Die Notwendigkeit der Vielfalt ist zwar bei den meisten Museen und Theatern angekommen, aber gleichzeitig sind Kurator*innen und auch Publikum immer noch das weiße Bildungsbürgertum.
Begleitend zu einer Ausstellung des türkischen Künstlers Ergun Çağatay, mit Fotografien, die das Leben der Gastarbeiter*innen in Deutschland, insbesondere die Lebensrealitäten türkischer Familien darstellten, gab es eine Lesung. In Anmoderation zur Lesung wurde erzählt, dass sich seit dieser Ausstellung “ganz neue Gesichter” im Museum haben blicken lassen. Die Gegend sei bekannt dafür, besonders “schön und spießig” zu sein (bedeutet das im Umkehrschluss weiß?). Aber es sei ja auch schön, “ein bisschen frischen Wind in den Museen zu begegnen”, sagt die Moderatorin.
Wir sollten erstmal die Vielfalt innerhalb der Vielfalt verstehen. Mehr Diversität meint auch Weltanschauungen, Genderidentitäten, physische Fähigkeiten, Religionen und vieles mehr.
Abgesehen davon, dass BiPoC, der frische Wind, der mit den Fotos von Ergun Çağatay ins Museum kam, schon in den 60ern Realität waren, sich die weiße Dominanzgesellschaft nur nicht mit ihnen auseinandersetzen wollte, stellt sich die Frage, woran es denn liegt, dass BiPoC nicht schon vorher in die Museen kamen.
Kulturinstitutionen, wie Theater oder Museen, zu öffnen ist ein wichtiger Prozess, der Zeit und Geduld erfordert.
Natürlich ist es zunächst eine Frage von Klasse: Menschen mit Migrationshintergrund haben meistens weniger Zeit aufgrund ihrer Arbeit und/oder nicht genug Geld, trotz dieser Arbeit, ins Museum zu gehen. Aber es sind auch schlicht die Werke, die ausgestellt werden und die Themen, die in den Museen besprochen werden. Erst in den letzten Jahren begannen Museen auch Themen außerhalb des Interessenfeldes der Dominanzgesellschaft auszustellen, wie z.B. die Fotos von Çağatay. Wenn in den Museen Themen ausgestellt werden, die auch uns interessieren, sitzen wir gerne in den ersten Reihen bei der zur Ausstellung gehörigen Lesung, dann bringen wir gern den frischen Wind.
Das Programm reicht dafür allein nicht aus. Je mehr verschiedene Perspektiven auch hinter den Kulissen zusammenkommen, desto vielfältiger wird das Programm. Und dann kann man darüber nachdenken, wie man die Menschen draußen erreicht.
Aber die Diversität an den Museumswänden ist nicht gleich Repräsentanz. Vielfalt ist, wenn mit den weißen, heteronormativen Sehgewohnheiten gebrochen wird, regelmäßig und die Museen und andere Einrichtungen auch den Standard für sich selbst setzen, die BiPoC und Arbeiter*innen nicht nur ins Museum einzuladen, sondern sie vielleicht sogar auszustellen (so wie Ausnahmefall Çağatay). Dann sind BIPoC kein frischer Wind, sondern wirklich, richtig Teil der Museen.
Ein Ort, der immer wieder tolle, junge BiPoC Artist ausstellt und zu Wort kommen lässt, ist das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg.
Zitate: Selen Kara
Text: Paula Steiner