Yavuz Kurtulmuş ist Gründer von Migay, der ersten österreichischen Plattform für lgbtiqa+ Migrant*innen, welche sich für die Sichtbarkeit und Repräsentation queerer Minderheiten und People of Color einsetzt.
Seit mehr als 15 Jahren ist er als politischer Aktivist tätig.
2012 gründete er das Transition International Queer & Minorities Film Festival, Österreichs einziges queeres Filmfestival mit Fokus auf Gender-diversität und queere Migrant*innen. Zusätzlich hält er Vorträge und Workshops mit Fokus auf „queer muslim activism“. als Gründer und Leiter von Transition will er immer wieder die Auswirkungen von Queerness, Gender und Diversity auf unsere Gesellschaft aufzeigen.
Das Porn Film Festival Vienna findet jedes Jahr statt. Dieses Jahr vom 12.-16.04. Es fördert vor allem BIPoc und queere Erotik- und Pornofilme, als Rahmenprogramm werden Workshops und Panels veranstaltet, zum Beispiel zum Thema Selflove oder sexpositives Tarot. Die Veranstalter*innen Yavuz Kurtulmus, Jasmin Hagendorfer und Adrineh Simonian legen besonderen Wert darauf, für alle Teilnehmenden ein sicheres, sexpositives Festival zu ermöglichen, das zum gegenseitigen Austausch anregt.
Wir durften ein Interview mit Yavuz führen, in denen er spicy Fragen beantwortet und uns mehr vom Porn Film Festival in Wien erzählt hat:
renk.: Du hast in einem anderen Interview gesagt, wer keine News schauen will, schaut sich die Porno-Seiten an. Inwiefern sind Pornos politisch und warum brauchen wir queerfeministische BIPoC-Pornos?
Yavuz: Pornos sind politisch, weil sie nicht nur unser Verständnis von Sexualität, sondern auch von Gesellschaft, Identität und Körpernormen beeinflussen. Alleine wenn man sich ansieht, wie viel pornografische Bilder und Videos es im Netz gibt, das ist ja immens. Traditionelle, sehr konservative Mainstream-Pornografie reproduziert oft patriarchale und rassistische Strukturen, in denen Körper und Sexualität stereotypisiert werden. Queere Pornogtrafie, und speziell queerfeministische BIPoC-Pornos hingegen bieten eine Alternative zu dieser Norm, indem sie die Vielfalt von Körpern, Identitäten und Sexualitäten darstellen und oft politische Botschaften vermitteln. Durch die Darstellung von marginalisierten Gruppen und die Fokussierung auf ihre Erfahrungen können sie zur Empowerment und Sichtbarkeit beitragen und somit einen Beitrag zu einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft leisten. Die PFFV ist sich dieser politischen Dimension von Pornografie bewusst und setzt sich für eine breite Repräsentation von Stimmen und Perspektiven in der Branche ein.
Pornos sind politisch, weil sie nicht nur unser Verständnis von Sexualität, sondern auch von Gesellschaft, Identität und Körpernormen beeinflussen.
renk.: Nach welchen Kriterien suchst du/ihr die Pornos für das Festival aus?
Yavuz: Die Filme für das Festival werden von uns, also mir & Jasmin Hagendorfer & Adrineh Simonian, und einer eigenen Gruppe im Team unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien ausgewählt. Wir achten darauf, dass die ausgewählten Filme eine Vielfalt an Perspektiven, Stimmen und Themen widerspiegeln. Wir möchten ein breites Spektrum an Sexualität und Körperlichkeit zeigen, das die Komplexität der menschlichen Sexualität in all ihren Facetten darstellt. Zudem sind Themen wie Konsens, Ethik und Diversity sehr wichtig. Wir möchten ein Festival präsentieren, das sich kritisch mit der Pornoindustrie auseinandersetzt und alternative, inklusive und vielfältige Perspektiven auf Sex und Sexualität zeigt. Gemeinsam reden wir viel über das Gezeigte und lernen so auch gegenseitig verschiedene Perspektiven und Vorlieben, denn die Menschen im Team haben ja auch unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe. Auch Mainstream darf man übrigens nicht nur verteufeln, es gibt auch sehr gute Produktionen mit guten Arbeitsbedingungen dahinter.
renk.: Was ist Sex für dich? Und was ist Sex nicht?
Yavuz: Wir als Porn Film Festival Vienna möchten unseren Besuchern eine Plattform bieten, um über die Frage „What is sex?“ zu diskutieren und ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen zu teilen. Wir glauben daran, dass es keine universelle Antwort auf diese Frage gibt und dass Sex für jeden Menschen etwas anderes bedeutet. Indem wir Raum schaffen, um diese Themen zu diskutieren, hoffen wir, dass wir dazu beitragen können, den Blick auf Sexualität und Pornografie zu erweitern und ein offenes Gespräch darüber zu führen. Schmunzel. Das ist jetzt die etwas breitere und unpersönlichere Antwort.
renk.:Was wird dein Highlight beim PFFV? Auf welchen Programmpunkt freust du dich am meisten?
Yavuz: Ich, bzw. wir können mit gutem Gewissen sagen, dass das gesamte Programm des Porn Film Festival Vienna ein Highlight an sich ist. Wir haben uns bemüht, ein breites Spektrum an Filmen, Workshops, Talks und Kunstausstellungen zusammenzustellen, das die Vielfalt und Komplexität der Sexualität und Pornografie in all ihren Facetten widerspiegelt. Es ist uns wichtig, dass jeder Besucher und jede Besucherin etwas findet, das sie interessiert und anspricht.
Ob du dich nun für die neuesten Queer-Produktionen, feministische Perspektiven, BDSM-Inszenierungen oder die Verbindung von Technologie und Sexualität interessierst – unser Programm bietet für jeden etwas. Wir haben namhafte Expertinnen und Experten eingeladen, um in Workshops und Talks ihre Erkenntnisse und Erfahrungen mit uns zu teilen. Und unsere Kunstausstellung „The Bliss of Provocation“ fordert uns heraus, unsere Vorstellungen von Macht, Körperlichkeit und Begehren zu hinterfragen.
Kurz gesagt: Wir sind uns sicher, dass jeder Besucher und jede Besucherin des Porn Film Festival Vienna ihr persönliches Highlight finden wird. Wir freuen uns darauf, mit dir diese einzigartige Erfahrung zu teilen!
renk.: Warum sollten wir Pornos in Kinos mit anderen Menschen schauen?
Yavuz: Die Erfahrung, Pornos in einem Kino mit anderen Menschen zu schauen, kann eine völlig andere Dimension der Sexualität eröffnen. Das empfehle ich wirklich. Durch das Teilen der Erfahrung mit anderen Menschen können wir uns in unseren sexuellen Vorlieben und Präferenzen bestätigt fühlen, aber auch neue Perspektiven und Ideen kennenlernen. Das gemeinsame Schauen von Pornos kann dazu beitragen, die Grenzen der Sexualität zu erweitern und gleichzeitig soziale Interaktionen zu fördern, die über die bloße Sexualität hinausgehen. Es ist auch eine Möglichkeit, Pornos abseits von sterilen und isolierten Computerbildschirmen zu erleben und stattdessen in eine sinnliche Erfahrung einzutauchen, die das Publikum in den Film mit einbezieht. Letztendlich bietet das PFFV eine einzigartige Gelegenheit, Sexualität als Gemeinschaftserlebnis zu erfahren, das unsere Vorstellungen von Intimität und Verbindung erweitern kann.
Fotos: Zoe Opratko
Interview: Paula Steiner