Irma-Kinga Stelmach kam nur durch Zufall zum Film. Die abstrakte Malerei konnte ihr langfristig nicht das Geben, was sie brauchte. Der Film hingegen öffnete ihr Türen zur direkten Kommunikation und dem Dialog mit Menschen. Das Gegenüber ist entscheidend.
Wie bist du zum Film gekommen?
Durch eine Professorin, die mich in Chicago betreut hat. Dort habe ich in meinem Meisterjahr studiert. Meine Professorin sagte: “Hier, nimm die Kamera und mach was daraus! Hier machst du sie an und hier aus.” Ich hatte natürlich keine Ahnung. Vorher war ich eher von oben bis unten mit Ölfarben vollgeschmiert, ganz klassisch handwerklich schaffend und viel stärker mit der Materie verbunden. Und dann kam die Technik dazu. Das war ein wichtiger Anstoß für mich. Ich führte anschließend mit gleichaltrigen Polen viele Interviews und zeichnete diese auf. Ähnlich wie in der ersten Szene in „Magda“. Ich bin sehr intuitiv mit dem Medium Film umgegangen, ohne zu wissen, wo es mich hinführen wird. Mit diesen Interviews habe ich recht provisorisch meine Abschlussarbeit geschnitten. Das würde ich heute nicht mehr so machen. Aber der Impuls damals stimmte. Ich bin dann zurück nach Deutschland und habe nicht Malerei, sondern tatsächlich eine Videoinstallation ausgestellt.
Wie beschreibst du deine Arbeitsweise?
Ein Film ist für mich ein Prozess und eine Suche. Zuerst ist die Figur da, dann folgt die Geschichte, der Rahmen des Films.
Wenn ich jetzt sagen würde “Genau diese Figur kenne ich schon”, dann bilde ich nur ab und projiziere auf die Leinwand das, was ich schon kenne. Das geht nicht. Ich arbeite mit einer offenen filmischen Struktur und kann nicht von Anfang an alle Fragen beantworten, die sich auftun. Ich weiß es bis dahin oft nicht.
Wieso kamst du gerade nach Berlin?
Wegen meines Studiums. Ich bin als 14-jährige aus Polen nach Augsburg gekommen und nach meinem Abi 1995 direkt nach Berlin gezogen, um dann Bildende Kunst an der damals noch HDK, heute UDK, zu studieren. Ich wollte mich frei machen von der Frage: “Woher komme ich?” Ich habe mit der Malerei nach einem Medium gesucht, um nach vorne zu gucken. Damit bin ich aber ganz schnell an meine Grenzen gestoßen. Wahrscheinlich habe ich das noch nicht so richtig verstanden. Abstrakte Malerei – was bedeutet das?
Welche Erfahrung hast du bisher im deutsch-türkischen Kontext gemacht?
Ich hatte eine tolle Erfahrung filmischer Natur. Für die Aufnahmeprüfung an der HFF, war eine Aufgabe, einen zehnminütigen Dokumentarfilm zu drehen. Ich glaube sogar, das Thema war auch ähnlich wie bei “Liebes Wedding” Begegnung. Ich hatte fünf Stunden Zeit, um einen fertigen Film zu produzieren. Den Schnitt musste ich direkt mit der Kamera machen. Das war keine einfache Aufgabe, aber es ergab sich ein schöner Zufall. Ich bin einem älteren türkischen Mann, Ismail, auf der Straße begegnet. Ismail hat mich gleich zu sich nach Hause eingeladen und bei einem Glas Tee von seinem Leben erzählt. Danach habe ich einen kurzen Film über Ismail gedreht. Das war eine sehr schöne und kurze Begegnung und für mich eine komplett neue Erfahrung. Wie schnell man irgendwo in ein Leben eintauchen kann, hat mich verblüfft. Andersrum hat sich für mich aber auch die Frage nach der Verantwortung von Dokumentarfilmern gestellt.
Beim Filmabend zeigen wir deinen Film „Magda“. Welcher Prozess war bei diesem Film ausschlaggebend?
Das Casting ist für mich einer der wichtigsten Momente beim Filmprozess.
Wir hatten ungefähr fünfzig sehr unterschiedliche Frauen zum Casting eingeladen, mit denen wir zuerst Interviews führten. Ich wollte mich von meinen eigenen Vorstellungen zur Figur Magda freimachen. Es war mir egal, ob sie klein, schwarz- und kurzhaarig oder groß und blond ist. Ich wollte ganz unterschiedliche Gesichter und Darsteller sehen, die mich überraschen. So kann ich aus meinen eigenen Mustern und Klischees ausbrechen. Das finde ich spannend.
Magda heißt auch im wirklichen Leben Magda. Sie war sehr inspirierend, als ich sie in Krakau kennenlernte. Sie war genau zwischen Laie und Schauspielerin. Genau das, was ich unbewusst suchte. Sie hatte so eine unglaubliche Souveränität, die sie mitbrachte, und war für mich nicht so leicht greifbar. Ich konnte sie mir als eigenständige Frau mit Sehnsüchten, aber auch als Mutter und nicht nur klischeebehaftete Putzfrau oder Pflegerin vorstellen.
Wie wichtig ist dir ein gutes Verhältnis zu deinen Schauspielern?
Die Zusammenarbeit mit den Schauspielern ist mir besonders wichtig, auch dass wir uns auf einer ähnlichen Ebene bewegen. Damit meine ich nicht, dass wir uns eins zu eins verstehen, sondern dass ein Dialog entsteht. Auch wenn man oft etwas verbal nicht formulieren kann, versteht man sich trotzdem und weiß worüber man spricht. Das wünscht sich sicher jeder Filmemacher: Man guckt sich an, ein Blick reicht aus und man fühlt wonach, der andere sucht.
Bist du einem Menschen, der der Figur Christa ähnelt, schon mal begegnet?
Christa, die alte demenzkranke Frau ist mir vertraut. Meinen ersten Kurz-Dokumentarfilm „Jubilate“ an der Filmhochschule habe ich über eine Mutter-Tochter-Beziehung mit einer demenzkranken Frau gemacht. Meinen Bewerbungsfilm für die HFF habe ich auch in einem Hospiz in Polen gedreht. Das kommt daher, dass ich meine Oma, die mich nicht mehr erkannte, zeitweise gepflegt habe. Ich fragte mich, was geht in einem Menschen vor: sich verlieren und nicht mehr wissen, wer man ist und was um einem passiert. Das war die Spannungswelt, die ich bewusst bei Magda, habe einfließen lassen.
Was erwartest du vom Filmabend am 07.10. im City Kino Wedding?
Ich freue mich zum einen auf den Austausch und den Dialog. Außerdem andere Perspektiven zu sehen, zu hören und kennenzulernen. Das finde ich wichtig.
Neugierig geworden? Heute Abend könnt ihr euch Irmas Film „Magda“ im Rahmen von LIEBES WEDDING Filmabend ansehen.
Liebes Wedding: Filmabend – Mit sieben Kurzfilmen von deutsch-türkischen/deutsch-polnischen Filmemachern der zweiten Generation
Filmprogramm unter: www.liebes-wedding.de