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Bühne & Schauspiel

Heimatgefühle im Theater

Zu Gast im Tiyatrom Theater in Berlin

„Noch fünf Minuten, noch fünf Minuten..!“, sagt Yekta Arman, Gründer und Intendant des türkischen Theaters Tiyatrom in Berlin. Arman lässt uns aus einem charmanten Grund warten: Er möchte sich für unseren Besuch gerne schick anziehen. Schließlich setzt er sich in einem schlichten, schwarzen Seidenanzug zu uns.

Wir reden über die Stärken und die Schwächen des Hauses, dessen Name übersetzt „Mein Theater“ bedeutet, und erfahren, warum es seit Jahrzehnten ausschließlich türkischsprachige Stücke spielt. Mit seiner tiefen Stimme und schwungvollen Gesten erzählt er uns auch eine Anekdote darüber, wie ein türkischer Passant das Tiyatrom einmal mit einem Bordell verwechselt hat.

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Herr Arman, wann haben Sie Ihre Leidenschaft fürs Theater entdeckt?

Bereits als Kind war ich von der Bühne fasziniert, sehr zum Leidwesen meiner Eltern. In einem Theater zu arbeiten oder zu schauspielern, war für mich einfach nicht vorgesehen. Meine Eltern haben mit aller Kraft versucht, mich auf einen eher wissenschaftlichen Bildungsweg zu bringen, in der Hoffnung, dass mich das von meiner Schnapsidee, Schauspieler zu werden, abhält. Stattdessen wurde ich an meinem Gymnasium in der Türkei Leiter des Literaturclubs und habe heimlich Theatervorstellungen und Literaturabende organisiert.

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Wieso haben Sie dann Ihr Theater nicht in der Türkei gegründet, sondern in Deutschland?

Aufgrund der politischen Lage in der Türkei Anfang der Siebzigerjahre und dem damit verbundenen Universitätsboykott war das Studieren vor Ort ziemlich problematisch. Ich beherrschte die deutsche Sprache, daher bin mit ein paar Freunden zum Studieren nach Berlin. Ich wählte BWL, um meine Eltern glücklich zu machen, und Theaterwissenschaften, um meinen Bedürfnissen zu folgen. Denn meine Freunde und ich teilten den Traum von einem eigenen türkischen Theater, und in Berlin war dieser plötzlich zum Greifen nah.

Und was war Ihr erster Schritt zum eigenen Theater?

Anfangs hatten wir keine Requisiten, nichts, was ein Theater braucht. Dann haben uns ein paar glückliche Zufälle geholfen. Auf unsere Bitte hin hat uns die Volkshochschule Kreuzberg einen Raum zur Verfügung gestellt, den wir aber noch mit einem Bühnenbild ausstatten mussten, und das ohne die Hilfe der Volkshochschule. Zum Glück verfügte die Berliner Schaubühne über viele alte Requisiten, für die es in ihrem Theater keine Verwendung mehr gab. Für uns waren diese gerade richtig. Durch die Schaubühne haben wir auch unseren ersten wichtigen Kontakt geknüpft: Als wir uns die Requisiten abholten, wurde Peter Stein auf uns aufmerksam (damaliger Intendant der Schaubühne – Anm. der Redaktion). Stein kam uns für eine Vorstellung in unserem kleinen Theater besuchen, das wir das „Zimmertheater“ nannten, und war begeistert von unserem Spiel. Dies hat uns letztendlich den Weg zu unserem türkischen Theater geebnet.

Und, hat Ihnen das türkische Publikum die Türen eingerannt?

Oh, wir hatten einige Hürden zu überwinden (lacht). Dazu gibt es auch eine kleine Anekdote: Türken waren zum Zeitpunkt von Tiyatroms Gründung, also 1974, vor allem zum Arbeiten in Berlin. Dementsprechend neu war diese Welt von Kunst und Theater im Alltag der türkischen Gastarbeiter am Maybachufer. Als ich unsere ersten Flyer verteilte, lief zufällig ein Mann vorbei, der meine Einladung ins Tiyatrom partout nicht annehmen wollte. Und warum? Er fürchtete sich vor „nackten Frauen, überall!“ Tatsächlich dachte der Passant, das Tiyatrom wäre ein Bordell. Dabei wollte ich ihn nur für die Abendvorstellung eines Stücks von Aziz Nesin einladen. Nesin war und ist Kommunist, und damit konnte ich den Herren dann doch noch davon überzeugen, bei uns vorbeizuschauen (lacht).

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2008 wurde Ihnen wieder die staatliche Finanzierung gestrichen. Ihr eben erst vom Publikum akzeptiertes türkisches Theater stand plötzlich vor dem Aus. Heute gibt es das Tiyatrom immer noch. Wie haben Sie diese Hürde genommen?

Seit einunddreißig Jahren werden ausschließlich türkischsprachige Stücke im Tiyatrom aufgeführt. Warum? Im Mittelpunkt meiner Arbeit am Tiyatrom steht der Erhalt der türkischen Sprache. Über die Hälfte unserer Schauspieler auf der Bühne sind türkische Jugendliche. Wenn ihre Muttersprache nicht lebendig gesprochen wird, zerfällt ein Stück Kultur und damit ein Teil ihrer türkischen Identität. Mit dem türkischen Theater setzen wir uns für den Erhalt der türkischen Sprache und der türkischen Kultur in Deutschland ein. Das hat Anklang gefunden, und das Publikum spendet uns Geld, damit wir weitermachen dürfen.

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Diese Sprachpflege treibt also auch die Jugendlichen in die Workshops des Tiyatrom?

Die Schüler kommen natürlich auch zu mir, weil sie türkischsprachiges Theater machen wollen. Doch anders als in Schulen und bei manchen Jugendlichen zuhause ist Türkisch im Tiyatrom nicht untersagt, sondern ausdrücklich gewünscht. Dies gibt den Jugendlichen ein gewisses Heimatgefühl, durch das sie sich unserem Theater verbunden fühlen.

Manche lernen ihre Muttersprache erst hier, manche möchten ihre Türkischkenntnisse einfach aufrechterhalten. Ich sehe auch, dass sie durch das Schauspiel ihre Scheu verlieren. Zu Anfang stottern sie noch in ihrer Muttersprache, doch mit der Zeit gewinnen sie an Selbstvertrauen und haben immer mehr Spaß an der türkischen Sprache. Das ermöglicht eine gute Grundlage für Gespräche, wovon wiederum das Familienleben profitiert. Die Jugendlichen erzählen mir, dass sprachliche Barrieren zu ihren türkischen Verwandten verschwinden und sich auch ihre Schulleistungen verbessern würden. Ich bin sehr stolz darauf, den Reichtum und die Schönheit der türkischen Sprache in all ihrer Vielfalt weitergeben zu dürfen.

Credits
Text: Genna-Luisa Thiele
Fotos: Ferhat Topal

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