Diskriminierung und Rassismus machen leider auch vor dem Gesundheitssystem nicht Halt. Sprachbarrieren, mangelnde kulturelle Sensibilität und Stereotypisierung seitens des medizinischen Personals seien hier beispielhaft genannt. Solche Faktoren können dazu führen, dass Migrant:innen schlechtere Gesundheitsversorgung erhalten oder nicht angemessen behandelt werden. Dies ist nicht nur ungerecht, sondern in bestimmten Fällen auch gefährlich. Doch wie sieht die Diskriminierung genau aus? Im Folgenden werden drei Beispiele exemplarisch erläutert, um für die Thematik zu sensibilisieren.
Mangelnde Sprachkenntnisse? Not good!
Die wenigsten Mitarbeiter:innen in der Gesundheitsbranche beherrschen Arabisch, Kurdisch oder Swahili und andersherum sind Kenntnisse in der deutschen Sprache bei Menschen mit Migrationshintergrund nicht immer ausreichend vorhanden. Eine Inklusion ist somit schon primär nicht garantiert.
Während die Diagnostik und Therapie von einfachen Erkrankungen wie einer Erkältung weniger komplex erscheinen, wird bei Tumorleiden, längeren Krankenhausaufenthalten oder bei der Behandlung älterer Mitbürger:innen und Kindern die Sprachbarriere ggf. deutlich.
Nicht selten entscheiden Ärzt:innen über die Patient:innen hinweg oder diskutieren bestimmte Prozeduren zeittechnisch weniger intensiv.
Übersetzungen in weiteren Sprachen wie Arabisch, Kurdisch, Türkisch oder auch Chinesisch können hierbei hilfreich sein – entweder durch Ansprechpartner:innen in den Kliniken selbst, wie schon häufig vorhanden – oder durch das Bereitstellen von Informationen in der jeweiligen Sprache. Das Bundesministerium für Gesundheit hat bspw. Websites mit Übersetzungen in über 40 Sprachen bereitgestellt. Solche Angebote sind wichtige kleine Schritte, um das Gesundheitssystem toleranter und offener zu gestalten.
Morbus Bosporus
Verschiedene Kulturen haben andere Konzepte von Gesundheit und Krankheit. Je nach Land sehen bspw. Stigmata zu psychiatrischen Erkrankungen anders aus („Strafe Gottes“ etc.) Dies gilt es zu akzeptieren. Und trotzdem sind Menschen mit Migrationshintergründen oftmals Vorurteilen ausgesetzt, z.B dem des „Morbus Bosporus“.Darunter versteht man in der Regel ein Klischee ggü. Menschen mit Migrationshintergrund und deren angeblich wehleidiges Schmerzempfinden, welches wiederum dazu führt, dass eben diese Menschen nicht ernst genommen werden.
Genau hier ist ein kultursensibler Umgang gefragt: Männer, die Schmerzen aushalten der Männlichkeit wegen; psychische Probleme, die aufgrund von Scham nicht benannt werden; Ängste, die nicht ernst genommen werden – Situationen, die natürlich auch bei Menschen mit Migrationshintergrund gehäuft anzutreffen sein könnten und dann einen professionellen, nicht-verurteilenden, sondern unterstützenden Umgang erfordern. Die Stigmatisierung verhindern ein Annehmen der Leiden der Patient:innen.
https://www.zm-online.de/news/detail/so-schwer-haben-es-patienten-mit-morbus-bosporus
KÖnNeN SiE dAs ÜbErHaupT???
Auch auf der „anderen Seite“ sieht es nicht besser aus: Zahlreiche Mitstudierende, Krankenpfleger:innen und Ärzt:innen zählten mir Beispiele auf, wie sie aufgrund ihrer Hautfarbe, Erscheinungsbildes oder Namens merkwürdige Blicke erhielten. Auch wurde häufig die Kompetenz infrage gestellt, „Können Sie das überhaupt? Haben Sie das in Ihrem Land überhaupt gelernt?“. Auch das ZDF berichtete bereits in Artikeln über solche Erfahrungsberichte (vgl. Schmid, 2022). Dabei spielen Migrant:innen eine sehr wichtige Rolle: Knapp 60.000 Ärzt:innen haben in Deutschland eine ausländische Staatsangehörigkeit, zusätzlich zu denen mit der deutschen Staatsangehörigkeit. Von Krankenpfleger:innen und Reinigungskräften mal ganz abgesehen.
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/studie-rassismus-krankenhaus-100.html
https://www.bundesaerztekammer.de/baek/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2021
Was sagt die Forschung?
Daten, Zahlen, Fakten gibt es zu den in diesem Post angeschnittenen Themenfeldern bzw. zur Thematik generell kaum. Die Forschung hängt hier leider hinterher, auch wenn erste Studien in Arbeit sind. Kurzbefragungen und erste Publikationen zeigen jedoch auf, dass sich erstens die Diskriminierung wissenschaftlich quantifizieren lässt (vgl. Schödwell et al., 2022) und andererseits enorm viel Nachholbedarf hinsichtlich Aufklärung vorhanden ist. Public Health kann hier eine wichtige Rolle übernehmen. Auch Themen, die den Migrationshintergrund betreffen sollten näher erforscht werden.
Text: Ahmet Bekisoglu
Alle Quellen:
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/studie-rassismus-krankenhaus-100.html
https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-022-03615-x#citeas
https://www.bundesaerztekammer.de/baek/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2021″
https://www.zm-online.de/news/detail/so-schwer-haben-es-patienten-mit-morbus-bosporus“
https://www.migration-gesundheit.bund.de/de/startseite