Ein smarter Typ mit intelligenten Texten, einer sanften Stimme mit fettem Flow; eine Mischung aus Max Herre und Kool Savas – und dabei auch noch bescheiden: das ist Chefket, mit bürgerlichem Namen Şevket Dirican. Ein Rapper, der gerne mal Vegetarier ist und an der Krankheit „Salzheimer“ leidet (er isst zu oft zu viel Salz).
Wir trafen ihn im Burgeramt, einem Burgerladen in Berlin-Friedrichshain und sprachen mit ihm über Kritik und Klischees in der Musikbranche, seine anstehenden Projekte und die Liebe zu seiner Familie.
Kritisch und ironisch zugleich. Sätze wie „Ich esse Schweinefleisch, nur wenn sie beschnitten sind“ zeigen mir, dass du locker mit Klischees umgehst. Nervt es dich, dass es immer noch sehr verzerrte Bilder über Deutsch-Türken gibt?
Nicht mehr. Ich habe mich mit dem „Identitäter“-Album von diesem Thema befreit. Es war ein Befreiungsschlag für mich, mich von diesem Thema loszusagen. Du wirst immer als der „Türke“ abgestempelt. Ich habe keine Lust mehr, auf meine Herkunft reduziert zu werden, weil ich viel interessantere Sachen zu sagen habe. Ich will Kunst machen. Stell dir mal vor, ein Künstler mit deutschen Eltern wird ständig nach seinem Deutschsein befragt. Ich kann und will nicht für eine Volksgruppe oder ein Land oder eine Flagge stehen. Für wen soll ich da bitte sprechen? Ich spreche nur für mich. Vielleicht mache ich es mir damit etwas schwerer, weil viele genau diese Pauschalisierung brauchen, aber das juckt mich nicht. Ich bin einfach Chefket!
In dem Song „Made in Germany“ kritisierst du unter anderem den Waffenexport Deutschlands. Aktuell wurden wieder deutsche Waffen ins Ausland exportiert. Kannst du dir vorstellen, ein Album ohne politische Statements zu machen? Oder sind dir politische Statements zu wichtig?
Mir sind politische Statements so wichtig, dass ich nicht auf sie verzichten würde, selbst wenn sich ein Album ohne Aussage besser verkaufen würde. Ich denke einfach, dass es wichtige Themen gibt, für die ich mein Publikum sensibilisieren kann. Ich lerne selbst ja auch immer dazu. Aber ich schreibe keine Hausarbeit über Waffenexporte. Es geht mir um die Gefühle, die jeder hat. Es geht um Ohnmacht gegenüber Dingen, die man nicht ändern kann oder glaubt, nicht ändern zu können. Viele Musiker haben Angst, ihre Fans mit schwierigen Fragen zu konfrontieren und sie so zu vergraulen. Diese Angst kenne ich nicht.
Wenn Deutschland zum Beispiel einen Schokoriegel herstellen würde, der giftig ist und Menschen umbringt, dann würden alle sagen: „Ey, das könnt ihr nicht machen, das tötet Menschen!“ Aber bei Waffen ist es anders. Die Rechtfertigung, dass damit Arbeitsplätze geschaffen werden, legitimiert gar nichts. Alles ist so strange. Manchmal frage ich mich, ob ich zu dumm bin, oder ob es die anderen sind, ich habe keine Ahnung. Wie kann man für Waffenexporte sein. Sogar eine einzige Waffe ist schon zu viel.
Auf deinem ersten Live-Konzert war deine Mutter mit unter den Zuhörern.
Wie beeinflusst dich deine Familie?
Sie beeinflusst mich stark. Meine Mutter sagt mir natürlich nicht, worüber ich schreiben soll, aber die Erziehung, der Umgang miteinander – das alles hat mich geprägt. Da meine Eltern in der Türkei leben, sehen wir uns nicht oft. Meine Schwestern hatten mir eine Überraschung gemacht und meine Mutter einfliegen lassen. Ich wusste nichts davon und beim Soundcheck stand Sie auf einmal neben mir. Für ihr Alter, sie ist fast 70, hat sie auch gut durchgehalten. Maşallah! Familie ist das allerwichtigste.
Du willst eine EP rausbringen, auf der du alte türkische Volkslieder sampelst. Das haben Musiker wie Yasin Bey aka. Mos Def oder Action Bronson auch gemacht. Kannst du uns ein wenig über das kommende Projekt erzählen?
Echt, Action Bronson auch? Die Idee kam mir in Montreal, als ich dort in einer Künstler-WG gelebt habe. Mein Mitbewohner fragte mich, ob ich türkischen, psychedelischen Rock möge und ich meinte: klar, leg mal auf. Es waren Originalaufnahmen von Barış Manço und Erkin Koray, die richtig geil klangen, so dass ich sie mir direkt rüber kopiert habe. Ich kannte aber auch schon einige Sachen von Oh No, dem Bruder von MadliB. Der hat unter anderem einen Song von Selda Bağcan gesampelt. Die alten Lieder neu zu interpretieren, macht einfach Spaß. Die EP wird wahrscheinlich nach dem nächsten Album rauskommen.
Deine fünf Lieblingsmusiker?
Ich will jetzt keine großen Namen nennen und diese runterziehen auf meine Ebene, aber Bill Withers mag ich sehr. Generell mag ich vieles von früher: Al Green, Miles Davis, Bob Marley, Jamiroquai, Black Uhuru und andere. Pablo Moses war auf jeden Fall auch eine große Inspiration. Das Album „Revolutionary Dream“ habe ich mir oft angehört. Der Typ ist einfach der Hammer. Er sieht zwar aus, wie ein krasser Mörder, hat aber eine softe Stimme.
Welche sind deine fünf Lieblingstracks?
1. Pablo Moses – „Come mek we run“
2. Al Green – „If Loving You Is Wrong I Don’t Want to Be Right“
3. Nas – „Watch dem Ni**as“
4. Barış Manço – „Gesi Bağları“
5. Michael Jackson – „Leave me alone“
Baklava oder Stollen?
Hab bisher nur einmal Stollen gegessen. Und der war furztrocken. Daher Baklava, aber nur wenn meine Mutter die macht. Woanders kann ich die nicht essen.
Methodman oder Redman?
Methodman
Berlin oder Istanbul?
Berlin
In die Berge oder ans Meer?
Ans Meer
Rakı oder Bier?
Rakı
Raus aus dem Studio Tour
Die Tour von Chefket geht los am 14.11.2014 in Hamburg.
Verpasst kein Konzert und informiert euch auf seiner Facebook Seite für mehr Infos.
Credits
Text: Ömer Mutlu
Fotos: Melisa Karakus