Deutschen brüllen nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wenn wir es tun, dann setzen sich die anderen Fahrgäste ganz schnell woanders hin. Ich habe mich nicht getraut, meine Haltestelle zu brüllen. Das hat meine Freundin übernommen. Sie fährt schon seit ihrer Kindheit in die Türkei.

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Ich lerne immer ein paar wichtige Wörter und Satzbausteine, wenn ich im Urlaub bin. Menschen, die das nicht machen, finde ich schrecklich unhöflich. Die kommen aus ihrem Urlaub zurück und ärgern sich darüber, dass niemand deutsch gesprochen hat. Außerdem fanden es unsere türkischen Freunde äußerst lustig, die Bestellungen in der Kneipe von mir aufgeben zu lassen. Ich hatte immer einen kleinen Spickzettel mit Floskeln und Zahlen dabei. Eines Morgens war ich damit beauftragt worden, zur örtlichen Bäckerei zu gehen, um Simit zu holen. Mein Zettel steckte in meiner verkrampften, schwitzigen Hand. Und dann stand ich in der Bäckerei und alle schrien ihre Bestellungen dem Bäckereifachverkäufer entgegen. Es gab keine Schlange, in die ich mich stellen konnte. Wir Deutschen lieben Schlangen, wir stellen uns brav in eine Reihe und wehe einer drängelt vor. Ich stand also gefühlte 45 Minuten in der Bäckerei und wollte schon weinend rauslaufen, als sich auf einmal ein Gang für mich öffnete. Die furchtbar netten Menschen hatten mich bemerkt, sie winkten mich nach vorne, ich durfte meine Bestellung von meinem schweißdurchtränkten Zettel ablesen und alle waren mir wohl gesonnen. Und das Frühstück mit 20 Straßenkatzen konnte beginnen.
Man füttert keine Straßenkatzen und Straßenhunde. Das ist gar nicht so einfach. Sie sind so süß, manchmal auch eher ekelig und die meisten furchtbar krank.

Da sitzt man dann also beim Frühstück und 20 Katzen sehen einem dabei zu.

Sie zittern, schniefen und husten um einen herum. Man möchte am liebsten ein Fass Fisch auf dem Markt kaufen und den ganzen Tag durch die Straßen laufen und Katzen füttern. Dass meine Freundin mich mit erhobenen Finger ermahnen musste, es bleiben zu lassen, kam mir unmenschlich vor. Ich hatte auch eine Lieblingskatze. Sie war klein, dünn, rothaarig und hatte ein schiefes Auge. Ich habe sie Thom Yorke getauft, weil sie mich an den Sänger von Radiohead erinnerte. Zum Glück wird Thom Yorke diesen Artikel niemals lesen. Aber da diese Straßenkatzen wieder auf sich allein gestellt sind, wenn ich abreise, wäre es eine furchtbare Sache gewesen, sie zu verhätscheln. Ich hätte sie leider nicht alle mitnehmen können. Ich bin allergisch gegen Katzen.

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Ich habe eine tolle türkische Punk-Band gesehen. Diese Band hat in der Urlaubssaison in einer Kneipe in unserem Fischerörtchen gespielt. Ich glaube, das Engagement beruhte auf einem Missverständnis. Anders kann es mir nicht erklären. Die türkischen Jugendlichen um uns herum, kamen mit ihren besten Ausgehklamotten in den Laden und wippten äußerst anmutig mit ihren Köpfen. Wir sahen veranzt aus und überlegten, ob wir ein wenig Pogo tanzen sollten. Aber ich glaube, das wäre furchtbar peinlich geworden.
Mittlerweile liegen schon einige Türkeiurlaube hinter mir. Ich habe Deutschland nie vermisst, wenn ich in der Türkei war. Viele pinke Luftmatratzen pflastern meinen Weg, ich habe mich beim Singen blamiert (»Mein kleiner grüner Kaktus«), Freunde fürs Leben gefunden, immer extra Köfte bekommen, weil ich keinen Fisch mag, und mich immer wie zu Hause gefühlt. Das ist mein kleines osmanisches Erbe!

Ich danke sehr der lieben Dominique Wurster, leidenschaftliche Buchhändlerin und ponyriot-DJane für den amüsanten Text, sowie Catharina Schewe, die es wieder aufs wunderbarste geschafft hat die Geschichte zu visualisieren.

Credits
Text: Dominique Wurster
Illustrationen: Catharina Schewe

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