Die Bedeutung von Jom Kippur
Jom Kippur markiert das Ende der zehntägigen Phase der Reue und Umkehr, die mit dem jüdischen Neujahrsfest, Rosch Haschana, beginnt. Während dieser Zeit betrachten gläubige Juden ihre Handlungen des vergangenen Jahres, suchen Vergebung für begangene Sünden und verpflichten sich, bessere Menschen zu werden.
Der Tag davor
Für alle jüdischen Gemeinschaften ist das Fasten das zentrale Element von Jom Kippur. Vom Sonnenuntergang des Vorabends bis zum folgenden Abend enthalten sich Gläubige von Nahrung, Wasser und weltlichen Aktivitäten. Dieses Fasten symbolisiert die Reue und die Reinigung der Seele. Am Abend findet der Kol-Nidre-Gottesdienst statt, ein sehr intensives, zwei-stündiges Gebet.
„Am nächsten Tag finden in der Synagoge von morgens bis abends Gebete und Lesungen statt. Nachmittags wird die Geschichte vom Propheten Jona gelesen. Darauf folgt das Ne’ila-Gebet, der Vorstellung nach steht währenddessen der Himmel offen. Das Ende des Tages wird mit dem Blasen des Schofars, eines Widderhorns, in verschiedenen Tönen markiert.” Das Schofar soll an die Erschaffung der Welt erinnern, aber auch an die geplante Opferung Isaaks durch seinen Vater. An Isaaks Stelle wurde dann aber ein Widder geopfert, dessen Hörner Gott an das stellvertretende Sühneleiden Israels erinnern sollen.
Wünsche auf Hebräisch und Deutsch
Vor dem Neujahrstag Rosch Haschana wünscht man sich auf Hebräisch „Ktiwa wa Chatima towa,“ was so viel bedeutet wie „Möge deine Eintragung ins Buch des Lebens gut sein.“ Nach dem Neujahrstag bis zum Jom Kippur wünscht man nur noch »Chatima towa«. „Das hängt damit zusammen, dass die Entscheidung [ob man ins Buch des Lebens eingeschrieben wird] an Rosch Haschana fällt, jedoch an Jom Kippur besiegelt wird.”
Das Buch des Lebens
Während des Jom-Kippur-Gottesdienstes wird angenommen, dass Gott das Buch des Lebens öffnet und darin die Namen der Menschen überprüft. Diejenigen, die sich bemühen, ihre schlechten Taten zu bereuen und zu verbessern, sollen im Buch des Lebens für ein weiteres Jahr „eingetragen“ werden, was bedeutet, dass sie ein gutes und gesundes Jahr haben sollen.
Nach Halle
Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle am Jom Kippur 2019 ist der Feiertag für viele Jüd*innen in Deutschland überschattet. Viele jüdische Gemeinden in Deutschland haben nach dem Anschlag ihre -ohnehin oft schon vorhandenen- Sicherheitsmaßnahmen deutlich verschärft. Es werden Gebete und Zeremonien abgehalten, um die Erinnerung an die Opfer zu wahren und gegen Antisemitismus und Hassgewalt zu protestieren. „Was bedeutet eine Umkehr zu Gott nach dem, was passiert ist?”, fragt Iona Berger, die zum Zeitpunkt des Attentats in der Synagoge war.
Seit Halle ist auch an Jom Kippur für viele Jüd*innen (noch) mehr Raum für Kritik an Antisemitismus und Staat. „Viele Taten sind absehbar. Ich bin auch enttäuscht von der Polizei, die erst nach 30 Minuten in Halle vor Ort war. Die Taten müssen verstärkt verfolgt werden.”
Jom Kippur ist ein Anlass zur inneren Einkehr und zur Gemeinschaft, der von jüdischen Gemeinschaften weltweit auf verschiedene Weisen gefeiert wird. Obwohl es sich um ein fröhliches Fest handelt, hat Jom Kippur auch einen mahnenden Ton. Und das gilt auch für Antisemitismus und Rassismus. Wir wünschen allen Jüd*innen ein enthaltsames Fasten, eine gute Eintragung und „Chatima towa”!