Schon seit dem Ende der 90er rappt Sultan Tunç auf seine kritische Art und Weise. Und das in der Türkei, wo Kritik an der Gesellschaft und vor allem der Regierung meistens nicht so gut ankommt. Nach Jahren in Istanbul ist der Hiphop-Musiker wieder nach Berlin gezogen und hat vor kurzem sein neues Album, „Otobiyograffiti“, veröffentlicht. renk. traf sich mit ihm in seinem Kreuzberger Atelier, wo er über seinen Aktivismus als Rapper und die Hiphop-Szene in der Türkei erzählte.
Rap mit Gewissen
Obwohl seine ersten Texte Englisch waren, rappt Sultan Tunç heute hauptsächlich auf Türkisch. „Meine Eltern haben zu Hause gutes Türkisch gesprochen“, erklärt er. Von der Musik der US-Amerikaner Public Enemy stark beeinflusst, kam Sultan Tunç damals nicht mit der ihm in Deutschland vorgeschriebenen Rolle des „Gangster-Türken“ klar – statt diese Rolle hier weiter zu spielen, landete er 2002 einen Plattenvertrag in Istanbul und zog kurz danach an den Bosporus.
Dort konnte er seinem „Vicdanî Rap“, oder „Rap mit Gewissen“, treu sein. Das fiel in eine Zeit, als Pop-Musik in der Türkei viel Erfolg hatte und der Markt für nicht-traditionelle Musik offener war. Das hieß aber nicht, dass er zum meinungslosen Pop-Star wurde: Mit dem Lied „Pardon Afedersiniz Mr. Genelkurmay“ (Deutsch: „Entschuldigen Sie bitte, Mr. Generalstab“), das später von der Gruppe Bandista neu interpretiert wurde, schaffte er es, im türkischen Fernsehen verboten zu werden. Damals war Kritik am Militär noch unwillkommener als heute.
„Die Menschen wollen keine Politik in der Musik, sondern lieber abschalten.“
Leben mit Gewissen
Sultan Tunç förderte in Istanbul nicht nur seine eigene Musik, sondern auch die Weiterbildung von anderen, vor allem von Kindern aus Sulukule, einem armen Istanbuler Stadtteil mit vielen Roma und Kurden. Er arbeitete damals ehrenamtlich im gleichen Verein, in dem die Band Tahribad-ı İsyan, die renk. ebenfalls getroffen hat, auch tätig war. Sein „Rap mit Gewissen“ ist also auch mit seinen anderen Tätigkeiten verknüpft.
Otobiyograffiti – Autobiograffiti
Wenn er von der Rückkehr nach Berlin erzählt, erkennt man eine Bitterkeit in seiner Stimme. Die Putschnacht brachte das Fass zum Überlaufen, aber auch vorher hatten die Einschränkungen der Regierung für Probleme gesorgt. „Mit dem Verbot von Zigaretten haben wir Sponsoren verloren“, ist nur eine seiner Beschwerden. Deswegen gründete er im Zuge seiner Rückkehr nach Deutschland auch eine Plattenfirma – sein Ziel? „Dass damit Bands aus der Türkei auch hier in Deutschland gesignt und international vermarktet werden können.“
Zunächst aber steht sein eigenes neues Album an, „Otobiyograffiti“. „Ich wollte etwas Autobiografisches machen“, erklärt, als er sich die vielen Familienfotos vor ihm auf dem Tisch anschaut. Ein deutschsprachiger Track ist auch dabei, eine neue Version des bekannten Lieds „Kreuzberger Nächte“. Weil das Album in Deutschland erschienen ist, wollte er ein Lied auf Deutsch machen – „es war mir klar, dass das Lied über Kreuzberg sein musste“, meint er.
Sultan Tunç könnt ihr auf Spotify hören und auf Facebook folgen.