Drag in your Face

Auf einen Talk mit Kweengypsy

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Die heteronormative Gesellschaft ist ein Meister darin, ihre Dominanz zu stärken und aufrechtzuerhalten. Indem sie eine eingeschränkte Identität der Geschlechter suggeriert, ist sie von innen heraus queerfeindlich. Frauen sind so, Männer sollen so. Schließlich kommen wir alle von Adam und Eva, oder nicht (– Lieblingsargument von einem Teil meiner Familie)? Alles was nicht so ist, wird als komisch und unpassend erklärt. Und das ist ein Problem!

Stets habe ich mich in meinem Leben gefragt: Wie sollte meine Rebellion aussehen? Wie schaff ich‘s, Sichtbarkeit für marginalisiertes, queeres Dasein zu schaffen?

Einer der vielen Menschen, die stetig in den Kampf für queeres Bewusstsein ziehen, ist Kweengypsy. Als Dragqueen wissen seine Follower:innen seine Art der Rebellion zu schätzen. Trotzdem suchen Hater:innen andauernd den Kontakt zu ihm, um ihm und der queeren Welt zu schaden. Die absurden „Meinungen“, die so ans Tageslicht gelangen, schockieren auch Menschen, die nicht queer sind. So haben Heterosexuelle die Gelegenheit, einen Einblick in queeres Leben in Deutschland zu bekommen.

Irgendwann in deinem Leben musst du festgestellt haben, dass du Drag machen willst. Wann war das und was ist Drag für dich?

Drag ist für mich eine Rolle, die ich mit Make-Up und Kostümen kreiere. Es ist eine Form, mich der Realität zu entziehen. Ich habe viel Diskriminierung erlebt. Das Schminken und Drag half mir dabei, abschalten zu können. RuPaul‘s Drag Race war der Auslöser. Ich dachte mir: Wie cool ist das denn? Vor Drag Race war Drag in Deutschland sehr beschränkt auf Olivia Jones gewesen. Drag Race schaffte es, den Fokus auf eine breitere Vielfalt zu legen. So etablierte sich ein Drag-Bewusstsein in die deutsche Gesellschaft. In Berlin bin ich finally das erste Mal als Drag raus. Ich glaube, das war bei einer Halloween-Party. Das hat mich in meinem Gefühl noch mehr bestätigt, dass ich das Drag-Sein liebe.

Was war dein erstes Schmink-Element, das du gekauft hast? Musstest du es (anfänglich) verstecken? Wurdest du dabei erwischt?

Ich habe all mein Make-Up versteckt. Das war total crazy. Das erste Produkt, was ich kaufte, war Puder. Es ist unscheinbar, denn auf der Haut ist es nicht wirklich zu sehen. Später war es dann eine Foundation (Anm. d. Red.: flüssige Grundlage für Make Up) und dann immer mehr und mehr Produkte. Gefunden hat es meine Mutter. Sie hat es genommen und selbst versteckt. Irgendwann wurde es dann mal angesprochen. „Warum benutzt du sowas?“ Ich habe anfangs natürlich gelogen. Meine Ausrede: Ich brauche das fürs Theater. Bis letztendlich mein Coming-out kam und es allen klar wurde.

Wann hast du dich bei Familie und Freunden geoutet? Gab es Unterschiede zwischen den beiden Coming-outs?

Beides ereignete sich zur gleichen Zeit. Bei Freunden war es easy. Einige von denen haben sogar darauf gewartet. Was die Familie angeht, wurde ich fremdgeoutet. Wie ein Lauffeuer war es nicht mehr aufzuhalten. Damals war ich beim Christopher Street Day in Düsseldorf und habe da gearbeitet. Ein alter Freund von mir hat mich da als Drag gesehen und wiedererkannt. Über viele Ecken hat am Ende mein Bruder es erfahren und dann kam der große Boom: Nicht nur schwul, sondern auch Dragqueen. Uuffff! Die Gespräche innerhalb der Familie häuften sich und irgendwann wurde es leichter. Doch bis heute ist es noch nicht ganz akzeptiert.

Die Gespräche innerhalb der Familie häuften sich und irgendwann wurde es leichter. Doch bis heute ist es noch nicht ganz akzeptiert.

Von heute auf morgen war plötzlich dein Name Kweengypsy in aller Munde. Deine Zielgruppen sind User:innen bei TikTok, YouTube und Instagram. Wie war das für dich zu erfahren, dass du im Licht der Gesellschaft stehst und diese mitgestalten könntest?

Unerwartet. Habe ich nicht mit gerechnet. Es fing alles damit an, dass ich mit einem YouTuber-Kollegen das erste Straßeninterview gemacht habe. Ich in Drag. Spätestens als die Leute erfahren haben, dass ich muslimisch und kurdisch bin, ging die Post ab. Das Video ging viral. Einige Zuschauer:innen schockierten die Reaktionen der interviewten Leute. Doch für mich ist es Alltag. Diesmal wurde es halt in der Öffentlichkeit einem breiteren Publikum sichtbar gemacht. Ich sag mal so: Am Ende eines Drehs genügt es mir, dass die Leute Begegnung mit einer Dragqueen hatten. Sie hatten Kontakt zu einer muslimischen, kurdischen und schwulen Person. Sie befassen sich mit diesen Themen und unterhalten sich mit mir. Das ist cool, obwohl ich beleidigt werde.

Ich habe schon immer Aufklärungsarbeit betrieben.

Bei deiner Arbeit als Drag und Influencer erfährst du sehr viel Lob, aber auch Gegenwind. Auf der einen Seite bist du eine stark positive Bereicherung für sie und zum anderen wünschen dir deine Hater:innen den Tod. Was ist deine Strategie, damit umzugehen?

Als ich mich entschieden hatte, politisch aktiv zu sein, wusste ich, was passieren könnte. Mit Hate kann ich umgehen, weil ich früh darin trainiert wurde. Klar gibt es einige Kommentare, die supergruselig sind. Einmal wurde mir ein Messer-Emoji geschickt und die Frage gestellt, ob es das linke oder rechte Bein sein soll?! Morddrohungen stehen bei mir auf dem Tagesprogramm. Diesen Kommentaren darf man einfach keine Kraft schenken und keine Aufmerksamkeit geben. Außer es sind paar Idioten dabei, die ich dann poste, weil es lustig ist. Aber: Am besten die Kommentare einfach nicht lesen. Eher bewusst auf die positiven Kommentare konzentrieren. Liebe überwiegt halt immer.

Das queere Spektrum ist groß und divers. Wo verortest du Drag?

Ich würde schon sagen, dass Drag unabhängig vom queeren Spektrum sein kann. Klar, damals zu Stonewall-Zeiten haben viele Drags für die Rechte mitgekämpft. Da es aber eine Kunstform ist, kann das jede:r machen. Drag wird sogar von heterosexuellen Menschen ausgeübt. Drag zeigt gesellschaftlich auf, dass Geschlecht ein Konstrukt ist. Drag macht sich über das konstruierte System lustig, was meiner Ansicht nach sehr notwendig für eine Gesellschaft ist. Letztendlich sollten die Geschlechterrollen nicht zu ernst genommen werden.

Drag macht sich über das konstruierte System lustig, was meiner Ansicht nach sehr notwendig für eine Gesellschaft ist. Letztendlich sollten die Geschlechterrollen nicht zu ernst genommen werden.

In den eigenen Reihen der Queer-Community gibt es selbst Rassismus, Sexismus, Trans*- und Inter*-feindlichkeit. Was wäre deine Message an die Community angesichts dieses Problems? Hast du einen Lösungsvorschlag?

Das ist ein Riesenproblem! Sätze wie: „Da du so feminin rumläufst, ziehst du uns Schwule in den Dreck“, „Du setzt ein falsches Licht auf uns, weil du sagst Schwule sind so und so“. Da denke ich mir: What? Diese Menschen möchte ich aufmerksam machen, wo sie ihre Rechte herhaben. Für deine Rechte haben Trans*-Personen und weiblich-gelesene, feminine Personen gekämpft. Nicht zuletzt befinden sich viele PoC darunter, die ihre Stimmen nutz(t)en, um gegen das Unrecht zu kämpfen. Sei mal lieber dankbar und zoll‘ diesen Persönlichkeiten Respekt.

Dana Barrenberg | @prinzessinsalz

Hast du dich mal gefragt, ob du in die Politik willst? Queere Politiker:innen könnte dieses Land gut gebrauchen!

In die Politik reinzukommen, wäre megacool. Das wäre voll was für mich. Da hätte ich meinen Spaß. Mir würde es allerdings schwerfallen, in welche politische Richtung ich mich einordnen sollte. Müsste sich allerdings im linken Spektrum bewegen. Natürlich. By the way: Jemand von der AfD hat sich bei mir gemeldet. Die wollten mich haben. I swear to God [großes Gelächter]. Grund für das Anwerben war, dass ich ja so viel Hate von den „Südländern“ bekomme. Das sei ja unglaublich. Dabei bin ich selbst „südländisch“. Sie versuchen aus jeder Gelegenheit, was für sich herauszuziehen.

Und was ist mit Hip-Hop? Neben Ebow hätten wir eine:n weitere:n queere:n Hip-Hopper:in im Musikbiz. Ich fänd‘s richtig cool!

Ich liebe Ebow. Ich finde sie so toll. Oh mein Gott. Das wäre so iconic. Ich als Rap-Queen. Dann auch noch auf Kurdisch. So cool. Ich kann leider nicht singen, aber auf Rap hätte ich mega Bock.

 

 

 

 

 

 

Text: Murat Taşcı
Titelbild: Dana Barrenberg
Fotografien: Zade Ibi
Lektorat: Reyhan Söğüt

 

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