Tagtäglich werden Nachrichten über Migranten in Deutschland veröffentlicht. Lieblingsgruppe: die Türken. Brennende Dauerthemen sind dabei Integration, Islam und Parallelgesellschaften. Artikel über den sich nicht integrierenden Türken gibt es also zur Genüge. Aber in den letzten fünfzig Jahren scheint sich vieles zum Guten gewandelt zu haben: Wenn man über die Türken in Deutschland spricht, spricht man nicht mehr von Fremden oder Ausländern, sondern von Freunden, Nachbarn oder Arbeitskollegen. Der türkische Migrationshintergrund ist zwar immer noch präsent und taucht immer wieder in der Berichterstattung auf, aber fremd ist man sich nicht mehr. Deutsch-türkische Künstler, Musiker, Sportler und Politiker prägen nun das mediale Bild der Türken in Deutschland mit. Der Türke, so scheint es, ist in den letzten Jahren endlich in der Mitte der deutschen Mehrheitsgesellschaft angekommen. In diesem Artikel geht es aber nicht um diese Erfolgsstory. Es geht vielmehr um den aktuellen medialen Diskurs über den Türken und die Türkei. Es geht um den Verfall des Niveaus wie über den Türken in Deutschland berichterstattet wird. Daher ist dieser Artikel ein Aufschrei. Ein Aufschrei der Empörung.
Denn wenn man sich die Reportagen, Berichte und Kolumnen der letzten Wochen anschaut und was so in den deutschen Medien über die Türken in Deutschland geschrieben wird, kann man es kaum fassen! Rund fünfzig Jahre später scheint sich das Bild der Türken in Deutschland kaum gewandelt zu haben. Immer noch muss sich der Türke auf Titelblättern von hochkarätigen Wochenzeitschriften entscheiden: Fühlt er sich mehr deutsch oder türkisch? Mag er Brezeln oder Simit für Zwischendurch? Mag er Merkel oder Erdoğan? Ein halbes Jahrzehnt Debatten, Forschung und mehrere Integrationspreise später scheint absolutes Schubladendenken immer noch gut zu funktionieren. Von Hybridität und neuen Identitäten fast keine Spur. Gepaart mit Islamophobie und Angst vor der Fremden im schwarzen Gewand, schmücken Frauen mit Kopftüchern die Titel deutscher Zeitungen. Ist die türkische Frau frei?
Hin- und hergerissen und gespalten zwischen zwei Welten, wird der Türke, der sich nicht entscheiden kann, den Lesern auf einem Silbertablett präsentiert. Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Türken und der heutigen Türkei, braucht es daher nicht. Die politischen Ereignisse in der Türkei werden zum Spiegel der Türken daheim erklärt, und als hätte man es schon immer gewusst, scheinen sich die Türken doch sowieso nur mit der Türkei zu beschäftigen. Kaum zeigt man als Türke Sympathien mit dem Herkunftsland, einer politischen Debatte oder politischen Figur, ist Integration per se gescheitert. Interessiert man sich als Deutsch-Türke für türkische Politik und hat dann auch noch beide Pässe, heißt es schon bald: game over. Doppelte Staatsbürgerschaft gehört abgeschafft!
So einfach ist es aber nicht, und das sollten die deutschen Medien auch so vermitteln: Denn nur, weil sich in Deutschland manche Türken für die politischen Ereignisse in der alten Heimat interessieren oder sich mit bestimmten politischen Ideologien aus der Heimat identifizieren, bedeutet das noch lange nichts Schlechtes. Vor allem heißt es aber nicht, dass die Integration oder Inklusion, die Annahme von gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Kultur gescheitert sind. Das ist ein vorschnelles Urteil, das meiner Meinung nach zu kurz greift. Die Konsequenzen dieser aktuell vorurteilsbehafteten und verkürzten medialen Darstellung von Türken und der Türkei, aber auch anderen Minderheiten und marginalisierten Gruppen, spiegelt sich nicht zuletzt auch in den aktuellen politischen Trends wider. Und allein das ist genug Grund zur Empörung.
Text: Gözde Böcü
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