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Gesellschaft & Geschichten

„Damit wir atmen können“

Eine Erinnerung an alle Opfer rassistischer Anschläge

Luft rein. Luft aus. Ich atme. Ich atme tief ein und aus. Für alle, die es nicht mehr können und für die, die umso härter dafür kämpfen. Damit wir atmen können.

Die Debatte um Rassismus ist aus dem gesellschaftlichen Spektrum nicht mehr wegzudenken und immer mehr Menschen melden sich mit eigenen Erfahrungen und Aktivismus zu Wort. Bekannte Gesichter wie Eko Fresh und Lady Bitch Ray sind da keine Ausnahme. Auch sie erzählen in ihren Texten über ihr Leben und über Diskriminierung. In dem Buch Damit wir atmen können geht es genau darum: Erfahrungen mit Rassismus, Empowerment und dem Drang nach gesellschaftlichem Umschwung. Das Buch umfasst verschiedene Sichtweisen und beschreibt die Situation vieler Menschen. Fragen wie „Was ist Rassismus und welche Erfahrungen macht jemand damit?“ sind üblich in unseren Kreisen. Diese und weitere durfte ich an Eko Fresh und den Orhan Mangitay stellen.

Zwei Männer präsentieren das Buch.

Eko Fresh Renk Magazin, © Dennis Demirbas

 

Eko Fresh: Rassismus wird ja Gott sei Dank häufig thematisiert, wie jetzt auch durch uns. Ich glaube, dass die Gesellschaft schon eine viel größere Awareness dafür hat, was Rassismus betrifft. Es gibt eine Awareness dazu, was als positive Entwicklung in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden muss. Nichtsdestotrotz wird man mit Rassismus, Alltagsrassismus hier und da konfrontiert. Ich kenne es wegen meines Backgrounds, ob es jetzt so die Wohnung ist „hoffentlich kriegen wir die, hoffentlich sagen die nicht direkt nein wegen dem Namen“ oder so. Das ist eine Art von Alltagsrassismus, den wir alle kennen.

Orhan Mangitay: Rassismus ist für mich, wenn Menschen nicht als gleichwertig gesehen werden. Ich gebe da Eko auf jeden Fall Recht, wir sind da viel sensibler geworden. Heute sind wir, wie man so schön sagt, woke (bewusst) irgendwie und viel sensibler was so Sprache angeht, wie Abwertung ist oder wie man fremd gemacht wird, obwohl wir auch Deutsche sind letztendlich.

Z: Ihr habt ja jetzt bereits die Wohnungssuche angesprochen. Wie wehrt man sich am besten gegen ungerechte Behandlung?

Eko: Mhh ja. Kommt natürlich drauf an. Im Kleinen: Informiert sein ist immer ganz gut und drauf quasi vorbereitet sein. Ist zwar ein blödes Los, dass man sich sowas merken muss und so schlagfertig ist nicht jeder. Das heißt, dass macht ja schon was mit uns. Aber ich bin immer der, der versucht den positiven Ansatz zu finden. Ich hab‘ alles dafür getan, dass wir uns nach einer Zeit was eigenes geholt haben, wo keiner reinreden kann. Ich weiß, das ist wahrscheinlich nicht für alle eine sofortige Lösung und ein zufriedenstellendes Ergebnis, aber das ist DAS Ergebnis. Zum Beispiel du arbeitest für ein Unternehmen, wo du das Gefühl hast, einer von den Chefs sortiert dich da irgendwie als Ausländer aus. Wie kannst du‘s als Gänze ändern? Wahrscheinlich, wenn du irgendwann ein eigenes Unternehmen hast und Leute anstellst und verbietest, dass sowas passiert. Ich weiß, das ist jetzt nicht im Kleinen gedacht und es ist nicht etwas, wo den Leuten sofort geholfen ist, aber ich glaube, das ist das große Bild und die richtige Lösung. Es ist einfach unser Empowerment, migrant-owned Business, migrant-owned Häuser. Ich habe wahrscheinlich nicht die Lösung aller Lösungen, aber das ist der Ansatz, den ich versuche zu vermitteln.

Mann sitzt am Tisch und ist im Gespräch.

Eko Fresh Renk Magazin, © Dennis Demirbas

OM: Es gibt sicherlich Möglichkeiten, dass individuelle Akteure auch was machen können. Das sind resiliente Menschen, Unternehmer, die können’s schaffen. Das find ich gut. Es gibt Leute, weiß ich nicht, die geflüchtet sind und Abitur mit 1,0 machen. Man darf nur nicht den Umkehrschluss machen, weil’s einer schafft oder wenige, dass man quasi die Aufforderung macht, diese Resilienz, diesen Mut, diese Stärke zu haben, dass andere das auch gleichtun müssen. Deutschland ist eine Vielfalt, ein Heterogenes, wo du bosnische Zuwanderungsgeschichten, türkische, kurdische, aber auch keine Zuwanderungsgeschichte hast. Wir müssen gemeinsam definieren, wer wir sind.

Z: Hanau war letztes Jahr, aber Hanau ist für uns für immer und nie vergessen. Unter anderem war Hanau die Motivation hinter dem Buch und der Erlös geht an die Initiative 19. Februar und an die Bildungsinitiative Ferhat Unvar. Was für ein Zeichen wollt ihr damit setzen?

Drei Personen sitzen gemeinsam am Tisch und unterhalten sich.

Eko Fresh Renk Magazin, © Dennis Demirbas

Eko: Als ich gehört habe, um was es ging, war ich gerne dabei. Aber ich habe von vornherein gesagt: „Lass mich den Teil schreiben, der so mein Ding ist“, also das Licht am Ende des Tunnels zeigen. Das ist der Teil zum Buch. Und zu Hanau: das ist das Schlimmste, woran wir uns erinnern können. Ich glaube, unsere Eltern können sich nochmal an zwei, drei Sachen erinnern. Gerade wenn man so unterwegs ist wie wir beide, mit einer Message, sowas wirft einen krass zurück und das ist nur ein Kleines im Gegensatz zu was die Familien dort durchmachen. Aber das ist so ein Reality Check und man fragt sich: „Was mach‘ ich hier überhaupt?“ Es ist einfach nur schrecklich. Bis heute sitzt einem der Schock in den Knochen. Ich kann mein Beileid nur bekunden an die ganzen Familien.

OM: Hanau und zuvor George Floyd in den USA, zwei schreckliche Ereignisse, die das Buch motiviert haben. Das hat uns sehr erschüttert, einmal auf nationaler und einmal auf internationaler Ebene. Hanau hat uns an die NSU-Morde erinnert, wo Menschen aufgrund ihres Migrationshintergrunds ermordet wurden. Alle Erlöse spenden wir an die Stiftung 19. Februar und an die Bildungsinitiative Ferhat Unvar. Man versucht etwas Produktives, etwas Konstruktives aus dieser Tragödie zu schöpfen, was gegen solche Ereignisse präventiv wirken soll.

Z: Eko, du bist eine lebende Legende und ein Vorbild für viele mit Migrationshintergrund, da du dauerhaft die Jugend motivierst, nicht aufzugeben. Songs wie 1994 handeln von deiner Geschichte und der vieler anderer. Kannst du eine Veränderung über die letzten Jahre beobachten? Sind wir weiter als vor 20 Jahren?

Eko: Wir sind weiter. Ich glaube, dass wir alle zusammen weiterkommen. Ich bin auch viel weiter als ich damals war. Ganz ehrlich, wenn ich manche meiner Texte höre, denke ich ‚oh Gott, was habe ich da gedacht‘ oder sonst was. Und ich glaube, dass die ganze Gesellschaft und auch die ganze Welt in gewissen Teilen weitergekommen ist. Andererseits darf man sich die Augen vor den Problemen nicht verschließen. Hanau oder auch George Floyd, es gibt immer so Reality Checks, wo du dir denkst, warum es sowas überhaupt noch geben muss. Und deswegen ist auch unser ganzes Bemühen, das wir auch aufbringen, immer noch wichtig. Daher ist auch so ein Buch wie Damit wir atmen können oder ein Text wie 1994, um das aufzuzeigen. Dabei geht’s nicht um mich persönlich, es geht um das Gefühl, das es vermittelt. Ich glaube, das ist eine Schublade, die ich im deutschen Rap habe. Es geht um’s Gefühl, nicht mehr um mich als Person. Jetzt ist es eher der Content, um den es bei meiner Musik geht. Ich glaube, das ist der Grund, warum es die Jahre überschritten hat und Generationen verbindet, dass es Eltern und Kinder zusammen hören. Wer kann das schon von sich sagen? Das ist schon crazy.

Z: Was wollt ihr für eine Zukunft sehen und auch selbst kreieren?

Eko: Ich möchte weiterhin hoffentlich guten Einfluss haben auf alle heranwachsenden Menschen, nicht nur auf die mit Migrationshintergrund. Weil da, wo ich herkomme, da waren nicht nur Migranten, da waren auch viele Deutsche. Es war eher so ‘ne Gesellschaftsschicht, die man durchsprengen musste. Es hat was mit dem gesellschaftlichen Stand zu tun. Da waren natürlich überwiegend Ausländer. Ich will einfach mit gutem Beispiel vorangehen. Die meisten Menschen sind eher ein Beispiel für das Gegenteil. Sich abgrenzen, Geld verdienen auf dem schnellsten Weg und es dann allen so gut wie möglich unter die Nase zu reiben. Ich wünsche mir mehr positive Vorbilder. Ich versuche immer in meinem positiven Duktus zu reden, mein ganzes Dasein zu einem positiven Beispiel zu machen. Der Auftrag ist, andere zu inspirieren.

Mann hält lächelnd das Buch in die Kamera.

Eko Fresh Renk Magazin, © Dennis Demirbas

Der Auftrag, andere zu inspirieren. Ein einfaches Statement, das sehr viel Bedeutung in sich trägt. Die Geschichten des Buches sind keine Ausnahmen in Deutschland. Viele von uns erleb(t)en Rassismus und Diskriminierung in irgendeiner Form. Das Wichtigste ist jedoch, dass wir uns gegenseitig (unter-)stützen, ganz gleich, woher man kommt. Denn Deutschland soll bunt bleiben. Weil auch wir es sind.

Autorin: Zade Ibi
Lektorat: Reyhan Söǧüt 

 

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