Zu Gast bei Autor Feridun Zaimoğlu

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Der Autor und bildende Künstler Feridun Zaimoğlu hasst Berlin und liebt Kiel. Wir hatten die Gelegenheit, ihn zu fragen, warum das so ist und wissen jetzt, warum er schreibt und wie er auf Kritik an seiner Arbeit reagiert.

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Feridun Zaimoğlu, wir sind in Berlin-Mitte. Fühlst du dich wohl hier?

Nein. Ich möchte es sofort ohne Umschweife sagen: Berlin-Mitte ist eine Zombiezone. Jedes Mal, wenn ich hier bin, gehe ich spazieren und suche vergebens Bilder. Ich brauche Bilder. Und was sehe ich? Nichts! Die Mädchen scheinen alle gleich und fühlen sich originell, die Jungs lesen alle die gleichen Magazine. Alle tragen Acne-Jeans und lesen die italienische Vogue und kaufen zusammen irgendeinen Batik-Scheiß. Berlin-Mitte ist hip, das ist das Problem. Denn Hippness ist der Tod für die Originalität.

Du lebst in Kiel. Ich nehme an, Kiel ist dir lieber.

Ach, Kiel war schon immer scheiße. Ich liebe Kiel! 1984 verschlug es mich dorthin. Ich hatte einen Studienplatz für Medizin bekommen. Dann verliebte ich mich in eine Frau, drei Jahre Beziehung, es kam die zweite Beziehung, die dritte und schon waren zehn Jahr vergangen. Heute sind es dreißig Jahre. Was mich immer noch in Kiel hält, das ist das Meer, der Hafen und die Möwen. Dieser Geruch! Es ist einfach großartig! Es riecht nach Algen und nach Jod, nach Meer eben. Die Ostsee ist nicht irgendein Meer, sie hat einen ganz besonderen Charakter. Das Wasser vor Kiel ist kein süßes Wasser, es ist düster, es kann jederzeit umschlagen. Ich bin romantisch, das mag ich. Hinzu kommt das norddeutsche Land, wie flach es ist und wie sich der Himmel darüber spannt. Ich denke mir dann jedes Mal: Leck mich! Ich bin ergriffen vom Himmel, vom Wasser und von den Stürmen. Ich gehöre zu denjenigen, die es mögen, wenn ihnen nachts während eines Gewaltmarsches der Regen in die Fresse peitscht. Kurzum: ich liebe Kiel, das Norddeutsche und alles, was dazu gehört.

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Du warst in Kiel für Medizin eingeschrieben. Wieso bist du heute kein Arzt, sondern Autor?

Meine Eltern, beide Malocher, haben meiner Schwester und mir gesagt: Ihr sollt es einmal besser haben als wir. Also sollte ich Arzt werden und meine Schwester Politikwissenschaft studieren und eine Diplomatenkarriere einschlagen. Daraus ist nichts geworden, ich bin Schriftsteller und sie wurde Schauspielerin. Mein Medizinstudium habe ich damals abgebrochen. Mein Traum war es, Maler zu werden. Und tatsächlich habe ich elf Jahre eher schlecht als recht meinen Lebensunterhalt mit der Malerei bestritten. Ich habe alles gemalt, von Acryl bis ich weiß nicht was.

Und warum schreibst du nun?

Ich leide an Unruhe, und zu schreiben beruhigt mich. Jeder kennt es, ständig ist man unruhig. Ich möchte mich nicht vergiften lassen und habe ein Gegenmittel gefunden. Es ist nicht so, dass ich die Malerei zugunsten der Schriftstellerei aufgegeben habe. Ich male immer noch. Die Malerei ist weiterhin mein Traum. Es ist nur so, dass ich vor allem als Schriftsteller bekannt bin.

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Wie gehst du mit Kritik an deinen Arbeiten als Schriftsteller um?

Es ist so, dass ich nicht nur ein bisschen für etwas kritisiert werde, ich bekomme immer sehr viel ab. Mit Kritik in diesem Umfang kommt niemand einfach zurecht, ich auch nicht. Ich habe allerdings Strategien entwickelt, mir Kritik nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen: Ich mache lange Spaziergänge oder suche Herausforderungen neben dem Schreiben, ich male oder zeichne.

In deinen Romanen drückt sich oft Melancholie und auch Düsternis aus. „Hinterland“ z.B. ist eine romantische, manchmal unheimliche Traumwelt. Spiegelt sich in diesen Bildern der Mensch Feridun Zaimoğlu wider?

Ich bin von allem etwas: Hass, Bewegung, Wut, Pessimismus und noch mehr. Ich bin altmodisch, was auch immer das heißen mag. Ich glaube an Gott, auch das kann ich sagen. Aber mein Glaube ist eher ein Kinderglaube und nicht bestimmt von Theologie. Und ich liebe die Menschen, auch wenn ich sie manchmal erschießen möchte. Ich bin eben ein altmodischer, verstunkener Humanist. Man muss die richtigen Dinge hassen und die richtigen Dinge verrückt lieben und im nächsten Moment muss man sein Bad putzen oder zum Friseur. So, jetzt habe ich mich dargestellt. Lass uns rauchen gehen!

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Credits
Text: Philipp Fritz
Fotos: Melisa C. Karakuş

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