Ein bisschen verschwimmen die Linien. Die Linien zwischen Mann und Frau. Die Linien zwischen heute und morgen. Und die Linien zwischen Performance und Realität. Die Menschen, die der Fotograf Olgaç Bozalp auf seinen Bildern abgelichtet hat, sind Tänzer, Bauchtänzer oder sogenannte zennes.
Die männliche Bauchtanzkultur ist tief in der türkischen Geschichte verankert und wurde vor allem im Osmanischen Reich praktiziert, als es Frauen verboten war ihren Körper auf diese Art vor Männern zu zeigen. Irgendwann wurde der orientalische Tanz dann vorwiegend mit Frauen assoziiert und hat die Männer aus dem Blickfeld gerückt. Doch die zennes tanzen bis heute. Vielleicht nicht mehr so präsent in der Öffentlichkeit, aber sie sind da.
Der Fotograf Olgaç Bozalp stammt aus der türkischen Provinz Konya und lebt seit mehreren Jahren in London. Er reiste unter anderem durch Europa, in den Iran, nach Afrika und auch in die Türkei. Für seine Bilder sucht er meistens Fremde auf, Protagonisten, die besondere Geschichten erzählen. Neben der Authentizität steht dabei auch Mode im Vordergrund, und so verwebt er Real-Life mit Fashion. Für seine jüngste Serie für das Replica Man Magazine reiste er zusammen mit dem Stylisten Benjamin Kirchhoff nach Istanbul und hat zennes in verschiedenen Clubs aufgespürt und fotografiert.
Auf den Bildern befinden sich die Tänzer in geschlossenen Räumen, sind in einer Pose eingefroren und schauen mal selbstbewusst in die Kamera oder gedankenverloren durch eine blickdichte Gardine in einem biederen Interieur.
Sie tragen schillernde Kostüme und ein geschwungener Lidstrich umrandet ihre Augen, wodurch die anmutige zur Schaustellung der Körper einen Kontrast zu den geschlossenen Räumen mit den schweren Teppichen und Vorhängen bildet. Die Bilder oszillieren zwischen Aufbruch, künstlerischer Freiheit und dem Verstecken vor der Öffentlichkeit, Vorurteilen, die die zennes hinter blickdichte Vorhänge verbannen.
Doch die Bilder erzählen weitaus mehr. Man spürt einen Hauch Nostalgie, verwebt in traditionellen Kostümen, die mit moderner Fashion-Art ein neues Gesamtbild erschaffen. Auch die Kategorien Mann und Frau geraten in den Hintergrund, Geschlechtergrenzen werden aufgeweicht, in dem weibliche und männliche Attribute ihre Konturen verlieren. Es entsteht ein Dialog zwischen Kunst und Realität, Individuum und Gesellschaft.
Die Linien verschwimmen. Und vielleicht lösen sie sich auf.
Text: Eileen Kelpe
Fotos: Olgaç Bozalp