Murat Yıldız – "Jeder zweite Gast ist baff, dass ich als Türke keinen Döner serviere" – Brot & Salz

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Wer als hungriger Passant an der Hausnummer 27A auf der Prenzlauer Allee vorbeischlendert, erblickt hinter den Fenstern des Brot & Salz verheißungsvolle Berge aus Kaiserschmarrn oder üppige Portionen Wiener Schnitzel. Das kleine Bistro setzt in seiner Speisekarte vor allem auf deutsch-österreichische Hausmannskost. So manchem Gast klappt daher die Kinnlade runter, wenn statt eines Österreichers der Deutschtürke Murat – geschätzt zwei Meter groß und einen Meter breit – in weißer Arbeitsuniform aus der Küche kommt und seine Kundschaft mit Berliner Schnauze statt Wiener Schmäh begrüßt.

Murat  ist ein „echtes Kind aus’m Wedding“,  trotzdem ist jeder zweite Gast baff, dass er als Türke keinen Döner serviert. „Ich erkläre ihnen dann, dass ich Döner gar nicht gerne esse.“ Hier in Deutschland kommen Gerichte ohne viel Schnickschnack wie Schnitzel, Schmarrn und Klöße gut an, und dafür hat der Koch eine einfache Erklärung: „Dieses Essen ist den Leuten vertraut wie das Gulasch von Mama oder das Schmorgericht von Oma.“ Eine Kühltruhe sucht man im Brot & Salz übrigens so vergebens wie Mezze oder Baklava.

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„Wir haben keine Kühltruhe. Aus Prinzip.“

Dass die Zutaten nicht einfach aufgetaut werden sollten, wurde ihm während seiner Lehre in Frankreich beigebracht. „Wir sind in Berlin, der schönsten Stadt der Welt. Wir können uns die Ware sieben Tage die Woche direkt liefern lassen.“ Fleisch und Gemüse werden möglichst nach Bestellung frisch zubereitet, was für seine Angestellten erheblichen Aufwand und Stress bedeutet. Doch Murat hat konkrete Vorstellungen, jetzt, wo er sein eigener Chef ist. Ob er zuhause auch den peniblen Meisterkoch raushängen lässt? „Ganz ehrlich, nach vierzehn Stunden im Betrieb bin ich mit einer Käsestulle und einem Schokoriegel zufrieden. Aber zu besonderen Anlässen protzen meine Frau und ich natürlich! “

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Ein eingespieltes Team

Gemeinsam mit seiner Frau Alev versorgt er die Gäste. Als Gastronomen funktionieren sie wie ein altes Ehepaar und auch nach außen pflegen beide gute Beziehungen im Bötzowkiez. Während des Interviews grüßen allerhand Leute Alev oder winken Murat vom Fahrrad aus zu. So haben sie es geschafft: Dank Mundpropaganda, Michelin-Empfehlung und aktivem Facebookprofil sind sie bis zu dreimal täglich ausgebucht.

„In der Küche ist das Leben.“

Schon in Murats Kindheit war die Küche der Mittelpunkt im Alltag der Familie Yıldız, war der Raum in der Wohnung, der mit Leben gefüllt wird. „An diesem warmen Ort gibt es immer was zu trinken, immer was zu essen, immer ist Action.“ In der Küche hantieren, das hat er in die Wiege gelegt bekommen, er ist der Sohn eines Spitzenbäckers und Topkonditors, wie Murat seinen Vater liebevoll nennt.  Früh will Murat Koch werden – oder Feuerwehrmann. Schon als Jugendlicher fehlen ihm Berührungsängste mit dem wenig glamourösen Handwerk der Köche, so schlachtet im zarten Alter von sechzehn Jahren sein erstes Lamm, weidet es aus und bereitet es es zum Opferfest zu. Eine gute Vorbereitung, denn die Küche ist tatsächlich ein Schlachtfeld, auf dem es manchmal auch Verletzte gibt.

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„Küche ist eine Schlacht, und jeden Tag will man diese gewinnen.“

Die Haut an Murats rechtem Unterarm beult sich nach oben, die Hand kann er nicht schließen und nicht komplett strecken. Bei einem Arbeitsunfall 1996 in der hauseigenen Schlachterei der Villa Wannsee verletzt sich Murat an einer Knochensäge und säbelt sich beinahe die rechte Hand ab. Die Küche ist ein wunderschöner wie auch deftiger Ort, ein Schlachtplatz, wie Murat es nennt. Nicht nur die Unfälle sind hart, auch die Hierarchien sind es. „Gerade in meiner Lehrzeit habe ich weiß Gott wie oft nachts in mein Kissen geheult.“ Doch sein Vater, ein Mann der alten Garde, hatte durch viel Arbeit in einem fremden Land viel erreicht und seinem Sohn nicht zuletzt diese Zukunft ermöglicht. „Mein Vater meinte: Sohn, es gibt keinen Rückzug, also zieh die Sache durch.“ Murat schlägt sich durch, um das aufrechtzuerhalten, was seine Eltern hier in Deutschland als Gastarbeiter aufgebaut haben.

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 „Ich war noch nie in Wien, aber Wien ist in mir.“

Eben weil Murat trotz seiner türkischer Wurzeln und seiner deutschen Heimat den Fokus auf österreichische Kost setzt, drängt sich die Frage nach dem Warum auf. Der Grund ist simpel: „Die sogenannte Kaiser- und Kronenküche schmeckt mir selbst einfach am besten!“Auch für seine Henkersmahlzeit wünscht er sich ein Österreicher Original: den Tafelspitz. Wo seine Heimat ist? „Meine kulinarische Heimat liegt natürlich in Österreich, was eigentlich verrückt ist, denn ich war ja noch nie dort. Sagen wir so: Wien ist dafür in mir. Diese Küche verfolgt mich, prägt mich, und habe mir fest vorgenommen, diese Stadt einmal zu besuchen.“

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Credits
Text: Genna-Luisa Thiele
Fotos: Ferhat Topal

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