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Musik & Tanz

Divan Berlin-İstanbul

Transpositionen zwischen Lyrik und Musik

Im Berliner Gleisdreieck-Park treffen wir Cymin Samawatie auf eine Saftschorle. Wir sprechen über eines ihrer neusten Projekte, dem Divan Berlin-İstanbul. Darin wird mit aktueller Musik und Lyrik experimentiert: Freie Sounds von Kanun, Saz und Kemenche treffen auf Posaune, Electronics und Kontrabass – und deutsche Verse begegnen türkischen. Zwei sich der Welt unterschiedlich nähernde Künste werden von den Kurator*innen Ketan Bhatti, Cymin Samawatie, Matthias Göritz und Efe Duyan in diesem Rahmen zusammengefasst. Dahinter pulsieren Berlin und İstanbul als Weltstädte der Worte und Klänge, als urbane Quellen von Künstler*innen, als Orte für Neuschöpfung unter ungleichartigen Schaffensbedingungen. Cymin Samawatie erzählt:

Wie kam es zu der Idee, ein deutsch-türkisches Programm zu gestalten, das Musik und Lyrik umfasst?

Ich arbeite viel und schon lange mit unterschiedlicher Lyrik aus verschiedensten Jahrhunderten. Dieses Projekt aber hat Ketan Bhatti ins Leben gerufen. Er war Stipendiat der Kulturakademie Tarabya in İstanbul, wo auch ich dieses Jahr bin. Ketan hat dort den Dichter Matthias Göritz kennengelernt und beide haben im Gespräch erkannt, wie ähnlich sie arbeiten. Matthias als Dichter, der übersetzt und übersetzt wird, und wir, die mit Musiker_Innen zusammenarbeiten und für sie komponieren, aber nicht einfach irgendwas. Wir versuchen die Person, für die wir komponieren, immer im Blick zu haben und Komposition auch gemeinsam über Improvisation zu gestalten. Bestimmte Mechanismen in Musik und Lyrik sind in der Herangehensweise, Gestaltung und der Nachahmung also ähnlich. Ich kann ein Gedicht entweder Wort für Wort übersetzen, das Gefühl des Gedichtes oder nur die Metrik. In der Musik ist es ähnlich. Als Koto-Spielerin kann ich einen Bratschisten nachahmen. Ich werde zwar nicht klingen wie einer, doch in genau diesem Prozess der Nachahmung passiert Kommunikation und Verwandlung.

Das Programm des Divan-Berlin İstanbul ist aufgeteilt in Prozess und Werk, verteilt über zwei Tage. Wie kann man sich das Wechselspiel von Lyrik und Musik in diesem Rahmen vorstellen?

Uns war wichtig, Musik und Lyrik auf Augenhöhe stattfinden zu lassen: Was ist das, was bedeutet das, wie geht das? In vier Schritten wollen wir diese Prozesse zeigen. Im ersten Schritt ist die Lyrik da und die Musik bietet die Fläche – und andersherum im zweiten Schritt. Die Lyrik ist dann Teil der Musik und wird vertont. Im dritten Prozess wird experimentiert, da spielen wir miteinander. Die Lyrik wird die Musik beeinflussen und umgekehrt. Da wird auch ziemlich spontan reagiert, wie in einem Gespräch. Der vierte Schritt, das Werk, wird dann die Ergebnisse der vorherigen Schritte zeigen: unsere Interpretationen von Musik und Lyrik auf Augenhöhe. Wir können jetzt noch nicht sagen, wie sich das gestaltet.

Es geht also darum, in Konversation zu treten? 

Richtig. Und diese Konversationen passieren auf ganz verschiedenen Ebenen. Es gibt zum Beispiel Electronica, die aufnehmen und wieder abspielen, was gerade gesagt wurde. Das kann auch eine Irritation bedeuten für denjenigen, der gerade redet. Die Frage ist, ob und wie darauf reagiert wird und Interaktionen entstehen. Im Grunde ist es eine Kettenreaktion, die auch mit Persönlichkeit zu tun hat und die Fragen stellt: Was bin ich für ein Mensch? Höre ich lieber zu, rede oder interagiere ich lieber, warte oder initiiere ich?

Gab es bereits Testläufe mit den beteiligten Persönlichkeiten?

Wir werden alle schon fünf Tage vor der Veranstaltung von morgens bis abends intensiv zusammenarbeiten, experimentieren und improvisieren. Das ist natürlich auch ein Risiko, wir haben das so ja nie gemacht. Es wird spannend, wie und ob das funktioniert! Ich sage immer, der Prozess ist das Spannende bei diesen Sachen. Deswegen versuchen wir auch, das Publikum in diesen Prozess mit einzubinden, wobei der echte dann zumindest teilweise in den Tagen vorher stattfindet. Nächste Woche treffe ich in Istanbul die Leute des Hezarfen Ensembles. Da kann man sich schon mal auf improvisatorische Art und Weise begegnen und ich zeige meine Ideen, die ich bisher vorbereitet habe.

Die Frage ist also, wie gehe ich mit etwas um, das ich nicht verstehe?

Werden alle bei ihren Disziplinen bleiben?

Ja, ich denke schon. Ich glaube aber, es wird jeder in seiner Disziplin einen Weg finden müssen, aus dem typischen Umgang mit seiner Disziplin herauszukommen. Wenn ich als Dichterin mit meiner Lyrik arbeite und nun reagiert ein Instrumentalist auf das, was ich sage, wird das etwas mit allen involvierten Menschen machen. Auf einmal sind da Worte im Raum, die ich verstehe und welche, die ich nicht verstehe. Die Frage ist also, wie gehe ich mit etwas um, das ich nicht verstehe? Und wie reagiere ich auf etwas, das ich verstehe?

Man kommt sich selbst und dem Gegenüber in der Improvisation sehr nahe. Dazu gehört viel Mut.

Absolut, stimmt. Für Leute, die das nicht gewohnt sind, ist es glaube ich etwas schwieriger. Für mich ist es Zuhause! Es ist ein Schwerpunkt meiner Arbeit, die ich unheimlich liebe. Mich immer wieder neu heraufordern zu lassen, neuen Menschen zu begegnen, die anders mit Musik umgehen als ich. Es langweilt mich, wenn ich immer wieder das Gleiche mache, und es ist leichter, aus meiner Suppe herauszukommen, wenn es Leute von außen beeinflussen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, die mich verändert.

Wo liegen als Sängerin und Komponistin deine Berührungspunkte mit Lyrik?

2002 bin ich für mein Studium nach Berlin zu meiner Tante gezogen. Eines Tages kam ich nach Hause und es lief eine CD von Ahmad Schamlou. Es war eine alte Männerstimme, deren Wärme und Tiefe mich so berührt hat, obwohl ich die Sprache nicht verstanden habe – es war Altpersisch. Das war ein überwältigendes Erlebnis. Ich höre etwas, das ich nicht verstehe, aber es berührt mich unheimlich. Ab dem Zeitpunkt habe ich begonnen, mich mit persischer Lyrik zu beschäftigen und auch eine Liebe dafür entwickelt, Sprachen zu lernen, die ich nicht verstehe. Wenn ich merke, ich verstehe etwas nicht, reizt es mich trotzdem, weil Klang und Sprachrhythmus etwas mit mir machen, auch als Komponistin. Jede Sprache hat ihre eigene Melodiebewegung und je nachdem, welche ich gerade betone, entsteht etwas Neues. Aktuell vertone ich die türkische Lyrik und finde mich in ganz anderen Rhythmen und Melodieräumen wieder. Es bringt meine Vorliebe für bestimmte Texturen zum Vorschein. Und auch die Sprache selbst hat eine Eigendynamik, die mich manchmal in bestimmte Ecken zwingt.

Du hast Gesang und Schlagzeug in Hannover und Berlin studiert. Eine Solokarriere hattest du in Erwägung gezogen. Fragst du dich, was wäre, wenn du das verfolgt hättest?

Immer. Grundsätzlich aber habe ich das Gefühl, ich bin glücklich, da wo ich bin. Ich habe eine klare Vorstellung von der Musik, die ich machen will, und die gibt’s für mich nicht, da kann ich nicht jemanden engagieren, sondern muss sie selber schreiben.

Das heißt, du hörst deine Komposition vor deinem „inneren Ohr“?

Ich höre und sehe sie. Ich sehe Menschen und Körpersprachen und höre, was die Musiker spielen sollen. Das ist für mich wirklich anstrengend, vielleicht weil ich Komposition als solches nicht studiert habe. Ich gehe jedes Mal durch die Hölle bei dem Schritt, das, was in meiner Vorstellungskraft passiert, eins zu eins auf Papier zu übertragen.

Ist Musik eine Sprache, die jeder versteht?

Ich würde sagen jeder, der sie verstehen will. Ich glaube schon, dass man es wollen muss. Es gibt durchaus Leute, die es nicht interessiert und die keinen Zugang dazu haben. Der erste Weg ist immer zu sagen, „Ich will“. Man muss sich darauf einlassen wollen und Lust haben, offen damit umzugehen. Ich glaube, viele Leute gehen in ein Konzert und haben zu viele Erwartungen: So muss Musik sein und das muss es mit mir machen. Ich denke: Weg von Kategorien und hin zu einer Liebe für diese Person, die da auftritt, und ihr zu erlauben, das auf ihre Art und Weise zu machen.

Erinnerst du dich an deine erste Kassette?

Lionel Richie. Und die ersten Konzerte waren Black Rose und Lenny Kravitz. Letzteres war der Aha-Moment, eine eingespielte Band, die coole Musik macht und grooved. Das war mein Vorbild! Als ich die Schlagzeugerin Cindy Blackman spielen hörte, dachte ich: thats it!

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