Haymatlos Mekan in Ankara

Ein Laden, jede Menge Kultur

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Deutschsprachigen ist er sofort aufgefallen – der Haymatlos Mekan. Eine Bar, ein Restaurant und Kulturhaus, welches sich am Ende der Konur Straße, im Zentrum von Ankara befindet. An den Holztüren hängen etliche Veranstaltungsposter, die Tische auf der Terrasse sind abends meist voll besetzt. Von drinnen schallen mal Gelächter, mal Live-Musik auf die Straße.

Das Haymatlos Kollektiv

Wie die Poster an den Türen es schon andeuten, beim Betreten des Heimatlos, sorry, Haymatlos Mekans wird man in vier Wänden voller Kunst, Bücher, und Veranstaltungsplakaten empfangen. Ein langer, dunkler Raum voller Tische, links der Tresen und hinten eine Bühne, die für Theaterstücke, Konzerte oder Jam Sessions genutzt wird. Dabei läuft ein Musikrepertoire, das sich als eklektische Soundcloud beschreiben lässt: Manchmal türkisch-psychedelische Remixe, manchmal Ibrahim Maalouf – und dann auf einmal Arctic Monkeys. Selbstverständlich hatten wir einige Fragen und dann das Vergnügen, ein spannendes und freundliches Gespräch mit dem Haymatlos-Kollektiv zu führen. Sie haben uns bei einem Çay von dem Konzept des Ladens, den Leuten, und von ihren Zukunftsplänen erzählt.

„Uns geht es nicht darum, Kohle zu verdienen.“

Woher kennt ihr euch und wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Laden aufzumachen?
Yusuf S.: Wir sind sieben Leute: Yusuf Arslan, Oğul Aşkın, Yusuf Semirli, Musa Uzun, İsmail Semirli, Tolga Semirli, und Ahmet Kurtuluş Sarıtaş. Ursprünglich kommen die meisten von uns aus Adana. Vor 6 Monaten sind İsmail Tolga und ich von Adana nach Ankara gekommen, Musa und Yusuf A. sind von Istanbul hierhergezogen, und hier haben wir Oğul, Ahmet, Evin und andere Freunde kennengelernt. Wir wollten einen Ort haben, wo wir auf unsere Art und Weise Leben können – wo wir sowohl arbeiten als auch nette Leute kennenlernen und mit ihnen Zeit verbringen können. Uns geht es nicht darum, Kohle zu verdienen. Wir haben zwei Monate umgebaut und am 22. November haben wir eröffnet.
Musa: Die Idee hatten wir vor 8 oder 9 Monaten.
Yusuf S.: Also ich hatte die Idee schon seit 10 Jahren oder so im Kopf (alle lachen).

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Warum der Name Haymatlos? Gibt es eine Verbindung zu Deutschland?
Yusuf S.: Wir haben einen Namen gesucht, Oğul hat den Namen vorgeschlagen und die Bedeutung erklärt. Alle fanden ihn gut und damit war die Entscheidung getroffen.
Musa: Die Bedeutung ist schön. Keiner von uns fühlt sich irgendwo dazugehörig, wir fühlen uns eben heimatlos.
Oğul: Als Yusuf S. mit der Idee zu mir gekommen ist, habe ich ihm davon abgeraten, einen Laden aufzumachen. Ein Restaurant oder eine Bar kann man in Ankara ganz leicht eröffnen, aber dann wird das nur noch zum reinen Geschäft. Als er aber erklärte, was genau er im Kopf hatte, war ich dabei. Uns ist hier, zum Beispiel, Gewinn eher unwichtig, und wir vermitteln auch unseren Gästen dieses Gefühl. Deswegen habe ich den Namen Haymatlos vorgeschlagen, wir und der Laden sind unabhängig sozusagen. Außerdem finde ich den Klang schön. Eine Verbindung zu Deutschland haben wir zwar nicht, aber es gibt jede zweite Woche einen Deutschlerner-Stammtisch hier. Mittlerweile haben uns auch viele Erasmus-Studenten entdeckt.

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Ein Laden, jede Menge Kultur.

Hier geht es aber nicht nur um Essen und Trinken, oder? Die Wände sind voll mit Plakaten von Kultur-Veranstaltungen wie Film- oder Theaterabenden und Konzerten. Sogar die Menüs sind bemalt.
Yusuf S.: Klar sind wir mehr als ein Lokal. Jeder im Kollektiv hat seine eigenen kreativen Hobbys. Einer schreibt, der andere macht Musik, der andere spielt Theater…
Oğul: Ankara ist nicht Berlin, nicht Athen, dort gibt es keinen Mangel an solchen Läden. In Ankara schon. Wir füllen diese Lücke.
Musa: Ein Laden, jede Menge Kultur.
Oğul: Genau. Hier kann man günstig essen, außerdem Theaterproben und -stücke vorführen, Filme anschauen, Fanzines auslegen oder lesen, und das alles ohne zu bezahlen. Es passiert ständig etwas Anderes hier. Ich gehe runter in die Küche und als ich wieder hochkomme, machen plötzlich einige Leute Yoga. Am nächsten Tag dann Theater. Neulich waren ein paar Jungs da und haben gerappt.
Musa.: Sowas hat uns früher gefehlt, und wir glauben, es fehlt anderen auch.
Evin: Genau – hier kann man frei atmen, es ist ein Gegenstück zu den schicken, etablierten Galerien in der Stadt. Wenn Künstler oder Studenten ihre Kunst zeigen wollen, können sie es hier tun, ohne zu Cer Modern (etablierte Kunstgalerie in Ankara – Red.) gehen zu müssen.
Oğul:  Zum Beispiel, unsere LGBT Gäste und Freunde können sich hier frei bewegen, was sonst in Ankara nicht überall möglich ist. Darauf sind wir stolz. Wir können mehr bewirken: Anstatt sich politisch zu organisieren und zu demonstrieren, benutzen wir den Laden als Ort für praktisches politisches Engagement.
Yusuf S.: Es ist etwas Konkretes, nicht nur Worte.
Yusuf A.: Und das schaffen wir zusammen, so was kann man gar nicht alleine machen. Wie das Sprichwort sagt, „Ein Irrer schmiss einen Stein in eine Grube, vierzig Intelligente konnten ihn nicht rausholen“. Wenn ein Stein also ins Rollen kommt, kann ihn niemand mehr aufhalten. Wir haben den Stein geworfen, mal sehen was passiert. Alle Menschenfreunde sollen kommen!

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Ihr habt ein eigenes Fanzin, ist das aus dem Laden heraus entstanden, oder andersrum?
Musa: Aus dem Laden heraus. Es war Ahmet Kurtuluşs Idee.
Oğul: Die Leute, die dafür geschrieben haben, sind Leute, die schon mal hier waren.

Wir wohnen im Nahen Osten – hier kann man nicht unpolitisch sein, alles was man tut ist politisch.

Eine politische Message hat es auch, oder?
Evin: Das kann man nicht vermeiden. Wir wohnen im Nahen Osten – hier kann man nicht unpolitisch sein, alles was man tut ist politisch.

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Was habt ihr und das Haymatlos in der Zukunft vor?
Yusuf A.: Wir wollen im Sommer auch ein Camp machen.
Oğul: In der Zukunft kann es mehr Theaterstücke oder Konzerte und sowas geben. Letztens habe ich mit jemandem gesprochen, sie redeten von der „Haymatlos“-Theatergruppe, weil sie ein Stück hier gesehen hatten. So eine Gruppe gibt es aber gar nicht. Aber ich fand es nett, dass wir schon so eine Wirkung haben.

Wird auch was Deutsches dabei sein?
Yusuf A.: Fatih Akın. Ich bin echt beeindruckt von seiner Arbeit und wir wollen auf jeden Fall einen Film von ihm hier zeigen. 

Wer mehr über den Laden und seine Veranstaltungen wissen möchte, kann das Kollektiv auf Facebook besuchen.

Fotos: Lennart Hölscher

 

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