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Kunst & Design

Die Zeit manipulieren mit Erdal İnci

Erdal İnci ist New Media Artist aus der Türkei, kreiert hypnotisierende GIFs und war Teil der renk.-Filmpremiere und Performance „One Million Steps“. renk. zeigte bereits einige seiner GIFs, im Gespräch erzählt er uns mehr über seine Kunst.

Erdal İnci wirkt seriös, wenn er über seine Arbeit erzählt. Die tief stehende Wintersonne blendet uns durch die Fensterfront des SALT Galata, eine der wichtigsten Kunstinstitutionen Istanbuls und Ort unseres Treffens. Durch seine GIFs erlangte er in diesem Jahr zunehmende Aufmerksamkeit. Erdal klont sich digital an verschiedenen Berliner oder Istanbuler Plätzen etliche Male selbst und erschafft auf diese Weise surreale digitale Kunstwerke.
Gleich zu Beginn zückt er sein Handy und zeigt mir sein neuestes Projekt, in dem es um Berlin geht. In Ankara geboren, aufgewachsen und zur Universität gegangen, zog es ihn nach dem Studium der Malerei nach Istanbul, wie die meisten türkischen Künstler. Mit der Zeit gab er die klassische Malerei auf und widmete sich zunehmend digitaler Kunst. Erste eigene Ausstellungen ausschließlich mit GIFs hatte er bereits in der Galerie BAUART in Istanbul oder Anfang des Jahres in der Galerie Michael Schultz in Berlin. Momentan bewegt er sich zwischen den beiden Städten.

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Vor einigen Jahren fing Erdal an Musik zu visualisieren und Animationen zu erstellen, die weder Anfang noch Ende haben, sich endlos wiederholen. Später begann er damit kurze Videos zu erstellen. „Für die Aufnahme benutze ich nur ein Stativ und eine Kamera, mehr brauche ich nicht. Ich stelle meine Kamera auf und mache eine Performance, also laufe oder renne herum, eigentlich nichts Besonderes.“ Da der öffentliche Raum für seine GIFs so leer wie möglich sein muss, nutzt er die Nacht- oder Morgenstunden zum Schießen. Der Einfachheit halber ist der Künstler selbst Protagonist der Dauerschleifen. Eigentlich steht Erdal aber lieber hinter der Kamera und würde daher in Zukunft gerne mit Performancekünstlern zusammenarbeiten. GIFs seien sei das perfekte Format für seine wenige Sekunden langen Videos. Bis zu zehn Tage dauert jedoch die Bearbeitung eines GIFs, was er als den aufwändigsten Teil seiner Arbeit beschreibt.

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Außer der Zeit ist alles real“

Nach anfänglichen Experimenten mit der Form wollte Erdal mit seiner Arbeit mehr ausdrücken. In einem für Die Zeit erstellen GIF thematisiert er die ungleiche Verteilung von Reichtum in der Türkei. Auch für andere Auftragsarbeiten wird er angefragt. „Für meinen Stil, die Klon-Technik, benutze ich öffentliche Orte als Bühne“, unterstreicht er und erklärt, warum er dafür bekannte Plätze aufsucht. Mit Orten wie dem Taksim-Platz verbinde man viele Themen aus dem politisch-sozialen Kontext. „Ich manipuliere die Zeit. Aber der Ort ist echt, die Bewegungen sind echt, die Performance ist echt.“ Durch die kurze Dauer und die Wiederholungen wirken die GIFs zudem hypnotisch. „Außer der Zeit ist alles real“, beschreibt er treffend.

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Für die „Taksim-Spiral“ verkleidete sich der Künstler als eine Figur der Arbeiterklasse, klonte sich genau 1024 mal und platzierte sich in die Mitte des Taksim-Platzes. So wird aus einer Figur eine Menschenmasse. Die Spirale symbolisiere die Ordnung, aber gleichzeitig auch das Chaos – ähnlich problematisch sei auch der Taksim-Platz, meint der Künstler. Erdal möchte bestimmte Themen ansprechen, ohne dabei zu kommentieren. Eine Assoziation mit den Gezi-Protesten teilt er allerdings nicht: „denn Gezi als Ereignis selbst war schon ein gemeinschaftliches Kunstwerk.“

2013_Taksim-Spiral

2013_Camondo-Stairs

2014_SchlesischesTor_640p

Daten als Form der Kunst

Bei seinem aktuellen Projekt dreht es sich erneut um Berlin. In der Hauptstadt fiel Erdal die Form der Segmente der Berliner Mauer auf. Er recherchierte die Details der 1975 entstandenen vierten Generation der Segmente, von denen rund 45 000 errichtet wurden und visualisierte sie digital. Das erstellte Modell duplizierte er genau 45 000 mal und setzte die Teile in der Form eines einzelnen Segmentes zusammen. Zur Demonstration der Ausmaße hat er den Alexanderplatz mithilfe von Google Earth ausgemessen und dann in in realen Dimension „die gesamte Konstruktion neben den Fernsehturm platziert, weil jeder dessen Größe kennt.“

Für Erdal ist die Visualisierung von Daten eine neue Form der Kunst, bei der sich verschiedene Disziplinen vereinen und unterschiedliche Themen ansprechen lassen. Als nächsten Schritt möchte er sein computergeneriertes Modell als 3D-Druck in Plastik oder Metall realisieren und sucht derzeit nach Sponsoren. „Contemporary Istanbul“ ist die größte Kunstmesse der Türkei und ermöglichte ihm im November dieses Jahres bereits seine Arbeit einem großen Publikum vorzustellen. „In der Kunstszene Istanbuls tut sich etwas. Aber ich denke, Berlin ist gerade die Hauptstadt der Kunst in Europa.“ Die Stadt gefällt ihm, es fühle sich familiär an. Falls er sein aktuelles Projekt dort realisieren kann, würde auch wieder nach Berlin ziehen, erklärt er, bevor wir uns wieder unter die Menschenmassen Istanbuls mischen.

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GIFs, Video: Erdal İnci

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