Die İstiklâl Caddesi ist eine der bekanntesten Straßen Istanbuls. Hier findet man alles was das Herz begehrt: Von Klamotten- und Musikläden über Galerien bis hin zu Restaurants, Cafés und Bars. Und wer genauer hinschaut, entdeckt sogar noch traditionelle Geschäfte, die teilweise seit den Fünfzigerjahren existieren. Eines davon befindet sich zwischen dem schwedischen Generalkonsulat und dem deutschen Gymnasium: Der türkisch-deutsche Buchladen der Familie Mühlbauer.
Schon die Gründungsgeschichte des Türk-Alman Kitabevi (Türkisch-Deutscher Buchladen) liest sich wie der Klappentext eines Romans:
Der Österreicher Franz Mühlbauer kommt 1945 aus seiner russischen Kriegsgefangenschaft nach Istanbul und findet Arbeit in der kleinen Buchhandlung auf der İstiklâl Caddesi. Als die Besitzerin des Ladens erkrankt, kümmert sich eine junge Dame namens Marlene um sie. Franz und Marlene verlieben sich ineinander, heiraten und gründen eine Familie. Franz Mühlbauer übernimmt schließlich den Buchladen und betreibt ihn über Jahrzehnte. Als er 1991 verstirbt, entscheiden sich seine Söhne Thomas und Josef, den Laden ihres Vaters fortzuführen.
Das Sortiment bestand anfangs hauptsächlich aus Schulbüchern. Über die Jahre kamen aber immer mehr Werke aus anderen Bereichen dazu, so dass man in den deckenhohen Regalen viele Raritäten und Klassiker der deutschen Sprache finden kann.
Der Buchladen war schon immer mehr als nur eine Fundgrube für Literaturliebhaber. Er ist auch eine Anlaufstelle für deutsche Auswanderer, Lehrer, Studenten und Touristen. Denn hier gibt es immer einen hilfreichen Tipp: Ganz gleich ob es um die Suche nach einer Wohnung, einem Job, einer Lerngruppe, einer Kinderbetreuung oder einfach nur nach dem besten Restaurant des Viertels geht – eine Antwort bekommt man immer. Entweder von Josef Mühlbauer höchstpersönlich oder dem großen Schwarzen Brett am Eingang.
Im vergangenen Jahr wurde das Geschäft ausgebaut, um zusätzlichen Platz für noch mehr Bücher und ein Café zu schaffen. Aus dem Türk-Alman Kitabevi ist das Türk-Alman Kitabevi & Café (Türkisch-Deutscher Buchladen & Café) geworden und es ist längst kein Geheimtipp mehr. Einheimische, Touristen, Schüler und Studenten sitzen am Kamin, trinken Tee, lesen und kommen miteinander ins Gespräch. Es herrscht eine sehr offene und kommunikative Atmosphäre. Das Publikum ist international, was nicht zuletzt daran liegt, dass das Café ein beliebter Treffpunkt für Austauschstudenten ist.
In den neuen Räumlichkeiten finden außerdem Filmabende, Lesungen und Autogrammstunden statt. So wird an einem Abend Fatih Akıns Film „Gegen die Wand“ gezeigt, während am nächsten Abend Ahmet Ümit, einer der erfolgreichsten Krimiautoren der Türkei, aus seinem neuesten Buch liest. Hier kommen Autoren und Leser, Filmemacher und Zuschauer zusammen und kreieren so ganz nebenbei eine neue, lebendige Plattform für türkisch-deutschen Austausch.
Der Laden trägt viel Geschichte, Wärme und Offenheit in sich. Ein Ruhepol inmitten der pulsierenden Stadt, der immer einen Besuch wert ist. Ganz gleich wer kommt. Ob Literaturliebhaber, Kaffeejunkie oder Entdecker auf der Suche nach einem Stück deutscher Geschichte in Istanbul. Hier heißt es immer: „Hoşgeldiniz und Willkommen!“