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Kunst & Design

Kunst für jeden

Die Open Studio Days in Istanbul

Die Bedingungen für die zweiten Open Studio Days / Açık Stüdyo Günleri in Istanbul könnten kaum besser sein. An den noch warmen, ersten Oktobertagen dieses Jahres haben das ganze Wochenende mehr als 30 Ateliers in vielen Teilen der Stadt ihre Türen geöffnet. Die Idee, dass KünstlerInnen ihre Galerien, Ateliers oder Wohnungen einem breiten Publikum zugänglich machen, existiert in anderen Städten bereits seit langem. Hinter der neuen Istanbuler Veranstaltung stecken Juliane Saupe und Deniz Beşer, die der türkischen Kunstszene damit alternative Impulse geben möchten.

Die Macher

Auf dem Weg zu Deniz‘ Studio, wenige Minuten Fußweg vom Taksim-Platz entfernt, fallen einige pinkfarbene Luftballons auf, die teilnehmende Studios während des Events vor ihre Tür gehängt haben. Ein paar Sonnenstrahlen dringen in das provisorisch abgedunkelte kleine Atelier von Deniz, in dem er und Juliane auch wohnen, wenn sie gerade in Istanbul sind. Noch ist es ruhig, aber auch in ihrem Studio wird bereits eine Gruppe Kunstinteressierte erwartet. Inspirieren ließen sich die beiden in Wien und Berlin bei ähnlichen Veranstaltungen, 2014 organisierten sie dann selbst die ersten Open Studio Days in Istanbul. Deniz ist Künstler aus Istanbul, wo Juliane, gebürtige Erfurterin, die einige Semester in Istanbul studierte. Inzwischen engagieren sich beide sowohl in Istanbul als auch in Wien in verschiedenen Projekten im Bereich moderner Kunst. Nach mehreren Jahren Fernbeziehung zwischen Deutschland, Österreich und der Türkei, arbeitet, studiert und lebt das Paar nun abwechselnd in Wien und Istanbul.

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„Feel good“ – Deniz und Juliane im Gespräch mit renk.-Redakteur Tarık

Do-It-Yourself statt Sponsoren

Die Idee der Open Studio Days ist, unabhängigen Künstlern eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Kunst der Öffentlichkeit zugänglich machen können. Die teilnehmenden Künstler öffnen an diesen Tagen ihre Arbeits- oder Ausstellungsorte. Die BesucherInnen sind überwiegend StudentInnen, aber auch Familien oder AustauschstudentInnen kommen in die Studios. „Das kann ein Haus, ein geteiltes Studio mit mehreren Künstlern oder was auch immer sein“, erklärt Juliane, die fließend Türkisch spricht. Das Programm ist facettenreich: von Malerei über Fotografie- und Videokunst bis hin zu interdisziplinären Kunstprojekten ist in diesem Jahr alles zu sehen. „Manche bereiten extra eine Ausstellung vor, andere gehen einfach ihrer künstlerischen Arbeit nach und lassen sich dabei beobachten.“ Im nächsten Jahr soll sich alles um zeitgenössische Kunst drehen.

„Ich glaube stark an den Grundsatz Do-It-Yourself“, betont Deniz. „Unabhängig sein – nicht nur im Sinne der Kunst, sondern auch auf das Leben selbst übertragen.“ Denn die Organisation der Studiotage stemmt das Paar nur mit der Hilfe von freiwilligen Helfern und ohne etwas daran zu verdienen. Da die Veranstaltung noch ohne Sponsoren organisiert wird, beteiligen sich die teilnehmenden Studios mit einem geringen Betrag an den Kosten für die 1500 Flyer und Stadtpläne. Der Besuch ist kostenfrei. Für die beiden Organisatoren ist es wichtig, zur lokalen „Sharing Economy“ beizutragen.

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Raum für Solidarität, Raum für Kunst

An den drei Tagen finden außerdem Rundgänge durch viele der Ateliers statt. Wer also nicht alleine losziehen will, kann sich einem Rundgang durch bekannte Stadtteile wie Cihangir, Tarlabaşı oder auch Kadıköy auf der asiatischen Seite der Stadt anschließen. „Wir versuchen, damit die verschlossene Kunstwelt ein wenig zu öffnen.“ Viele Leute interessieren sich für Kunst, trauen sich aber nicht, eine Galerie zu besuchen. Das mag daran liegen, dass viele meinen, nicht genug von Kunst zu verstehen oder sich der Kunstszene fremd zu fühlen. Besonders diese Menschen wollen Deniz und Juliane ansprechen.

Die Open Studio Days ermöglichen Künstlern, ihre eigene Kunst ohne die Unterstützung einer großen Institution auszustellen. Für aufstrebende und junge KünstlerInnen sei es schwer oder mit hohen Kosten verbunden, eine eigene Ausstellung zu realisieren. „Wir möchten eine Alternative zu dem starren Galeriesystem in Istanbul bieten.“ KünstlerInnen, die ihre Ateliers Tür an Tür haben, kennen sich oft nicht einmal. Die Open Studio Days bieten ihnen somit auch die Gelegenheit, sich zu vernetzen. „Vielleicht haben die Gezi-Proteste erstmals einen Raum für mehr Solidarität unter Künstlern der Türkei geschaffen, aber wir sind gerade dabei, diesen Raum wieder zu verlieren.“, erklärt Deniz. Ein weiteres Ziel ist es daher, Raum für Kunstwerke entstehen zu lassen, die sich kritisch mit der aktuellen Situation der Türkei befassen.

Obwohl Istanbul international zunehmend als aufstrebende Kunstmetropole inszeniert wird, sehen die beiden Organisatoren die lokale Kunstszene eher kritisch. Trotz aller positiven Entwicklung ist diese im Verhältnis zur Einwohnerzahl Istanbuls und im Vergleich zu anderen Metropolen überschaubar. Wichtige Kunstinstitutionen der Stadt werden meist von großen Unternehmen oder Banken getragen. Damit haben die beiden zwar kein Problem, zweifeln aber daran, dass KünstlerInnen sich dort immer frei ausdrücken können.

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Kunst an unerwarteter Stelle

Kaum haben wir unser Gespräch beendet, erreicht der letzte Rundgang an diesem Wochenende das Studio von Deniz. Seine Mutter versorgt die ankommenden Gäste mit Getränken, während Deniz ihnen die Bedeutung seiner Videoinstallation erklärt. Nach einem Blick auf die Karte übernimmt Juliane den Rundgang durch den Stadtteil Tarlabaşı. Zwischen den historischen, aber heruntergekommen Altbauten des Viertels findet sich eine überraschend hohe Anzahl an Galerien, sowie Künstler, die mal im Hinterhof, mal in ihrer Wohnung ihre Arbeiten präsentieren. Einst Zufluchtsort für verschiedene Minderheiten in der Türkei, zieht die Gegend zunehmend Kreative und Künstler an, ist aber auch von enormen Baumaßnahmen der Regierung betroffen. In jedem Fall scheinen sogar einige Istanbuler beeindruckt von dem berüchtigten Viertel und den sich dort verbergenden Kunstschaffenden. Wohin es Juliane und Deniz verschlagen wird, wissen sie noch nicht. In jedem Fall möchten die beiden ihr Konzept ausbauen und weitergeben, auch wenn sie nicht mehr in Istanbul leben sollten.

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Fotos: Mert Solmaz, Tarık Kemper

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